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Psychische Störungen: Anorexie

Was kennzeichnet Anorexie? Wie verbreitet ist sie, und was sind die Folgen dieser Essstörung? Informationen für Betroffene und Angehörige.
Waage und Teller

Was ist Anorexie?

Anorexia nervosa (oft auch als Anorexie oder Magersucht bezeichnet) gehört zusammen mit der Bulimie und der Binge-Eating-Störung zu den verbreitetsten Essstörungen. Die Betroffenen weigern sich, auch nur ein Minimum des Gewichts zu halten, das bei entsprechendem Alter beziehungsweise Körpergröße zu erwarten wäre. Die Grenze für Untergewicht wird im Diagnosesystem ICD-10 bei einem BMI ("Body-Mass-Index") von 17,5 angesetzt. Bei einer Größe von 1,70 Metern entspricht das etwa einem Körpergewicht von 50 Kilogramm. Viele Magersüchtige weisen ein dramatisches Erscheinungsbild auf: Der Körperfettanteil ist mitunter schon so weit zurückgegangen, dass die Betroffenen nur noch aus "Haut und Knochen" zu bestehen scheinen.

Anorektiker halten oft ein akribisches Diätprogramm ein, manche verweigern die Nahrungsaufnahme vollständig oder beschränken sich auf nährstoffarme Kost in kleinen Mengen. In selteneren Fällen wird der Gewichtsverlust auch durch Erbrechen oder Abführmittel erreicht – ähnlich wie bei der Bulimie. Trotz ihres augenscheinlich krankhaften Untergewichts leugnen viele Magersüchtige das Ausmaß ihrer Störung: Sie nehmen sich immer noch als "zu dick" wahr und würden am liebsten noch weiter abnehmen. Für viele hat der Nahrungsverzicht auch einen entscheidenden Einfluss auf den eigenen Selbstwert: Die Kontrolle über die eigenen körperlichen Bedürfnisse wird als Erfolg wahrgenommen, Gewichtszunahmen hingegen als Scheitern.

Die intensive Angst vor einer Gewichtszunahme hat häufig einschneidende Folgen für die Betroffenen und ihr Umfeld. Um nicht zu einem Klinikaufenthalt gezwungen zu werden, verbergen Magersüchtige den Schweregrad ihrer Störung vor Verwandten und Freunden, indem sie etwa gemeinsame Abendessen meiden oder den abgemagerten Körper unter weiter Kleidung verstecken.

Wie verbreitet ist Anorexie, wie verläuft die Störung?

Im Vergleich zur Bulimie ist Magersucht eine seltene Störung. Etwa 0,5 Prozent der jungen Frauen zwischen 14 und 20 Jahren erfüllen die strengen Diagnosekriterien der Anorexia nervosa. Eine wesentlich höhere Anzahl an jungen Frauen leidet unter Symptomen, wie sie für eine Essstörung typisch sind, ohne jedoch dem Vollbild der Anorexia nervosa zu entsprechen. Unter Männern ist Anorexia nervosa noch seltener: Auf 10 bis 20 magersüchtige Frauen kommt ein magersüchtiger Mann.

Die Symptome der Magersucht treten meistens zuerst im Jugendalter auf. Das mittlere Ersterkrankungsalter liegt bei 17 Jahren. Im Vergleich zur Bulimie ist der Verlauf der Störung eher ungünstig: Bei etwa der Hälfte der Patienten gehen die Symptome im Lauf der Zeit deutlich zurück, bei weiteren 30 Prozent bessert sich der Zustand zumindest ein wenig. In einem Fünftel der Fälle nimmt die Erkrankung einen chronischen Verlauf.

Wie entsteht die Anorexie?

Bei einer Anorexie wirkt eine Vielzahl von biologischen, psychologischen und kulturellen Faktoren zusammen. Obwohl nach wie vor ungeklärt ist, unter welchen Bedingungen genau eine Anorexie entsteht, haben Forscher bereits einige wichtige Risikofaktoren identifizieren können.

Genetische Veranlagungen scheinen einen maßgeblichen Einfluss auf die Herausbildung der Anorexia nervosa zu haben. In einer groß angelegten Studie aus dem Jahr 2006 wurden beispielsweise 30 000 Zwillingspaare untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Magersucht bei 56 Prozent lag, wenn der Zwillingsbruder beziehungsweise die Zwillingsschwester ebenfalls unter der Störung litt – ein Hinweis auf eine starke erbliche Komponente.

Neben biologischen Faktoren trägt aber auch das soziale Umfeld zur Entwicklung einer Magersucht bei. Gerade in Berufen, in denen eine schlanke Figur und ein niedriges Körpergewicht wichtig sind – etwa bei Models und Balletttänzerinnen –, ist die Wahrscheinlichkeit, eine Magersucht zu entwickeln, wesentlich höher als in der Normalbevölkerung.

Bei der Aufrechterhaltung der Störung spielen so genannte dysfunktionale Kognitionen eine Schlüsselrolle. Dabei handelt es sich um Wahrnehmungsverzerrungen, Fehlinterpretationen und unlogische Denkschlüsse, mit denen sich die Betroffenen zunehmend selbst unter Druck setzen. Magersüchtige haben häufig den Eindruck, dass sie selbst durch kleinste Speisemengen bereits massiv zunehmen, da sich die aufgenommene Nahrung im Bauch automatisch in Fettpolster verwandeln würde. Dysfunktionale Kognitionen prägen auch das Selbstbild: Viele denken, dass sie nur dann etwas Besonderes sein können, wenn sie dünn sind. Derartige "Denkfallen" tragen entscheidend dazu bei, dass sich das problematische Essverhalten weiter verfestigt.

Was sind die Folgen der Anorexie?

Durch ihre Mangelernährung sind Menschen mit Anorexia nervosa stark in ihrem Alltag eingeschränkt: Auch nach leichteren körperlichen Arbeiten sind sie schnell müde und erschöpft. An kühlen Tagen frieren sie viel schneller als andere, weil die schützende Fettschicht fehlt. Bei magersüchtigen Frauen bleibt zudem die Monatsblutung aus (sekundäre Amenorrhoe). Bei extremer Mangelernährung steigt das Risiko einer Osteoporose (Knochenschwund). Auch das geistige Leistungsvermögen nimmt ab: In Schule, Uni oder Job können sie sich kaum noch konzentrieren, weil ihr Nervensystem nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt ist.

Die Magersucht gehört zu den psychischen Störungen mit der höchsten Sterberate: Je nach Schätzung nimmt sie bei etwa fünf bis zehn Prozent der Betroffenen einen tödlichen Verlauf.

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