Peaucellier
Das Bild zeigt 4 gleich lange Stangen (blau bis grün), die eine bewegliche Raute bilden und mit zwei anderen, untereinander gleich langen Stangen (rot und orange) an ein Zentrum gebunden sind. Zwei Ecken der Raute laufen also auf einem Kreis um dieses Zentrum. Die schwarze Stange sorgt dafür, dass auch eine weitere Ecke der Raute auf einem Kreis läuft. Dieser hat nicht seinen Mittelpunkt im Zentrum, sondern einen Punkt seines Umfangs. Ortsfest sind in diesem Bild nur die beiden Achsen in dem hellgrauen Klotz.
Auf was für einer Kurve läuft nun die noch übriggebliebene Ecke der Raute?
Bitte probieren Sie es mit Kartonstreifen und Heftzwecken oder (Textil-)Druckknöpfen aus.
Was ist die Inversion eines Kreises, der durch den Mittelpunkt des abbildenden Kreises geht?
Wenn Ihnen die Aufgabe zu schwer ist, sehen Sie sich trotzdem die Animation in der Lösung an!
Die vierte Ecke läuft auf einer Geraden, und zwar rechtwinklig zur Verbindung der beiden ortsfesten Achsen, in unserer Animation ist sie also waagerecht:
Für die Technik war diese Erfindung von Peaucellier (1864) sehr bemerkenswert, denn hier wird mit geraden Stangen und Gelenken eine kreisbogenförmige Bewegung exakt in eine geradlinige überführt, was immerhin Leuten wie Watt oder Tschebyschow nur näherungsweise gelungen war.
Man muss aber fairerweise zugeben, dass mathematische Exaktheit an Bedeutung verliert, wenn das Spiel in den Lagern einerseits die näherungsweisen Lösungen akzeptabel macht und andererseits in exakten Lösungen mit relativ vielen Gelenken Störungen verursacht.
Die mathematische Erklärung ist sogar relativ einfach:
Es wird vorausgesetzt, dass der Kreis durch \(Z\) verläuft, sein Mittelpunkt auf dem (roten) Lot von \(Z\) auf die (schwarze) Gerade liegt und dass \(Z\), \(P_1\) und \(P_2\) auf einer Geraden liegen.
Aus den zueinander ähnlichen rechtwinkligen Dreiecken entnehmen wir, dass \(Z P_1 \cdot ZP_2=2rc\) ist. Nun müssen wir noch zeigen, dass die Stangen von Peaucellier dieses konstante Produkt der Entfernungen von \(Z\) auch realisieren.
Wir nennen \(ZP_1=d_1\) und \(ZP_2=d_2\).
Nach Pythagoras ist nun einerseits \(h^2 = b^2 – {\left(\displaystyle d_2-d_1 \over \displaystyle 2\right)}^2 \) und andererseits \(a^2 = h^2 + {\left(\displaystyle d_2+d_1 \over \displaystyle 2\right)}^2 \).
Das liefert uns zusammengefasst \(d_1d_2 =a^2-b^2 \), was also nur von den Längen der Stangen abhängt, die ja nicht verändert werden.
Damit ist gezeigt, dass das Gestänge von Peaucellier exakt eine Bewegung auf einem Kreis (aber nicht ganz herum) einer auf einer Geraden zuordnet, und wir können aus den Rechnungen entnehmen, welche Maße wir dazu nehmen können.
Was wir nicht gezeigt haben, ist die Tatsache, dass wir statt der Geraden auch einen zweiten Kreis bekommen können, wenn der erste nicht durch \(Z\) geht. Allgemein liefert das Gerät die Inversion, die so definiert werden kann: Einem Punkt mit den Polarkoordinaten \( (r_1, \phi)\) (Radius und Winkel-Koordinaten) wird ein Bildpunkt \( (r_2, \phi)\) zugeordnet, wobei das Produkt \(r_1r_2\) festgelegt ist. Dabei ist der Kreis mit \(r_0=\sqrt{r_1r_2}\) um \(Z\) interessant: Die Abbildung kehrt das Innere dieses Kreises nach außen und umgekehrt. Daher wird sie "Inversion" genannt. Leider ist auch die irreführende Bezeichnung "Spiegelung am Kreis" gebräuchlich. Um die Inversion tatsächlich mit Lichtstrahlen realisieren zu können, benötigt man aber nicht nur einen Kreis, sondern eine außen spiegelnde Kaffeekanne mit einem Längsschnitt, der etwa wie der Grundriss eines Bügeleisens aussieht, wie mein Vetter Klaus Treitz ausprobiert und gezeigt hat ("Inversion mit der Thermoskanne", MNU 52, Nr. 5, S. 270–273, 1999).
Auch in der Funktionentheorie (also der Analysis mit komplexen Zahlen) kommt die Inversion vor, nämlich als Abbildung eines Punktes \(x+iy\) der Gaußschen Zahlenebene in den Punkt \(1/(x-iy)\), wobei \(i\) durch \(i^2= -1\) (bis aufs Vorzeichen) festgelegt ist.
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