»Alles Zufall im All?«: Alles Zufall im All?
Man stelle sich das einmal vor: Zu einem Zeitpunkt vor rund 13,8 Milliarden Jahren ist nach unserem derzeitigen Verständnis das Universum entstanden. Es hat sich ausgedehnt und abgekühlt und irgendwie hat es sich so ergeben, dass dieses Universum flach ist. Dies bedeutet, dass in ihm die euklidische Geometrie gilt, also dass die Summe der Innenwinkel in einem Dreieck 180 Grad beträgt, nicht mehr, nicht weniger. Des Weiteren sind alle Naturkonstanten in diesem Universum genau so abgestimmt, dass im Lauf der Jahrmilliarden seit Beginn des Universums Sterne entstehen konnten, und Galaxien, und dass sich diese Galaxien zu Galaxienhaufen und noch größeren Strukturen zusammenfinden konnten. Das Universum ist weder leer, weil alles zu schnell auseinanderfliegt, noch besteht es aus einem einzigen großen Schwarzen Loch, weil die Schwerkraft ein bisschen zu stark ist. Und schließlich gibt es genauso viele schwerere Elemente, dass sich daraus Planeten um Sterne bilden konnten, und auf genau einem dieser Planeten gibt es Leben, darunter auch uns.
Kann das alles Zufall sein?
Ich muss zugeben, dass ich laut dem Titel »Alles Zufall im All?« auf eine Erörterung genau dieser Frage gehofft habe. In diesem Fall wurde ich leider etwas enttäuscht, auch wenn natürlich völlig klar ist, dass es auf diese Frage keine einfache Ja-/Nein-Antwort geben kann. Auf genau diesen Aspekt aber gehen die beiden Autoren Erik Bertram und Dominika Wylezalek am Ende des Buchs ein – nach einer unterhaltsamen Entdeckungsreise durch das Universum sowie die Methoden, mit denen man es überhaupt entdecken kann. Wylezalek ist dabei eher der beobachtenden Astronomie zugetan, Bertram der theoretischen Astrophysik. So verrät einem das Buch dankenswerterweise nicht nur, warum das James Webb Space Telescope – und andere Großteleskope – so wichtig für die astronomische Forschung ist, sondern auch die Grundlagen, wie astrophysikalische und kosmologische Simulationen funktionieren: die »Quellen des Wissens«, wie die Autoren es nennen.
Derart gut gerüstet geht es nun auf zur Entdeckungsreise, grob chronologisch durch das Universum: Wie ist es entstanden, warum denken wir, dass es eine flache Geometrie hat, und woher wissen wir, dass das extrem massereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie genau 4,3 Millionen Sonnenmassen in sich versammelt? Das Ganze ist wunderschön bebildert und illustriert von Véro Mischitz. Überhaupt ist das Buch sehr ansprechend gestaltet, mit einer Kurzzusammenfassung des Inhalts am Ende eines jeden Kapitels. Man könnte auch sagen: bekömmlich.
Ich muss zugeben: Mir persönlich geschieht das alles an manchen Stellen etwas zu sehr im Häppchenformat. Allerdings bin ich als Rezensentin auch nicht die Zielgruppe des Titels. Das Buch dürfte sich eher an Leserinnen und Leser richten, die sich allgemein für Weltraum und Co interessieren und mehr über unser Universum erfahren wollen, die aber auch keine Lust haben, sich durch jeden einzelnen Wikipedia-Artikel zum Thema zu kämpfen. Und für diese Zielgruppe ist es wunderbar geeignet: Es ist ansprechend und grafisch sehr schön aufbereitet, in einem lockeren Ton geschrieben, muss nicht in einem Rutsch durchgelesen werden, damit man als Leser den roten Faden nicht verliert, und es enthält viele aktuelle Forschungsergebnisse. Insofern macht »Alles Zufall im All?« Lust auf mehr Universum nach der Lektüre – und als Leser mag man sich über den Zufall von allem hinterher selbst Gedanken machen.
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