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News: Wie weggeblasen

Wer kennt sie nicht, die beeindruckenden Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops von planetarischen Nebeln? Faszinierende, mitunter kuriose Formen entführen das Auge in ferne Welten. Was bringt die interessanten Gebilde hervor?
Planetarischer Nebel
Aus der Ferne betrachtet ist der Weltuntergang ein äußerst ästhetisches Ereignis. Wie das? Nun, kommen Sie mit auf eine kleine Reise.

Stellen Sie sich vor, eine Zeitmaschine bringt Sie fünf bis sieben Milliarden Jahre in die Zukunft – so lange hat unsere Sonne je nach Prognose noch zu leben. Um einen bequemen Logenplatz einzunehmen, von dem Sie das Schauspiel bestens genießen können, werden Sie in ein System versetzt, das sich vielleicht einige Dutzend bis Hundert Lichtjahre von der Erde entfernt befindet. Nun schalten wir den Zeitraffer ein. Jahre vergehen wie Sekunden, Jahrtausende binnen Stunden. Was werden Sie sehen?

Zunächst nicht viel. Denn erst einmal spielt sich alles tief im Innern der Sonne ab. So geht hier allmählich der Wasserstoffanteil zurück, und es entwickelt sich ein Kern, der überwiegend Helium enthält. Außerhalb dieses Kerns verbleibt jedoch eine Schale, in der immer noch Wasserstoff fusioniert wird, während im Zentrum der Sonne dieser Prozess zum Erliegen kommt. Alsbald beginnt der Kern zu kontrahieren und gewinnt dadurch thermische Energie, wodurch sich die äußere Hülle der Sonne aufzublähen beginnt. Unser Heimatstern entwickelt sich zum Roten Riesen.

Vielleicht wird es Ihnen gar nicht auffallen – man kann bei den Dimensionen leicht den Überblick verlieren –, aber die Sonne verschluckt dabei auch die Erde. Bis auf drei Astronomische Einheiten (dreimal die Entfernung Erde-Sonne) kann ein Roter Riese anwachsen. Die Sonne befindet sich nun auf dem so genannten Riesenast des Hertzsprung-Russell-Diagramms, in dem Helligkeiten und Spektralklassen von Sternen gegeneinander aufgetragen sind. In dieser Phase, die in Wirklichkeit 1000 bis 10 000 Jahre dauert, sich auf Ihrer Reise jedoch innerhalb von wenigen Stunden abspielt, strömt etwa die halbe Masse unseres einstigen Heimatsterns mit vergleichsweise langsamen Geschwindigkeiten um 20 Kilometer pro Sekunde ins All hinaus. Erst in einer späten Phase erreichen die Winde Geschwindigkeiten von 1000 Kilometern pro Sekunde, jedoch bei deutlich geringerer Dichte. Was übrig bleibt, ist ein nackter heißer Kern, der die umgebende Gaswolke ionisiert, aufheizt und so zum Leuchten bringt. Ein planetarischer Nebel entsteht.

Der Name deutet bereits auf die Form hin. Denn von weitem hat die leuchtende Wolke tatsächlich Ähnlichkeiten mit der Scheibe eines Planeten, wie bereits Sir Friedrich Wilhelm Herschel feststellte.

Rundliche Form? Nicht unbedingt, viele der insgesamt etwa 1600 bekannten planetarischen Nebel sind alles andere als rund, sondern weisen bizarre, irreguläre Strukturen auf, die beispielsweise an eine Sanduhr oder an ein kosmisches Insekt erinnern. Seit 20 Jahren rätseln Astronomen über diese Form, nun hat Raghvendra Sahai vom Jet Propulsion Laboratory mit seinen Kollegen vielleicht den lang ersehnten Hinweis auf die Lösung des Problems gefunden.

Die Astronomen entdeckten nämlich anhand von Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops des rund 20 000 Lichtjahre entfernten Roten Riesen V Hydra im Sternbild Wasserschlange, wie die ausströmenden Gase durch irgendetwas gebündelt werden – und das, obwohl doch eigentlich eine kugelförmige Hülle entstehen sollte. Denn im Alter drehen sich die Sterne verhältnismäßig langsam und haben genug Zeit, ihre Materie in alle Richtungen zu verteilen. Schon früher spekulierten Astronomen, dass Jets die Gestalt planetarischer Nebel formen. Jetzt scheinen sich die Hinweise tatsächlich zu verdichten.

Doch offenbar stammen diese gerichteten Materieauswürfe im Umfeld von V Hydra nicht vom Roten Riesen selbst, denn dafür bewegen sie sich viel zu schnell, wie die Wissenschaftler feststellten. Wahrscheinlicher erscheint da die Möglichkeit, dass der Rote Riese einen kleinen Begleiter hat, der die ausgestoßene Materie zunächst um sich sammelt, einen Teil jedoch wieder in scharfen Strahlen von sich wegstößt.

Diese Erklärung passt gut ins Bild der Astronomen, denn schließlich hat nicht jeder planetarische Nebel eine ausgefallene Gestalt. Manche sind tatsächlich schlicht kugelförmig. Der Rote Riese in der Wasserschlage fällt außerdem auch durch eine etwas zu hohe Rotationsgeschwindigkeit auf. Auch das werten Wissenschaftler als Anzeichen für einen unsichtbaren Begleiter.

Wie Noam Soker vom Israel Institute of Technology aufzeigt, ergeben sich durch das Jet-Modell noch andere interessante Zusammenhänge. So lassen sich solche Jets auch bei Galaxien-Clustern beobachten. Auch dort sorgen sie wohl für eine unregelmäßige Materieverteilung – wenngleich die Maßstäbe hier Millionen Mal größer sind.

Es bleibt also spannend, und auch V Hydra hat längst nicht jedes Geheimnis preisgegeben. So muss der bislang unsichtbare Begleiter erst noch gefunden werden. Und wo ein Jet ist, befindet sich meist auch ein zweiter. Auch den wollen die Wissenschaftler nachweisen. Vielleicht gelingt es ihnen damit auch die Frage zu klären, warum der beobachtete Jet nur knapp drei Jahre alt zu sein scheint. Spuckt das Begleitobjekt vielleicht nur manchmal Materie? Fragen über Fragen, die Sahai und Co auch in Zukunft beschäftigen dürften.

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