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Ziegenproblem

Treitz-Rätsel

Vor wenigen Jahren blamierten sich hochkarätige Mathematiker bei einer eigentlich ganz einfachen Aufgabe: Der Kandidat darf eine von drei Türen wählen, von denen zwei zu einem Trostpreis (immerhin Ziegen) und eine zum Hauptgewinn (ein Auto, was sonst) führen. Wenn er sich entschieden hat, wird nicht etwa die gewählte Tür geöffnet, sondern eine der beiden mit einem Trostpreis, und der Kandidat darf eine der beiden noch geschlossenen Türen wählen. Es ist anzunehmen, dass der Quizmaster weiß, hinter welcher Tür was ist. Wozu raten Sie ihm: Soll er bei seiner ursprünglichen Wahl bleiben, soll er wechseln, oder ist die Chance in beiden Fällen gleich?

Denken Sie sich sehr viele Leute, die grundsätzlich bei dem bleiben, was sie einmal gesagt haben. Diese werden in einem Drittel aller Fälle den Hauptgewinn bekommen.

Und nun denken Sie sich diese Leute ausgetauscht gegen Flattergeister, die jede Gelegenheit wahrnehmen, ihre Meinung zu ändern (und dann nicht erst würfeln, ob sie dieses tun sollen!). Diese haben nun logischerweise die anderen 2/3 der Chance: Ein Drittel von ihnen rät beim ersten Anlauf die richtige Tür, verschmäht sie aber dann und bekommt nur den Trostpreis.

Die anderen zwei Drittel raten erst falsch (ohne es zu merken), wechseln dann zu der anderen geschlossenen Tür und haben damit den Hauptgewinn.

Natürlich ist klar, dass die Information durch das Öffnen einer Trostpreis-Tür die Gewinnchance verbessert, aber es ist doch erstaunlich, dass es sie gleich verdoppelt, falls man das Angebot zum Wechseln auch annimmt. Wer jedoch erst noch eine Münze wirft, um zu entscheiden, ob er wechseln soll, hat insgesamt die Gewinnchance 0,5. Aber er müsste ja nicht würfeln, sondern könnte gleich zugreifen.

Ich gebe zu, dass die Aufgabe eine andere Lösung hat oder unentscheidbar werden kann, wenn man nicht klarstellt, dass der Quizmaster weiß was er tut, das heißt: er öffnet nicht einfach blind eine Tür, sondern passt auf, dass er nicht die Tür zum Hauptgewinn öffnet. Wenn er nämlich "blind" eine Tür öffnet, also nur weiß, auf welche der Kandidat tippt, aber nicht, wo der Hauptgewinn ist, kann er auch keine Information an den Kandidaten übertragen (die dieser nicht schon hat), und dessen Chance verbessert sich durch die Nachwahl nur auf 1/2, falls er die Ziege sieht, aber auf 1, wenn er den Hauptgewinn gezeigt bekommt und gar nicht mehr echt raten muss. Die Frage wird dann so verstanden, dass der Quizmaster nur zufällig einen Trostpreis zeigt, was aber bei dieser Voraussetzung nur in einem Teil der Fälle geschieht.

Wie bei vielen Streitfällen oder Fehlern berühmter Leute in der Wahrscheinlichkeitsrechnung kommt es also darauf an, ob die Frage klar formuliert ist oder Deutungsmöglichkeiten offen lässt.

Marilyn Vos Savant hat die Frage mit der richtigen Lösung in ihrer Frage-und-Antwort-Kolumne bekannt gemacht und damit Hohn und Spott (die dann nach hinten losgegangen sind) von verschiedenen Leuten geerntet, von denen einige mit ihrem zweifelhaften stochastischen Sachverstand mehr Schaden anrichten können – Stichwort Medizin –, als er bei reinen Denkaufgeben entstehen kann. Sie hat ein ganzes Buch darüber geschrieben und darin auch irreführende Argumentationen einiger Politiker behandelt, seltsamerweise aber nur solcher der demokratischen Partei. Gero von Randow hat das Ziegenproblem zum Leitthema eines Büchleins über Stochastik gemacht.

Wenn Sie mal mathematisch gebildete Leute so richtig in hitzige Diskussionen stürzen wollen: Das Ziegenproblem eignet sich hervorragend!

  • Quellen
Gero von Randow: Das Ziegenproblem. Denken in Wahrscheinlichkeiten. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2004

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