Rotationshyperboloid
Spannen Sie bitte zwischen zwei Kreisen, die als Grundflächen eines Zylinders montiert sind, elastischen Garn als Mantellinien und verdrehen Sie dann die Kreise gegeneinander um die Zylinderachse.
Was geschieht, und welche Form hat die durch die Fäden aufgespannte Fläche?
Wenn Sie sich nicht scheuen, Teile des Metallbaukastens zu Ringen zu verbiegen, geht das damit sehr gut. Wenn man nur jedes zweite Loch zum Anknoten des Fadens benutzt, gibt es auch keine Kollision mit den Schraubverbindungen.
Hier ist stereoskopisch zu sehen, wie das Hyperboloid aus elastischen Fäden sich verformt, wenn die beiden Kreise ohne Änderung ihres Abstandes etwas gegeneinander verdreht werden:
Dies zeigt auch die folgende Animation anschaulich:
Eine andere Möglichkeit besteht darin, zwei leere Kondensmilchdosen axial zu durchbohren und auf eine lange Stricknadel zu spießen.
Die Fäden liegen stets in einer Fläche, die "einschaliges Rotationshyperboloid" genannt wird, weil sie beim Drehen einer Hyperbel um ihre Nebenachse (also die nicht durch die Brennpunkte gehende) überstrichen wird. Wie kann man das ohne Rechnung einsehen?
Beim Blick in axialer Richtung auf die Zylindergrundfläche erscheint ein Faden ohne Verdrehung als Punkt auf dem Umfangskreis mit dem Radius \(R\). Mit Verdrehung erscheint er als Sehne. Wandert ein Punkt \(P\) auf dieser Sehne, so durchläuft er in axialer Richtung die Höhenkoordinate \(z\), deren Nullpunkt wir in den Mittelpunkt des Zylinders legen. Für den Abstand \(r\) von der Achse ist dann nach dem pythagoreischen Satz \(r^2 = d^2 + y^2\), wobei \(d\) der kürzeste vorkommende Abstand zwischen der Sehne und dem Mittelpunkt des Kreises ist. Die axiale Höhe \(z\) des Punktes ist proportional zur \(y\)-Koordinate von \(P\): \(z=c\cdot y\), wobei \(c\) eine Konstante ist, \(c \in \mathbb{R}\). Für die grüne Kurve \(z(r)\) folgt dann : \(z^2=c^2y^2=c^2(r^2-d^2) \). Das ist die Gleichung einer Hyperbel.
Was geschieht bei Verdrehung in die andere Richtung, und was folgt daraus?
Da beim Quadrieren das Vorzeichen flachfällt, gibt es bei positivem wie negativem Drehwinkel die gleiche Figur. Das bedeutet aber, dass durch jeden Punkt der gewölbten Fläche nicht nur eine Gerade, sondern gleich deren zwei zueinander symmetrische gehen.
Zum Basteln nehmen Sie zweckmäßig zwei Fadenfarben. Wenn Sie die eine Sorte außen und die andere innen verspannen, kann man zumindest noch in eine Richtung drehen, ohne dass die Fäden sich gegenseitig behindern.
Das einschalige Rotationshyperboloid ist eine der drei Flächenarten, in der durch jeden Punkt zwei Geraden verlaufen. Die beiden anderen sind die Sattelfläche (das "hyperbolische Paraboloid") und (trivialerweise) die Ebene. Flächen, in denen durch jeden Punkt eine Gerade verläuft (sie heißen "Regelflächen" in falscher Übersetzung des englischen "ruled surfaces"), sind dagegen sehr artenreich.
In dem anderen Rotationshyperboloid (das in diesem Zusammenhang oft unerwähnt bleibt), nämlich dem mit der Rotationsachse durch die Brennpunkte, das in zwei "Schalen" zerfällt, liegen dagegen gar keine Geraden.
Dass ein Hyperboloid aus elastischen Fäden beweglich ist, leuchtet ja ein – abgesehen davon, dass überhaupt eine Fläche entsteht, die nicht eben und nicht einmal abwickelbar wie ein Kegel oder ein Zylinder ist. Was ist aber, wenn man statt der Fäden Schaschlikstäbe nimmt und mit elastischen Fäden fest zusammenknotet?
Zum Basteln legt man zum Beispiel zwölf Stäbe schräg nebeneinander und dann zwölf weitere anders orientiert schräg darüber, als wollte man einen Scheren-Gartenzaun bauen. An den Kreuzungsstellen (mindestens fünf pro Stab) knotet man die Stäbe mit einem Gummiband zusammen, und zwar so, dass der rechte Winkel federnd angestrebt wird. Der "Zaun" wird zu einem Ring zusammengeschlossen, wobei ganz von selbst das Rotationshyperboloid entsteht:
Erstaunlicherweise kann man es flacher oder schlanker biegen, wobei nur die Gummischlaufen elastisch gespannt werden, die Holzstäbe machen es ohne weiteres mit:
In der Animation sieht das dann so aus:
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