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Fließgleichgewicht

Treitz-Rätsel

Ein quaderförmiges Waschbecken hat einen undichten Stöpsel, und zwar dauert es eine Stunde, bis es halbleer gelaufen ist, wenn es vorher voll war. Nun ist neuerdings auch noch der Wasserhahn undicht geworden, und es stellt sich im (ganz wörtlich: Fließ-)Gleichgewicht die halbe Füllung ein. Wie lange würde es (ungefähr) dauern, bis der undichte Hahn das vorher leere Becken ganz füllen würde, wenn der Stöpsel dicht wäre?

Das Wasser läuft um so schneller aus, je höher es im Becken steht (und zwar streng proportional), der tropfende Hahn liefert dagegen immer gleichmäßig.

Es dauert 69 Jahre, bis sich ein Guthaben bei 1% jährlicher Verzinsung verdoppelt.

Das Auslaufen ohne Nachlieferung erfolgt um so schneller, je höher das Wasser steht, beim vollen Becken läuft also in jeder Sekunde doppelt so viel aus wie bei halb gefülltem (da das Becken quaderförmig ist, haben wir zwischen Füllhöhe und Füllmenge den einfachsten Zusammenhang: Sie sind proportional zueinander).

Wenn man nun den zweiten Tipp benutzt (der auf etwas Analysis einer Exponential-Funktion zurückgreift), findet man, dass in jeweils 1/69 Stunde 1 % des gerade vorher noch vorhandenen Wassers ausläuft (in der Zeitumkehr ist das ganz ähnlich wie die Zinseszinsrechnung).

Wenn nun bei halber Füllhöhe der tropfende Hahn gerade so viel liefert, wie ausläuft, liefert er offenbar in 1/69 Stunde 1 % der halben Füllung, als 0,5 % der ganzen. Um das Becken mit dichtem Stöpsel ganz (d. h. von ganz leer bis ganz voll) zu füllen, braucht er also einigermaßen genau 200/69 Stunden, also knapp 3 Stunden.

Wenn er schwächer oder stärker tropfen würde, wäre die Gleichgewichtshöhe niedriger bzw. höher, vielleicht sogar höher als der Rand des Beckens. Ganz leer kann es aber theoretisch in keinem Fall sein, in dem Hahn und Stöpsel beide undicht sind (und das Wasserwerk nicht streikt).

Die Rechnung mit 1 % müsste im Prinzip mit einem viel kleineren Bruchteil gemacht werden, die Analysis lässt ihn gegen 0 gehen, die Zahl 69 entpuppt sich dann als Näherung für ln(2)/(1 %), wobei das Zeichen % fast nichts anderes ist als die Abkürzung für 1/100 (die beiden Nullen sind im Prozentzeichen sogar noch zu erkennen). Ein bisschen mehr ist das Zeichen % doch: Es erinnert daran, dass man im Hinterkopf an eine Bezugsgröße denken soll, mit der die soeben genannte Größe zu vergleichen ist. Diese Bezugsgröße denkt man dann nicht einfach proportional zu 1, sondern etwas gespreizter zu 100 % (was dasselbe ist – hundertpro).

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