Wasser: Wie gewonnen, so zerronnen
Der "Garten Eden" droht zu sterben: Klimawandel, Dürre und Staudämme lassen Euphrat und Tigris zu Rinnsalen schrumpfen. Doch die Menschen geben nicht auf.
"Ein Strom kommt aus Eden, den Garten zu bewässern...", so steht es in der Bibel geschrieben, im 1. Buch Mose, das von der Erschaffung der Welt und dem Paradies handelt. Dieser sagenumwobene Garten lag womöglich nahe der irakischen Hafenstadt Basra am Zusammenfluss der beiden Flüsse Euphrat und Tigris: Das Zweistromland – auch Mesopotamien genannt – gehört zum fruchtbaren Halbmond Vorderasiens, wo vor Tausenden von Jahren der Ackerbau entstand. Und bis vor wenigen Jahrzehnten erstreckte sich hier eines der größten und produktivsten Feuchtgebiete der Erde. Genug Gründe für Bibelforscher, an diesem Ort den Ursprung von Eden zu vermuten.
Die Anrainer am Oberlauf der beiden Flüsse wollen jedoch immer mehr des kostbaren Nass für sich selbst abzweigen: "Syrien, Iran, die Türkei und der Irak selbst haben sehr ambitionierte Pläne. Sie reden aber nicht miteinander und ignorieren grundlegende Regeln der Wasserwirtschaft. Ihre gesamten Ansprüche sind größer als die jährlich verfügbare Menge. Für die Marschen könnte das den Todesstoß bedeuten", fürchtet Partow. Wegen der ausbleibenden Regenfälle und der zahlreichen Dämme am Oberlauf in Syrien und der Türkei erreichen den Irak im Euphrat nur noch 250 Kubikmeter pro Sekunde – nur noch ein Viertel der Menge, die das Land benötigt, um seine Landwirtschaft zu erhalten.
Krieg gegen Mensch und Natur
Euphrat und Tigris wurden eingedeicht, und Kanäle mit grotesken Namen wie "Mutter-aller-Schlachten-", "Wohlstands-" oder "Saddamfluss" leiteten das Wasser direkt in den Persischen Golf. "Nur zehn Prozent der ursprünglichen Marschen überdauerten bis 2003 als funktionsfähiges Ökosystem", so Richardson. Eine Katastrophe nicht nur für die Menschen: "Die Sümpfe waren berühmt für ihre Artenvielfalt. Garnelen und Fische haben dort ihre Kinderstube und bildeten die Basis einer einträglichen Fischerei. Das Schilf filterte Schadstoffe aus den Flüssen, die nach der Zerstörung ungehindert den Golf verschmutzten."
Niemand hatte damals mit der Zähigkeit der Marschen gerechnet – und der Initiative der verbliebenen Ma'dan nachdem Saddam Hussein 2003 gestürzt worden war: "Die Bewohner rissen Dämme ein und zerstörten Sperrwerke, welche die Sümpfe vom Wasser abschnitten. Nach einem Jahrzehnt der Zerstörungen drehte sich die Situation völlig", berichtet Partow. Die Natur erholte sich zügig: "Die Wurzeln der Schilfgräser können lange Jahre im Boden überdauern, auch wenn oberirdisch alles abgestorben ist. Kommt das Wasser, treiben sie schnell wieder aus – eine spektakuläre Wiederbelebung." Innerhalb von nur drei Jahren bedeckten die Sümpfe wieder knapp zwei Drittel ihrer früheren Fläche. Mit ihnen kamen die ursprünglichen Bewohner zurück: "Heute leben hier 160 Vogelarten – darunter zahlreiche gefährdete. Uns hat es besonders ermutigt, dass trotz der Entwässerung keine einzige endgültig verschwunden ist", freut sich der britische Ornithologe Richard Porter von Birdlife International. Insekten, Fische, Schnecken und Pflanzen stellten sich ein. Und auch die Ma'dan nahmen ihr Land wieder in Besitz: "Etwa 80 000 kehrten in ihre alten Dörfer zurück", schätzt Hassan Partow.
Zähe Sümpfe – und Menschen
Denn der Druck auf die Ressourcen steigt: "Die Türkei wird mit dem verbleibenden Schmelzwasser aus den Bergen ihre neu gebauten Speicher füllen wollen. Und der Irak selbst stellt auch die Stromgewinnung aus Stauwerken über alles andere", sagt Alwash. Alle Länder wollen außerdem ihre Landwirtschaft ausbauen, die viel Wasser benötigt: "Bewässerter Ackerbau im Irak ist notorisch verschwenderisch. Hier müssen die Methoden dringend effizienter werden", mahnt Partow.
Der Iran habe sogar mitten durch einen bislang ununterbrochen intakten Sumpf einen Wall errichtet, der den natürlichen Wasserfluss unterbricht. Einen knappen Meter ist der Wasserspiegel dieses Jahr schon gesunken: "Ein schwerer Schlag für das Ökosystem", meint Alwash. Einige Tigriszuflüsse wurden von iranischen Staudämmen völlig trockengelegt. Und auch der Irak errichtet eines der größten Sperrwerke der Welt in der Bekhme-Schlucht in Kurdistan im Einzugsgebiet des Tigris.
