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Autobahnring

Treitz-Rätsel

Der gute alte 2CV (deux-chevaux, also 2 Pferde, wegen der alten französischen Kraftfahrzeugsteuerklasse, bei uns "Ente") konnte etwa so schnell wie ein LKW fahren, jedenfalls auf Autobahnen. Auf einer ringförmigen dreispurigen Autobahn fährt ein LKW stur auf der mittleren Spur mit 100 km/h.

Da überholt ihn eine rote Ente mit 103 km/h, schert vor ihm mit 100 ein und geht dann in die rechte Spur, muss dort langsamer (97) werden, weil vor ihr jemand nicht schneller fährt.

Nach kurzer Zeit ist die Ente hinter dem LKW. wechselt schneller werdend auf die linke Spur und überholt ihn wieder mit 103.

Das Ganze wiederholt sich nun etliche Male, und der LKW-Fahrer behauptet, eine rote Ente würde ihn dauernd umkreisen, obwohl der Entenfahrer wahrheitsgemäß berichtet, er sei ständig fast genau geradeaus gefahren, insgesamt ein bisschen links herum, dem Autobahnring folgend.

Was hat diese Geschichte mit Astronomie zu tun?

Die Erde läuft mit 30 km/s ziemlich gleichmäßig um die Sonne, der Mond auch, aber er überholt sie etwas mehr als 12-mal im Jahr von außen (das ist links, wenn man vom Himmelssüdpol aus guckt – ob er sich an die StVO hält, hängt also von der Blickrichtung ab) mit 31 km/s als Vollmond und lässt sie jeweils 2 Wochen später vor, während er mit nur 29 km/s weiter innen als Neumond läuft. Wenn der Mond von der Sonne gleich weit wie die Erde entfernt läuft, also vor oder hinter ihr (Halbmond), so ist er auch so schnell wie sie, nämlich 30 km/s.

Dass der Mond um die Erde kreist, ist also nur eine von mehreren Möglichkeiten, seine Reisen zu beschreiben.

Nun kann man die Frage, ob der Mond "mehr" um die Erde oder um die Sonne kreist, dahin präzisieren, dass man wissen will, zu welchem Objekt er stärker angezogen wird. Dazu muss man wissen, dass die Massen von Erde und Sonne sich etwa wie 1 : 300000 verhalten und der Erdbahnradius etwa 400-mal so groß ist wie der Abstand zwischen Erde und Mond (also was man so den Mondbahnradius nennt, aber genauer Weise den geostatischen Mondbahnradius nennen müsste).

Da die Sonne vom Mond rund 400-mal so weit entfernt ist wie die Erde, würde er von der Erde 4002=160000-mal so stark angezogen wie von einer Sonne, die nur so schwer wie die Erde wäre. Nun ist die Sonne aber 300000-mal schwerer, also ist die Anziehung zwischen Mond und Sonne fast doppelt so stark wie die zwischen Mond und Erde.

Der Mond wird also von keinem Objekt so stark beschleunigt wie von der Sonne und hat diese Eigenschaft mit den anderen Planeten gemeinsam. Die Anziehung der Erde bewirkt sozusagen nur eine Kopplung der Umläufe beider um die Sonne. Eine solche Kopplung könnte es auch bei zwei gleich schweren Planeten geben, die umeinander und zusammen um die Sonne laufen, wobei dann nicht zu sagen wäre, wer wessen Satellit sein soll.

Was folgt aus unserem Ergebnis für die heliostatische Form der Mondbahn (die also analog zur Bahnkurve der roten Ente ist)? Welches Bild ist ungefähr richtig?

Wenn der Mond stets von der Sonne stärker als von der Erde beschleunigt wird, wie wir abgeschätzt haben, muss das auch für die Neumond-Position gelten, wenn der Mond zwischen Erde und Sonne läuft. Die Kurveninnenseite seiner heliostatische Bahnkurve muss (auch) dann zur Sonne zeigen. Die richtige Kurve ist also die dritte. Hier ist sie noch einmal zwischen zwei blaue Kreise gezeichnet, damit man den Unterschied zur Kreisform überhaupt sehen kann (das ist wohlgemerkt nicht die Erdbahn, die noch viel runder ist, sondern die jährliche Mondbahn um die Sonne!):

Ist es für Satelliten (sozusagen Monde, obwohl eigentlich "Mond" genau so ein Eigenname ist wie "Erde" oder "Sonne", man sagt auch nicht zu den Planeten "Erden" oder zu den Sternen "Sonnen") normal, dass sie von der Sonne stärker angezogen werden also von "ihren" Planeten? ("Ihr" ist hier nicht als Besitz gemeint, sondern als wechselseitige Zugehörigkeit, wie wenn jemand sagt "meine Eltern" oder "meine Kinder".)

Das hängt vom Massen- und vom Abstandsverhältnis ab. Was gar keine Rolle spielt, ist die Masse des Satelliten.

Tatsächlich werden die äußersten bekannten Jupiter-Satelliten Pasiphae und Sinope von der Sonne ungefähr so stark angezogen wie von ihrem Planeten (Jupiter hat rund 1/1000 der Sonnenmasse, die Bahnradien verhalten sich immerhin wie 1:34), aber alle anderen außer unserem Mond werden von der Sonne deutlich weniger angezogen als von ihrem Planeten.

Wenn wir das Gespann Erde–Mond als Doppelplaneten ansehen, so ist aber auch ein wichtiger Grund, dass ihr Massenverhältnis vergleichsweise nahe bei 1 liegt. Wenn der Mond viel kleiner wäre, würde er trotzdem von der Sonne stärker angezogen als von der Erde, aber man würde nicht von einem Doppelplaneten sprechen.

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