Die umstülpende Lupe
Was gibt es zu sehen, wenn man einen nicht zu großen Gegenstand (bis 2 cm, Würfel, Legobaustein oder Ähnliches) durch eine (große) Lupe ansieht und dabei das Auge einmal ganz nah an die Lupe hält und einmal aus großer Entfernung (Armlänge) hineinsieht? Ein besonders interessantes Objekt ist ein zu einem Zylindermantel gerolltes Stück Karton, das innen und außen verschiedene Farben hat.
In diesen Bildern ist das Objekt ein Fischertechnik-Baustein mit einem weißen, mit R beschrifteten Abschluss (auf das hier fast frontal, etwas von links, geschaut wird) und an jeder Längsseite einer Nut.
Hier ist die Kamera unmittelbar an der Lupe, der Baustein sieht ziemlich normal aus.
Nun ist die Kamera etwas weiter weg, und der Stein sieht aus wie aus sehr großer Entfernung (Parallelperspektive!)
Das Überraschende kommt, wenn die Kamera auf große Distanz geht: Man sieht vom Baustein alle 4 Seitenwände mit ihren Nuten zugleich, als wären es die Seiten eines Pyramidenstumpfes, auf den man von oben sieht (außerdem sieht man die ebenfalls aus solchen Bausteinen hergestellte Fassung der Lupe):
Zur genauen Erklärung muss man sich mit virtuellen Bildern befassen, also mit den Stellen im Raum, von denen das Licht her zu kommen scheint, aber nicht wirklich kommt.
Das Bild zeigt eine (sehr dünn gemalte) Linse mit ihren beiden Brennpunkten F und einem rot gezeichneten Objekt innerhalb der Brennweite, das zylindrisch oder quaderförmig sei. Das virtuelle Bild hat als Schnitt mit der Zeichnungsebene das (gelbe) Trapez, ist also ein Kegel- bzw. ein Pyramidenstumpf, dessen (sozusagen abgebrochene) Spitze der rechte Brennpunkt ist. Experten können dies anhand der Mittelpunkts- und Parallelstrahlen nachvollziehen. Die schwarzen Linien zeigen "wirkliche" Lichtstrahlen (im Rahmen des Strahlenmodells), die rot gestrichelten die rückwärtigen Verlängerungen, von denen das Nervensystem sozusagen annimmt, dass sie von einem Objekt kommen: dieses vermeintliche Objekt ist das virtuelle Bild.
Die Bedeutung dieses virtuellen Bildes ist nun: Man kann sich Objekt und optisches Gerät (hier die Lupe) wegdenken und stattdessen ein Ersatz-Objekt, das die Form und den Ort des virtuellen Bildes hat.
Sieht man auf diesen Stumpf von weit rechts, so blickt man von außen auf die schrägen Seiten (oben und unten), hat also die umgestülpte Perspektive, bei der alle vier Seitenflächen oder ein kompletter Zylindermantel von außen mit einem einzigen Auge sichtbar sind.
Sieht man dagegen genau vom rechten Brennpunkt aus, so fluchten die Sehstrahlen mit den Mantellinien des virtuellen Bildes, man sieht also streifend auf der Oberfläche entlang. Wenn man das Auge ein wenig neben den Brennpunkt positioniert, so sieht man die Parallelperspektive, also die in der Realität zueinander parallen Kanten auch als parallel.
Geht man dagegen noch dichter an die Lupe, so sieht man den Pyramidenstumpf von innen, wenn er durchsichtig ist, in unserem Fall verdeckt aber die Frontfläche den ganzen Körper, und bei leicht seitlichem Blick sieht man die parallelen Kanten in der Ferne zusammenlaufen, wie bei der ganz normalen Perspektive.
Schaut man mit einer Lupe axial in den innen und außen verschieden gefärbten Hohlzylinder, so sieht man aus der Nähe die Außenwand, aus der Ferne die Innenwand, und aus der Brennpunktlage heraus genau auf die kreisförmige Kante, bzw. bei leichter Drehung gleich große Teile der Innen- und der Außenwand.
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