Sonnensystem: Zwergplanet Ceres umgekippt
Seit März 2015 wird der Zwergplanet Ceres von der Raumsonde Dawn umrundet. An Bord befindet sich ein Instrument, das Variationen der Schwerkraft aufspürt, die durch Dichteschwankungen in der Kruste hervorgerufen werden. Außerdem lässt sich damit Ceres' Form und Oberflächenstruktur exakt vermessen.
Der Planetenforscher Pasquale Tricarico vom Planetary Science Institute in Tucson, Arizona interpretiert Dichteschwankungen sowie Brüche in der Kruste und einen asteroidenumspannenden Bergrücken so, dass eine Neuausrichtung der Drehachse um 36 Grad stattgefunden haben muss. Das berichtet er in der Zeitschrift »Nature Geoscience«.
Ceres zieht bei im Mittel 2,8 Astronomischen Einheiten seine Bahnen um die Sonne – etwa doppelt so weit draußen wie der Mars. Der große Asteroid hat knapp 1000 Kilometer Durchmesser und ist damit groß genug, dass die Schwerkraft den Asteroiden fast kugelrund formen konnte. Viele kleinere Himmelskörper im Asteroidengürtel haben bizarre Formen und sehen aus wie eine Kartoffel (Gaspa) oder ein Hundeknochen (Kleopatra).
Die räumliche Verteilung der Masse eines Asteroiden hat Einfluss darauf, wie er rotiert. Physiker sprechen vom Trägheitsmoment, das umso größer ist, je weiter die Massenteile von der Drehachse entfernt sind. Verändert sich beispielsweise durch Einschläge an der Oberfläche oder durch Vorgänge im Innern des Objekts die Massenverteilung, so sorgen Drehmomente im Allgemeinen dafür, dass die Rotationsachse in eine andere Richtung kippt und sich die Rotation beschleunigt oder abbremst. So hat beispielsweise auf dem Mars die Aufwölbung der Tharsis-Vulkanregion eine Wanderung der Pole und damit eine Neuausrichtung der Drehachse herbeigeführt, vermuten Experten.
Nun legen die Dawn-Daten nahe, dass bei Ceres in der Vergangenheit Ähnliches geschehen sein muss. Dafür sprechen zum einen Überbleibsel eines Bergrückens, der einst den gesamten Zwergplaneten umspannte. Er deutet darauf hin, dass die Pole von Ceres früher an einer anderen Stelle lagen und folglich gewandert sein müssen. In der Folge veränderte sich die Massenverteilung und damit das Trägheitsmoment von Ceres.
Weiterhin stieß Tricarico auf Brüche in der Kruste des Himmelskörpers. Sie heißen Samhain Catenae und Uhola Catenae und sind beide einige Milliarden Jahre alt. Die Neuausrichtung der Drehachse verursachte offenbar mechanische Spannungen, die diese Frakturen erklären würden, argumentiert der Planetenforscher.
Der Forscher entdeckte auch Dichteschwankungen in der Kruste im Bereich von 0,3 Gramm pro Kubikzentimeter. Die mittlere Dichte des Asteroiden beträgt ungefähr zwei Gramm pro Kubikzentimeter, doppelt so viel wie bei flüssigem Wasser. Die Oberfläche des kalten Brockens ist von einer zirka einen Meter dicken Schicht aus Wassereis überzogen. Hier ist die Dichte etwas geringer und variiert zwischen 1,3 bis 1,6 Gramm pro Kubikzentimeter. Dawns Messungen zeigen, dass es insbesondere am Äquator bei 330 Grad östlicher Länge eine Region höherer Oberflächendichte gibt, die so genannte Dichte-Anomalie. Sie umspannt Ceres, wobei sich eine auffällige Überdichte in der Region Ahuna Mons befindet und eine Unterdichte im Occator-Krater. Genau dazwischen hat Tricarico die Brüche in der Kruste ausgemacht. Die drei Indizien zusammengenommen sprechen dafür, dass sich die Drehachse von Ceres um ungefähr 36 Grad gedreht hat.
Mittlerweile hat die NASA die Ionentriebwerke der Dawn-Sonde abgeschaltet, da der Treibstoff aufgebraucht ist. Sie soll aber als künstlicher Satellit in einer niedrigen Umlaufbahn um Ceres bleiben.
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