Die gegenwärtige Dürrekrise könnte zudem zukünftig zum Dauerzustand werden. Denn Klimamodelle prognostizieren für die Region einen Rückgang der Niederschläge um mehr als 70 Prozent. Sollte dies tatsächlich eintreten, könnte der Garten Eden bis Ende des Jahrhunderts endgültig verwüsten, meint der japanische Meteorologe Akio Kitoh vom Meteorologischen Forschungsinstitut in Tsukaba: Der Prozess habe bereits begonnen.
Doch der "Strom" droht zu versiegen – wieder einmal: "Seit knapp zwei Jahren herrscht eine schlimme Dürre", sagt der Wasserexperte Hassan Partow vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in Genf. Überall im Irak gingen die Ernteerträge zurück, besonders hart traf es den ohnehin trockenen Süden: Er lebt vor allem von Euphrat und Tigris. "Jeden Frühling schwemmt das Schmelzwasser aus den Bergen Kurdistans das salzige Wasser des letzten Sommers aus den Sümpfen und belebt sie: ohne die Fluten kein Sumpf", beschreibt Azzam Alwash, der Direktor der Organisation Nature Iraq, den natürlichen Zyklus.
Die Anrainer am Oberlauf der beiden Flüsse wollen jedoch immer mehr des kostbaren Nass für sich selbst abzweigen: "Syrien, Iran, die Türkei und der Irak selbst haben sehr ambitionierte Pläne. Sie reden aber nicht miteinander und ignorieren grundlegende Regeln der Wasserwirtschaft. Ihre gesamten Ansprüche sind größer als die jährlich verfügbare Menge. Für die Marschen könnte das den Todesstoß bedeuten", fürchtet Partow. Wegen der ausbleibenden Regenfälle und der zahlreichen Dämme am Oberlauf in Syrien und der Türkei erreichen den Irak im Euphrat nur noch 250 Kubikmeter pro Sekunde – nur noch ein Viertel der Menge, die das Land benötigt, um seine Landwirtschaft zu erhalten.
Krieg gegen Mensch und Natur
Damit droht dem Garten Eden zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit das Ende – nachdem er sich gerade erst von Saddam Husseins Schreckensherrschaft erholt hatte: Dem irakischen Diktator waren die Sümpfe ein Dorn im Auge, denn sie bildeten Heimat und Zuflucht der Ma'dan – schiitische Araber, deren Vorfahren schon vor 5000 Jahren in und von den Marschen lebten. Von der sunnitischen Zentralmacht hielt dieses Volk wenig. Saddam Hussein begann deshalb ab 1985 – und vor allem nach dem Ende des zweiten Golfkriegs 1991 – einen Vernichtungskrieg: "Das Militär überfiel die Dörfer und brannte sie nieder, Soldaten töteten Zehntausende und vertrieben die restlichen Ma'dan in den Iran und an den Rand der Marschen", beschreibt der Ökologe Curtis Richardson von der Duke University die Schreckensherrschaft und das Ende einer jahrtausendealten Kultur.
Euphrat und Tigris wurden eingedeicht, und Kanäle mit grotesken Namen wie "Mutter-aller-Schlachten-", "Wohlstands-" oder "Saddamfluss" leiteten das Wasser direkt in den Persischen Golf. "Nur zehn Prozent der ursprünglichen Marschen überdauerten bis 2003 als funktionsfähiges Ökosystem", so Richardson. Eine Katastrophe nicht nur für die Menschen: "Die Sümpfe waren berühmt für ihre Artenvielfalt. Garnelen und Fische haben dort ihre Kinderstube und bildeten die Basis einer einträglichen Fischerei. Das Schilf filterte Schadstoffe aus den Flüssen, die nach der Zerstörung ungehindert den Golf verschmutzten."
Stattdessen dehnten sich nun unfruchtbare Salzwüsten bis zum Horizont aus, giftige Schwefel- und Eisenverbindungen verseuchten den Boden. Wohl nicht nur für Hassan Partow war das Paradies für immer untergegangen: "Dieser Verlust wird neben der Austrocknung des Aralsees und der Abholzung Amazoniens in die Geschichte eingehen – als eine der großen und gedankenlosen Umweltkatastrophen der Menschheit", schrieb der UNEP-Fachmann 2001.
