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News: Zerbrechliche Chromosomen

Eine geglückte Zellteilung erinnert an einen erfolgreichen Hindernislauf, denn an mindestens 75 Stellen lauern Fallstricke für sich verdoppelnde Chromosomen: Sie drohen auseinander zu fallen. Um dies zu vermeiden, schützt ein spezielles Protein die zerbrechlichen Abschnitte.
Eine Zellteilung ist kein einfaches Unterfangen: Bei 46 Chromosomen und einer Länge von zwei Metern zu verdoppelnder Erbinformation ist es nicht besonders überraschend, wenn das Endprodukt von Zeit zu Zeit Fehler aufweist. Besonders wenn die Zelle bei ihrer Verdopplung durch ungünstige Außenbedingungen unter Stress steht oder sie es beim Kopieren sehr eilig hat – wie in sich schnell teilenden Krebszellen –, dann schleichen sich schon einmal Brüche oder Lücken in den DNA-Faden ein.

Ist es Zufall, wo ein Chromosom unter solchen Umständen in die Brüche geht, oder treten die Fehler an manchen Stellen im Genom gehäuft auf? Eine Frage, die sich Thomas Glover bereits seit 20 Jahren stellt. Der Genetiker von der University of Michigan Medical School hat hierauf mittlerweile eine Antwort parat. Nein, nicht zufällig, sondern an 75 empfindlichen Stellen im humanen Erbfaden können die Chromosomen entzweibrechen.

Allerdings spielen die meisten der 75 möglichen Bruchstellen nur eine untergeordnete Rolle. 80 Prozent der Chromosomenbrüche gehen allein auf das Konto von 20 empfindlichen Stellen, und von ihnen sind fünf für fast die Hälfte aller vorkommenden Brüche verantwortlich.

Und wie sehen die schicksalhaften DNA-Abschnitte aus? Groß sind sie. Meist erreichen sie eine Länge von mehreren Hunderttausend Basenpaaren. Die am häufigsten beobachtete zerbrechliche Stelle – FRA3B – überspannt sogar mindestens 500 Kilobasen.

Warum es an jenen Orten, von den Wissenschaftlern "zerbrechliche Stellen" genannt, häufiger auseinander bricht, war bislang allerdings ein Rätsel. Nun haben Glover und Kollegen vom Howard Hughes Medical Institute ein Protein entdeckt, das die fragilen DNA-Abschnitte während der Verdopplung der Erbinformation vor einem Bruch bewahrt kann: ATR (Ataxia Telangiectasia Mutated Rad3), eine Kinase.

Dabei kam die Entdeckung des schützenden Proteins eher zufällig, denn Glovers Mitarbeiterin Anne Casper interessierte sich anfänglich für einen Verwandten von ATR, das Protein ATM. Es ist darauf spezialisiert, bestimmte DNA-Schäden in sich verdoppelnden Chromosomen aufzuspüren und der Zelle im Verdachtsfall einen sofortigen Stopp zu verordnen. Bis der Schaden behoben ist, steht die Replikation dann still.

"Aber als wir Zellen ohne ATM studierten, fanden wir keinen Unterschied zu normalen Zellen, die Instabilität der zerbrechlichen Stellen betreffend," staunte Casper. Es zeigte sich, dass die Zellen einen Parallelweg beschreiten können, kontrolliert durch das Protein ATR. Statt Brüche in doppelsträngiger DNA zu entlarven, erkennt ATR gehemmte Replikationsgabeln, also Stellen, in denen die Verdopplung des DNA-Fadens zum Stillstand gekommen ist. Das ist ein charakteristisches Merkmal für fragile DNA-Bereiche, denn aus bislang unbekannten Gründen scheinen jene Stellen besonders schwierig zu kopieren sein. ATR greift hier hilfreich ein, indem es der Zelle signalisiert, mit der Replikation innezuhalten, bis das Problem gelöst ist.

Um herauszufinden, wie die Zellen ohne ATR zurechtkommen, unterdrückte Casper einerseits die Bereitstellung des Proteins und brachte die Zellen zusätzlich noch unter Stress, indem sie mit Aphidicolin eine Substanz zufügte, die den Zellen die DNA-Synthese erschwert. Der ATR-Mangel zeigte sich deutlich: Bei den so behandelten, ATR-armen Zellen brachen die Chromosomen an den empfindlichen Stellen fünf bis zehnmal häufiger als in normalen Zellen. Und diese Vorgänge konnten in stressigen Zeiten, symbolisiert durch eine höhere Konzentration von Aphidicolin, noch gesteigert werden.

Als nächstes wollen sich die Forscher der Frage zuwenden, wie sich die Chromosomenbrüche einer Zelle auf den gesamten Organismus auswirkt. Einen Hinweis gibt es bereits. So ist bekannt, dass ATR unter anderem das Brustkrebsgen BRCA1 reguliert. Mutationen in diesem Gen steigern das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Und diese könnten durch Brüche in der DNA zustande kommen. Denn Zellen mit einer mutierten Variante von BRCA1 – das weiß die Fachwelt bereits – haben eine viel höhere Chromosomeninstabiltiät als normale Zellen.

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