Gesichter erkennen: Super-Recognizer gucken mehr im Gesicht herum
Ein kurzer Blick auf ein Foto, schon sind Super-Recognizer in der Lage, das fremde Gesicht wiederzuerkennen – auch aus einer anderen Perspektive und mit einem anderen Gesichtsausdruck. Warum sie das können, ist weitgehend ungeklärt. Der Versuch, die Kompetenz zu trainieren, brachte bislang wenig Erfolg. Ein Team um den Psychologen James Dunn von der University of New South Wales in Sydney (Australien) hat die Frage nun genauer untersucht. Wie die Forscher in »Psychological Science« schildern, zeigten sich Unterschiede vor allem beim Einprägen des Bildes und weniger beim Wiedererkennen.
Zunächst wählte das Team um Dunn 34 Gesichtserkennungstalente anhand von ihren Ergebnissen in einschlägigen Tests aus, wie dem Cambridge Face Memory Test und dem UNSW Face Test. Zum Vergleich warben die Psychologen 26 Kontrollpersonen mit durchschnittlichen Fähigkeiten im Gesichtererkennen an. Beide Gruppen sollten sich auf einem Bildschirm eine Reihe von Porträtfotos nacheinander je fünf Sekunden lang angucken, während ihre Blicke mittels Eyetracking verfolgt wurden. Die abgebildeten Personen waren unterschiedlichen Alters, Geschlechts und ethnischer Herkunft, und zu sehen waren Ausschnitte, die zwischen 12 und 100 Prozent des Gesichts zeigten, wie ein Demo-Video der Forscher veranschaulicht.
Nach jeweils zwölf Gesichtern bekamen die Versuchspersonen diese erneut präsentiert, jedoch vermischt mit zwölf unbekannten Gesichtern, und sie sollten angeben, welche sie gerade schon einmal gesehen hatten. Den Super-Recognizern gelang es im Mittel besser, die Gesichter wiederzuerkennen, auch dann, wenn nur zwölf Prozent des Gesichts zu sehen waren. Das widerspreche der Hypothese, dass die Gesichtserkennung auf ein besonders ganzheitliches Erfassen des gesamten Gesichts zurückgeht, denn dazu hätte das Gesicht zumindest einmal als Ganzes sichtbar sein müssen, schlussfolgern die Psychologen.
Und noch weitere Besonderheiten stellten sie fest: Die Super-Recognizer konzentrierten sich weniger auf die Augenregion als die übrigen Versuchspersonen, sondern verteilten ihre Blicke weiter über das ganze Gesicht. Dabei fixierten sie auch häufiger einzelne Regionen, ließen den Blick also kurz an einer Stelle ruhen. Das lege nahe, dass sie die Informationen schneller aufnehmen und dadurch auch mehr Informationen verarbeiten könnten, vermuten die Forscher mit Verweis auf ähnliche Beobachtungen in anderen Studien.
Super-Recognizer und Gesichtsblinde haben etwas gemeinsam
Aber handelte es sich dabei um eine besondere Form der Wahrnehmung, die nur die Super-Recognizer beherrschen? Oder machen das auch andere – nur weniger?
Um das herauszufinden, verfolgte die Forschungsgruppe die Blicke von weiteren 42 Personen mit einem breiten Spektrum von mehr oder weniger Talent im Gesichtererkennen. Die Beobachtungen ließen nicht auf eine qualitativ andere Strategie der Super-Recognizer schließen, berichten sie. Im Gegenteil: Sie fanden am anderen Ende des Spektrums sogar ebenfalls eine Tendenz dazu, sich weniger auf die Augen zu konzentrieren. Eine Studie aus dem Vorjahr hatte bereits gezeigt: Auch Menschen mit Prosopagnosie (Gesichtsblindheit), die sich mit der Gesichtserkennung besonders schwertun, blicken weniger auf die Augenpartie. Daraus schließen Dunn und seine Kollegen, dass die zusätzliche Information aus anderen Gesichtspartien sowohl Probleme kompensieren als auch zu besonderen Fähigkeiten verhelfen kann.
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Testen Sie sich auf der Website der University of New South Wales in Sydney: https://facetest.psy.unsw.edu.au
Doch ob es überhaupt ausschlaggebend ist, wie genau jemand ein Gesicht mit den Augen abtastet, ist umstritten. So sagen die einen, die Konzentration auf bestimmte Gesichtspartien sei der Schlüssel, die anderen hingegen meinen, nichts davon würde auf ein spezielles Gesichtserkennungstalent schließen lassen. Intelligenz und Gedächtnis spielen offenbar keine Rolle: Super-Recognizer schneiden in entsprechenden Tests nicht überdurchschnittlich ab.
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