Niemand hatte damals mit der Zähigkeit der Marschen gerechnet – und der Initiative der verbliebenen Ma'dan nachdem Saddam Hussein 2003 gestürzt worden war: "Die Bewohner rissen Dämme ein und zerstörten Sperrwerke, welche die Sümpfe vom Wasser abschnitten. Nach einem Jahrzehnt der Zerstörungen drehte sich die Situation völlig", berichtet Partow. Die Natur erholte sich zügig: "Die Wurzeln der Schilfgräser können lange Jahre im Boden überdauern, auch wenn oberirdisch alles abgestorben ist. Kommt das Wasser, treiben sie schnell wieder aus – eine spektakuläre Wiederbelebung." Innerhalb von nur drei Jahren bedeckten die Sümpfe wieder knapp zwei Drittel ihrer früheren Fläche. Mit ihnen kamen die ursprünglichen Bewohner zurück: "Heute leben hier 160 Vogelarten – darunter zahlreiche gefährdete. Uns hat es besonders ermutigt, dass trotz der Entwässerung keine einzige endgültig verschwunden ist", freut sich der britische Ornithologe Richard Porter von Birdlife International. Insekten, Fische, Schnecken und Pflanzen stellten sich ein. Und auch die Ma'dan nahmen ihr Land wieder in Besitz: "Etwa 80 000 kehrten in ihre alten Dörfer zurück", schätzt Hassan Partow.
Zähe Sümpfe – und Menschen
Ihre Situation verbesserte sich dadurch aber nur unwesentlich: "Der offiziellen Politik zum Trotz, die regionale Entwicklung bevorzugt zu fördern, mangelt es den Ma'dan immer noch an sauberem Wasser, Schulen, Strom und ärztlicher Versorgung", so Partow. Und nun kommen neue Wasserkonflikte hinzu: "Die Ma'dan führen traditionell ein halbnomadisches Leben, das an die wechselhaften Bedingungen in den Sümpfen angepasst ist. Dennoch dürfte die jüngste Dürre ihr Leben schwer beeinträchtigen", vermutet der italienische Wasserbauingenieur Andrea Cattarossi aus Padua, der an der Entwicklung eines lokalen Infrastrukturplans beteiligt ist.
Denn der Druck auf die Ressourcen steigt: "Die Türkei wird mit dem verbleibenden Schmelzwasser aus den Bergen ihre neu gebauten Speicher füllen wollen. Und der Irak selbst stellt auch die Stromgewinnung aus Stauwerken über alles andere", sagt Alwash. Alle Länder wollen außerdem ihre Landwirtschaft ausbauen, die viel Wasser benötigt: "Bewässerter Ackerbau im Irak ist notorisch verschwenderisch. Hier müssen die Methoden dringend effizienter werden", mahnt Partow.
Nachdem der Euphrat für diese Zwecke bereits in ein enges Korsett gezwängt wurde, wenden sich die Ingenieure dem noch weit gehend unerschlossenen Tigris zu. "Der Iran plant am Tigris und seinen Nebenflüssen zahlreiche Dämme. Dazu kommen Projekte in der Türkei und in Kurdistan mit riesigen Kapazitäten. Das alles wird den Unterlauf des Flusses schwer beeinträchtigen", erläutert der UNEP-Mitarbeiter. Obwohl die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz keine Sicherheiten mehr für den Bau des umstrittenen Ilisu-Damms am Tigris mehr gewähren wollen, verfolgt die Türkei weiterhin diesen Plan – trotz der befürchteten schweren kulturellen, sozialen und ökologischen Schäden. Auch dieses Stauwerk kappt die Wassermengen für den Unterlauf.
Der Iran habe sogar mitten durch einen bislang ununterbrochen intakten Sumpf einen Wall errichtet, der den natürlichen Wasserfluss unterbricht. Einen knappen Meter ist der Wasserspiegel dieses Jahr schon gesunken: "Ein schwerer Schlag für das Ökosystem", meint Alwash. Einige Tigriszuflüsse wurden von iranischen Staudämmen völlig trockengelegt. Und auch der Irak errichtet eines der größten Sperrwerke der Welt in der Bekhme-Schlucht in Kurdistan im Einzugsgebiet des Tigris.
Die gegenwärtige Dürrekrise könnte zudem zukünftig zum Dauerzustand werden. Denn Klimamodelle prognostizieren für die Region einen Rückgang der Niederschläge um mehr als 70 Prozent. Sollte dies tatsächlich eintreten, könnte der Garten Eden bis Ende des Jahrhunderts endgültig verwüsten, meint der japanische Meteorologe Akio Kitoh vom Meteorologischen Forschungsinstitut in Tsukaba: Der Prozess habe bereits begonnen.
Azzam Alwash sieht für die Zukunft nicht so schwarz. So habe das irakische Ministerium für Wasserwirtschaft einen Plan akzeptiert, der die Einrichtung von Speichern nur für die Sümpfe vorsieht. Sie halten überschüssiges Wasser im Winter zurück und sollen im Frühling künstliche Fluten auslösen. Selbst die gigantischen Bewässerungsprojekte schrecken ihn nicht: "Das Wasser, das aus Syrien und der Türkei kommt, ist zunehmend salzig. Unsere Landwirte müssen umdenken und auf sparsame neue Bewässerungstechniken setzen, sonst gehen sie unter, da ihre Felder versalzen." Den Sümpfen macht das Brackwasser dagegen wenig aus, so lange es nass bleibt. Nur die Arten verändern sich. Alwash ist daher sicher: "Zweifellos werden die Marschen Mesopotamiens überleben."
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben