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Der oberste Punkt der Erde

Treitz-Rätsel

Vor kurzem blätterte ich in einer Bahnhofsbuchhandlung in einem Quizbuch für Kinder und stieß auf die Frage: "Was ist der oberste Punkt der Erde?" Als Antwort fand ich genau den Unfug, den ich befürchtet hatte.

Welchen Punkt kann man sinnvoll als obersten Punkt der Erde bezeichnen?

In dem Buch war tatsächlich "Nordpol" als Lösung angegeben. Dabei liegt der Südpol mit Sicherheit höher, denn er liegt auf einem Hochland, während der Nordpol im Atlantischen Ozean (genauer: in dessen Randmeer, dem Nördlichen Polarmeer) liegt, zwar meistens vereist, aber doch nur wenig über dem Meerespiegel.

Wir können ja mal nach dem obersten Punkt von Deutschland fragen: Ist das die Nordspitze von Sylt oder nicht doch eher der Gipfel der Zugspitze? Auch Oberstdorf liegt (wie der Name durchaus zu Recht andeutet) für deutsche Verhältnisse ziemlich hoch, und die Leute dort würden es weit von sich weisen, am untersten Ende von Deutschland zu wohnen, nur weil man die Landkarten so aufhängt.

Warum soll es nun bei der ganzen Erde anders sein? Aber welcher Punkt ist am obersten im Sinne von "höchsten"? Ist es der Ort, der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt ist? Das ist der Gipfel des Chimborazo in den Anden (den Alexander von Humboldt als Erster bestiegen hat). Er ist zwar nicht so hoch über dem Meeresniveau wie der Mt. Everest im Himalaya, aber er ist näher am Äquator, und dort ist das Meeresniveau weiter vom Mittelpunkt weg, und das ist eine Folge der Erddrehung.

Wenn die Erde geologisch isotrop wäre und sich nicht drehen würde, wäre ihr effektives Gravitationsfeld kugelsymmetrisch. Wir können hier von Feinheiten absehen und müssen nur die Verformung wegen der Drehung beachten. Wenn der Ozean die ganze Erde bedecken würde, wäre seine Oberfläche ungefähr die eines Rotationsellipsoids. Wegen der Gezeiten schwappt sie auf dem offenem Meer nur um einige Dezimeter, lediglich in einigen Meerengen und Trichtermündungen steilt sich das zu mehreren Metern auf.

Der Luftdruck ist auf diesem Meeresniveau (abgesehen von den Schwankungen des Wetters) überall gleich und nimmt nach oben etwa alle 5,5 km um den Faktor 2 ab. Berghöhen werden stets auf den Meeresspiegel bezogen, bei uns (genauer) auf den Amsterdamer Normalpegel (N.A.P. = Normaal Amsterdam Peil), zu besichtigen im dortigen Rathaus (stadhuis) als Scheitel einer Metall-Kugelkalotte.

Wenn man nach den größten Bergen fragt, kann man aber noch anders antworten:

Nimmt man Tiefebenen in der Umgebung eines Berges als Bezug, so kommt man nur auf größere Höhen, wenn man Meeresböden nimmt, denn es gibt kein trockenes Land, das hinreichend tief unter dem Meeresspiegel liegt (ein großer Teil der Niederlande liegt einige Meter tief, auch der Flughafen Schiphol, aber das würde nicht reichen, selbst wenn da Berge ständen). Die Hauptinsel von Hawaii jedoch guckt über 5 km aus dem Wasser (Mauna Kea), der Meeresboden rundherum ist über 4 km tief.

Der größte Berg im Sonnensystem ist mit 24 km Höhe Olympus Mons auf dem Mars. Die Riesenplaneten Jupiter und Saturn ziehen mit ihrer gewaltigen Schwerkraft Berge und Täler ziemlich glatt. Auf der Erde kennen wir das auch (langsamer) von den alten Gebirgen wie unseren Mittelgebirgen, die früher auch einmal so hoch waren, wie es heute die noch relativ jungen Alpen sind.

Ist denn eigentlich beim Tisch-Globus der Nordpol der oberste Punkt? Bei einem normalen Globus mit dem handelsüblichen Stativ jedenfalls nicht. Zuoberst ist bei diesem immer ein Punkt des nördlichen Polarkreises, welcher es ist, wird durch Verdrehen der Kugel im Stativ willkürlich bestimmt.

Man muss also sagen: Was da in dem Kinderbuch steht, ist in jeder Beziehung Unfug. Das wäre schon in einem Buch für Erwachsene schlimm genug.

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