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Drei Krüge umfüllen

Treitz-Rätsel

Rudi Reblaus (Name frei erfunden) hat drei Krüge mit 6, 7 und 8 Litern Fassungsvermögen. Darin sind insgesamt 10 Liter Wein, und zwar ist am Anfang ein Krug ganz voll und einer leer. Leider sind die Krüge unregelmäßig geformt und haben auch keine Skalen für Teilfüllungen, wie in solchen Denkaufgaben üblich. Welche Mengen von Wein kann er durch Umgießen mit diesen drei Krügen ohne Weggießen abmessen?

Bevor Sie nun endlose Kombinationen durchprobieren und dabei doch kaum sicher sein können, ob nicht doch noch eine fehlt, erfinden Sie eine Grafik (ähnlich einem Brettspiel), aus der Sie die Möglichkeiten ablesen und in der Sie relativ leicht die Umgießrezepte finden können.

Wenn die Summe aus 3 Zahlen konstant bleiben soll, bieten sich Dreiecks-Koordinaten mit Verwendung des Satzes von Viviani an (über dessen Beweis wir eine spezielle Aufgabe haben). Zwecks Übersichtlichkeit wählen wir ein gleichseitiges Dreieck, dessen Seitenlänge der Gesamtmenge der Flüssigkeit entspricht. Jeder Punkt im Dreieck bezeichnet mit seinen Abständen von den Seiten die Füllungen der drei Krüge. Nach Viviani ist die Summe dieser drei Abstände nämlich konstant.

Wenn wir in Rätselaufgaben nur ganzzahlige Werte haben wollen, zeichnen wir ein entsprechendes Raster. Von Natur aus wären aber alle Punkte zugelassen – na ja, wenn man es ganz genau nimmt, ist es doch ein Raster, denn die Flüssigkeit besteht aus ganzen Molekülen, und wenn ein Molekül aus einem Krug in den anderen hüpft, ist das ein Übergang von einem Gitterpunkt zu einem benachbarten. Vom Dampfdruck in den Krügen reden wir besser nicht …

Ist ein Krug kleiner als die gesamte Flüssigkeitsmenge, so kommt eine entsprechende Grenzlinie in das Dreieck. Auf diese Weise kann der zulässige Bereich ein Polygon mit drei bis (in unserem Beispiel) sechs Ecken sein.

Das Umschütten geht immer so, dass in einem Krug die Menge gleich bleibt und dass einer der beiden anderen hinterher entweder leer oder voll ist. Wir laufen also stets auf einer Rasterlinie, das heißt parallel zu einer Dreiecksseite, bis zum Rand des zulässigen Polygons. Die erreichbaren Endzustände liegen also auf jeden Fall auf diesem Rand. Es kann aber vorkommen, dass nicht alle Rasterpunke des Randes erreichbar sind. Besonders leicht einzusehen: Ungeradzahlige Zustände sind nicht erreichbar, wenn alle anderen Zahlen gerade sind.

Für das konkrete Beispiel sieht die Grafik so aus:

Der Start erfolgt laut Voraussetzung (ein Krug voll, einer leer) an einer der sechs Ecken des zulässigen Bereichs. Die möglichen Wege sind Polygonzüge vom jeweiligen Start aus, bestehend aus Strecken parallel zu den Dreiecksseiten mit Knicken an den Grenzen des Sechsecks (wo also jeweils ein Krug leer oder voll ist). Die Rasterpunkte im Inneren des Sechsecks werden zwar auch durchlaufen, aber man merkt nicht, wann es geschieht.

Das Ergebis: Alle "ganzzahligen Mengen" von 1 Liter bis 8 Litern, aber mit Ausnahme von 5 Litern, sind abfüllbar. Die blau getönten Zustände sind von den gegebenen Startpositionen aus nicht erreichbar (genauer: Man merkt nicht, wann man sie beim Gießen überstreicht).

Diese genial-einfache Behandlung dieser manchmal sonst ziemlich kniffligen und unübersichtlichen Aufgaben habe ich in dem wunderbaren Buch von Coxeter und Greitzer (Kapitel 4.6) gefunden. Sie ist nicht anwendbar, wenn man Flüssigkeit weggießen oder unbegrenzt aus einem Brunnen nachfüllen darf.

Wenn es mehr als drei – sagen wir n – Krüge sind, so müssen wir das Verfahren vom (gleichseitigen) Dreieck auf reguläre Pyramiden mit n Ecken im (n–1)-dimensionalen Raum übertragen, bei vier Krügen also auf ein Tetraeder.

  • Quellen
H. S. M. Coxeter, Samuel L. Greitzer: Geometry Revisited. Mathematical Association of America, 1996

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