Rund ist die Welt
Die Geschichte des Globus ist untrennbar mit der Entdeckung der Welt verbunden. Vom Ende des 15. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts spielten Erd- und Himmelsgloben eine maßgebliche Rolle als Navigationshilfe, wissenschaftliches Instrument, Lehrmaterial und Statussymbol. Sie waren nicht nur dreidimensionale Karten, sondern dienten auch zur Zeitmessung. So konnten Benutzer mit dem Erdglobus von Gerhard Mercator (1512-1594) die Zeitpunkte von Sonnenaufgängen ermitteln, was im Alltag wichtig war.
Die Autorin des vorliegenden Bildbands, Sylvia Sumira, ist Restauratorin und Expertin für Globen. Sie forschte am National Maritime Museum in Greenwich und an der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. In dem Band stellt sie wichtige Teile von Globen vor und erläutert die Geschichte dieser Geräte, bevor sie auf deren Herstellung näher eingeht. Im Hauptteil präsentiert sie 60 historische Globen. Jedes Stück ist auf einer oder mehreren Aufnahmen abgebildet. Die Fotos beeindrucken, doch leider erweisen sich manche Nahaufnahmen wegen der runden Gestalt der Geräte als teilweise unscharf.
Erdkugel ohne Amerika
Mit dem berühmten Erdapfel von Martin Behaim (1459-1507), Kaufmann aus Nürnberg, begann 1492 die Zeit der Globen. Bemerkenswert ist an dem Stück, dass Amerika noch nicht darauf verzeichnet ist; Christoph Kolumbus (1451-1506) kehrte erst nach der Fertigstellung von seiner ersten Überseefahrt zurück. Wie dem Buch zu entnehmen ist, gestaltete der deutsche Kartograf Martin Waldseemüller (1470-1521) als Urheber der ersten gedruckten Globusstreifen den nächsten bedeutenden Erdglobus im Jahr 1507.
Erd- und Himmelsgloben wurden damals oft als Paar gestaltet. Der deutsche Kartograf Johannes Schöner (1477-1547) begründete diesen Brauch. Schon bald tauchten auch vergoldete Prachtstücke auf, etwa der Himmelsglobus von Isaak Habrecht aus dem Jahr 1646, die ihren Besitzern als kostspieliger Schmuck und Statussymbol dienten.
Mitte des 19. Jahrhunderts kam die Mode auf, die Kugeln in einem Winkel von 23,5 Grad (die Neigung zwischen Ekliptik- und Äquatorebene) in einem Halbmeridianring auf einem Ständer zu platzieren. Diese Art der Aufhängung löste das alte Gestell von Gerhard Mercator ab, der Globen in einem Meridianring aus Messing aufgehängt hatte, montiert auf einem Holzgestell mit rundem Sockel und vier Füßen, die einen Horizontring trugen.
Erfindungsreichtum
Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erteilte man immer mehr Kindern Erdkundeunterricht, was den Bedarf an Lehrmitteln – darunter Globen – erhöhte. Skurril ist der "Regenschirm-Globus" (um 1860), ein faltbares Stück, das sich wie ein Regenschirm auf- und zuspannen und in einer Holzkiste leicht transportieren ließ. Interessant auch die zerlegbare Erdkugel aus dem Jahr 1866 von Abraham Nathan Myers (1804-1882), der eine Vielzahl ausgefallener Produkte und Spielsachen verkaufte. Der Globus ist wie ein dreidimensionales Puzzle in acht Querschnitte unterteilt, die sich wiederum in einzelne "Kuchenstücke" zerlegen lassen. Die Ober- beziehungsweise Außenseiten sind mit Kartenteilen bedeckt, die Unterseiten mit Informationen über Kontinente und ihre Einwohner. Volksnah mutet das Stück "The earth and itz inhabitants" um 1830 an: Eine kleine Pappschachtel enthält einen winzigen Globus und einen leporello-ähnlichen Papierstreifen, auf dem handgemalte Figuren in Nationaltrachten zu sehen sind.
Alles in allem ist das Werk gelungen. In seiner edlen Gestaltung nimmt es den Leser mit auf eine Zeitreise der besonderen Art. Anhand seiner Abbildungen von Karten und Globen macht es Entdeckungen und Expeditionen vergangener Jahrhunderte nachvollziehbar. Es veranschaulicht aber auch, wie kunstvoll Erd- und Himmelsdarstellungen sein können. Anfangs kostbar und nur in kleinen Auflagen produziert, wurden Globen ab dem Ende des 19. Jahrhunderts zur Massenware, die sich beinahe jeder leisten konnte.
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