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News: Wundersamer Zusammenhalt

Bewegt sich eine Wolke aus vielen Teilchen, so neigt sie dazu, mit der Zeit auseinander zu treiben, da sich die Geschwindigkeiten ihrer einzelnen Komponenten unterscheiden. Für eine Ionenwolke gilt dies erst recht, schließlich stoßen sich gleichnamige Ladungen ab. Forscher stellten nun aber fest, dass unter besonderen Umständen diese Wolke ihre Form über lange Zeit behält und das offensichtlich genau deshalb, weil sich die geladenen Teilchen abstoßen.
Die Entdeckung war mysteriös: Christiaan Huygens lag krank im Bett und stierte auf die Wand. Dort hingen zwei Pendeluhren – eine Erfindung, die er selbst vor drei Jahren zum Patent angemeldet hatte. Während das Pendel der einen Uhr sich seiner maximalen Auslenkung nach rechts näherte, schickte sich das zweite Pendel an, die entgegengesetzte Position links einzunehmen. Huygens lag da und beobachtete die Uhren. Die Zeit verstrich, doch die Uhren behielten ihren gemeinsamen Rhythmus.

Neugierig geworden, bemühte sich der Gelehrte aus dem Bett, griff nach einem der Pendel und brachte es aus dem Takt. Daraufhin legte er sich wieder hin und schlief ein. Als er wieder erwachte, stellte er zu seinem Erstaunen fest, dass die Pendel der Uhren wie zuvor gegensinnig schwangen. Er fand auch heraus, dass sich die Kopplung der Uhren unterbinden ließ, wenn man sie an unterschiedliche Wände hängte. All das schilderte er in seiner 1673 veröffentlichten Abhandlung "Horoloquim Oscilatorium".

Doch was war der Grund? Das Phänomen, das Huygens beschrieb, ist – wissenschaftlich ausgedrückt – die Phasensynchronisation von periodischen Oszillatoren. Das heißt, dass mehrere periodisch schwingende Systeme – in diesem Fall waren es die Pendel – miteinander gekoppelt sind und ihre Bewegung einander angleichen. Bei den Pendeluhren geschah das offenbar durch leichte Vibrationen, die sich über die Wand fortpflanzten, wodurch sich die Pendel gegenseitig beeinflussten.

Über dreihundert Jahre nach Huygens in einem Labor in Israel: Forscher des Weizmann Institute of Science in Rehovot führten in einer Ionenfalle ein Experiment mit Argon-Ionen durch. Die Wissenschaftler um Daniel Zajfman schickten eine Wolke der geladenen Teilchen zwischen zwei elektrostatischen Spiegeln hin und her, um ihre Masse zu bestimmen. Normalerweise würde sich eine solche Wolke mit der Zeit immer mehr ausdehnen – schon allein deshalb, weil sich die gleich geladenen Ionen abstoßen. Das war bei den ersten Experimenten auch der Fall, doch nachdem die Forscher das elektrische Potential der Spiegel geändert hatten, pendelte die Wolke hin und her und behielt auf wundersame Weise ihre Form.

"Unsere erste Reaktion war: 'Das ist unmöglich'", erinnert sich Zajfman. Doch dann versuchten die Wissenschaftler, eine Erklärung für das seltsame Phänomen zu finden und vermuteten bald, dass es an den Spiegeln lag, weshalb die Wolke nicht auseinander lief. Unter normalen Umständen würden schon die kleinen Geschwindigkeitsunterschiede der Teilchen ausreichen, dass sich auf Dauer die Wolke in die Länge zieht. Die gleichnamige Ladung würde den Effekt sogar noch verstärken. Im Experiment von Zajfman und seinen Kollegen wurden jedoch die Ionen an, oder besser gesagt, in den Spiegel fokussiert.

Diese bestanden nämlich aus fünf hintereinander gestellten, kreisförmigen Metallplatten mit einem Loch in der Mitte. Jede Platte konnte auf ein anderes elektrisches Potential gebracht werden, sodass sich insgesamt ein Potential einstellen ließ, das gerade die Geschwindigkeitsunterschiede der Teilchen kompensierte. Denn schnelle Ionen drangen tiefer in den Plattenstapel ein und verbrachten dort mehr Zeit als langsame. Gleichzeitig komprimierte der Spiegel auf diese Weise die Wolke, was dazu führte, dass die Ionen stärker miteinander wechselwirkten, Energie und Implus austauschten und so ihre Bewegung einander anglichen.

Das konnte aber nur geschehen, weil es sich um geladene Teilchen handelte und diese sich durch die Coulombkraft gegenseitig beeinflussten. Ohne Coulomb-Wechselwirkung hätte sich die Wolke schnell nach Verlassen des Spiegelbereichs wieder verbreitert, weil die Ionen keine Möglichkeit gehabt hätten, ihre Bewegung zu synchronisieren. So vermittelte also die Abstoßung elektrischer Ladungen den Zusammenhalt der Wolke.

Da nun die Ionenwolke derart langlebig war, ließ sich die Frequenz, mit der sie sich zwischen den Elektroden bewegte, äußerst präzise bestimmen und damit auch die Masse der Ionen. Weil das so gut funktionierte, schlugen die Wissenschaftler vor, ihre Errungenschaft als Massenspektrometer zu nutzen. Dieses wäre vergleichsweise einfach aufgebaut und damit kostengünstig herzustellen, und dennoch so genau wie die besten zur Zeit erhältlichen Geräte.

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