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AIDS-Test

Treitz-Rätsel

Ein nicht besonders perfekter AIDS-Test gibt bei 70% der infizierten (hier vereinfachend als "krank" bezeichnet), aber auch bei 20% der nicht-infizierten Patienten ("Gesunden") einen positiven Befund (also die Diagnose "infiziert" bzw. "krank").

Ein Patient, der einen solchen positiven Befund bekommen hat, fragt nun seinen Hausarzt, mit welcher Wahrscheinlichkeit er nun wirklich infiziert sei, also (genauer:) welcher Anteil der Personen, die einen solchen Befund bekommen, tatsächlich infiziert ist (was sich dann später (zu spät!) mit besserer Sicherheit herausstellen wird).

Der Arzt meint: zu 70%, und der Patient kauft sich einen Strick. Was meinen Sie?

Was man nicht sofort bemerkt: Die Rechenaufgabe ist auf eine entscheidende Weise unterbestimmt. Die richtige Antwort hängt nämlich fast mehr vom tatsächlichen Anteil der Infizierten an der Bevölkerung ab als vom Testergebnis.

Nehmen wir Beispiel eine Krankheit, die als Erfolg der Medizin buchstäblich ausgestorben ist: die Pocken. Wir denken uns einen entsprechend unvollkommenen Test, der bei einem Teil der Gesunden eine Pockenerkrankung vortäuscht (und es bei den Kranken nicht vollzählig täte). Wer nun einen positiven Befund bekommt, ist trotzdem gesund.

Umgekehrt könnte auch ein (weniger sinnvoller) Test anzeigen, ob jemand irgendwann einmal Schnupfen gehabt hat, und wegen seiner Unzuverlässigkeit weist er einige als gesund aus, sie haben aber ebenso irgendwann einmal Schnupfen gehabt wie (fast?) jeder andere auch.

Ganz so sinnlos, wie es in diesen extremen Fällen (nur Gesunde bzw. nur Kranke) scheint, ist ein Test aber nicht, auch wenn er so ungenau ist. Um zu einem klaren Ergebnis ohne "Wahrscheinlichkeitsrechnung für Runaways" (mit der Formel von Bayes darin) zu kommen, zeichnen wir ein Quadrat und teilen es durch einen senkrechten Strich in zwei Teile, für die Kranken und die Gesunden, am Besten maßstäblich (oder ungefähr maßstäblich, für eine Denkvorlage reicht das aus). Dann teilen wir jeden Teil zwischen den positiven und negativen Befunden auf. ("Positiv" heißt "krank" bzw. "infiziert", was aus der Sicht des Patienten eher befremdlich ist. Man könnte die Mediziner für (Medi)-zyniker halten, die es gut finden, wenn jemand krank ist, der Grund ist aber wahrscheinlich, dass die Gesundheit als Null-Ereignis und die Krankheit als das aufgefasst wird, wonach man sucht.)

Für die Annahme, dass 10% der Bevölkerung infiziert sind, sieht das so aus: 25% (nämlich 18% + 7%) bekommen den positiven Befund, aber nur 7% sind infiziert, also 28% derjenigen, die den Befund bekommen haben. Die gesuchte Wahrscheinlichkeit ist also 28% und nicht 70%, also doch eine wesentlich bessere Perspektive.

Wenn die Fehlerquoten des Test für die beiden möglichen Fehler gleich sind (z .B. 10%) und wenn genau die Hälfte der Bevölkerung infiziert ist, was zum Glück bei uns nur bei relativ harmlosen Krankheiten vorkommt, stimmen tatsächlich die naive Annahme und das richtige Ergebnis überein.

Man kann offenbar auch Wahrscheinlichkeitsfragen, die beim bloßen und naiven Denken völlig falsch beantwortet werden (ohne dass man sich der Gefahr dieses Irrtums bewusst ist), mit einer kleinen Skizze ohne schwierige Überlegungen exakt lösen.

Es sei noch angemerkt, dass ein unsicherer Test nicht unbedingt durch wiederholte Ausführung sicherer werden muss. Nehmen wir an, dass eine Krankheit mit einer Wahrscheinlichkeit \(w_1\) ein bestimmtes Merkmal im Körper des Patienten hervorruft, das beim Test mit einer Wahrscheinlickeit \(w_2\) erkannt wird, dann ist eine (evtl. mehrfache) Wiederholung des Tests sinnvoll, wenn \(w_1\) nahe bei 100% ist und \(w_2\) nicht, nicht aber wenn \(w_2\) nahe bei 100% ist, aber \(w_1\) weit darunter: Man wiederholt dann nur das sichere Erkennen des ungewiss auftretenden Merkmals (Symptoms).

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