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Fragwürdige Luwier

Geoarchäologe Eberhard Zangger führt einen Feldzug gegen die etablierte Wissenschaft.

Etwas mehr als ein Jahr nachdem er seine umstrittenen Thesen zur Bronzezeit veröffentlicht hat, legt der Geoarchäologe Eberhard Zangger mit einem Populärformat nach. Sein Buch "Die Luwier und der Trojanische Krieg" entwirft ein dynamisches Szenario, wonach sich die von Zangger postulierten "Luwier" am Ende der Bronzezeit zusammenschlossen, um die Anrainerstaaten des östlichen Mittelmeers zu verwüsten. Der Autor zielt mit seinem Werk offenbar auf humanistisch gebildete Laien, die zwar von Troja oder den Hethitern durchaus gehört haben, aber die Wissenschaftsgeschichte und die aktuellen Diskussionen in der anatolischen Archäologie nicht kennen. Bei ihnen hat Zangger die Gelegenheit, seine Thesen darzulegen.

Das Luwier-Postulat ist jedoch nur der Aufhänger des Buchs. Vor allem entfaltet der Autor eine höchst subjektive Geschichte, die von der Erforschung Anatoliens und des vorderen Orients durch europäische Entdeckungsreisende und Schriftgelehrte handelt. Wir lesen von mutigen Männern, die längst vergessene Schriften entziffern, mutmaßlich mythologische Stätten entdecken und rückständigen Muslimen deren Kulturschätze abnehmen, um sie in westliche Museen zu bringen. Von dem kulturimperialistischen Unterton abgesehen, der hier anklingt, wird schnell die Agenda des Autors klar. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen stehen nämlich stets die persönlichen und beruflichen Feindschaften, mit denen all diese Forscher zu kämpfen hatten. Tenor: Alle Visionäre der anatolischen Altertumskunde sind anfangs auf Widerstände gestoßen, manche gar regelrecht angefeindet worden. Im Umkehrschluss soll das wohl heißen, dass Zangger, dessen Thesen in der Fachwelt weitgehend abgelehnt werden und der heute mit etlichen einstigen Weggefährten auf Kriegsfuß steht, letztlich Recht behalten werde.

Spärliche Belege

Der Geoarchäologe lässt keine Gelegenheit aus, über ehemalige Kollegen herzuziehen und sich als tragischen Helden zu stilisieren. Unter anderem brüstet er sich damit, eine Verleumdungsklage gegen Troja-Ausgräber Manfred Korfmann gewonnen zu haben, nur um ein paar Kapitel weiter anzudeuten, dieser habe womöglich Medienkontakte spielen lassen, um die Stimmen wissenschaftlicher Kritiker zu unterdrücken. Tiefschläge wie dieser wecken erhebliche Zweifel an Zanggers Integrität und wirken eher wie die Rache eines beleidigten Narzissten.

Das Problem mit Zanggers Vermutung ist indes nicht, dass sie zu visionär, sondern, dass sie längst veraltet ist. Sie geht auf die Inschriften ägyptischer Könige zurück, die sich als Sieger über eine geheimnisvolle Streitmacht von "jenseits des Meeres" darstellten. Die ersten Übersetzer dieser Texte gaben den Angreifern den Namen "Seevölker" und nahmen an, diese seien der Grund für das Ende der spätbronzezeitlichen Staatenwelt gewesen. Seither haben archäologische Ausgrabungen jedoch erhebliche Zweifel daran geweckt. Ob man die Angreifer nun "Luwier" oder "Seevölker" nennt: Die Belege dafür, dass die bronzezeitliche Katastrophe von übermächtigen Großgruppen verursacht wurde, die marodierend durchs Mittelmeer zogen, sind äußerst spärlich.

Die meisten Fachleute gehen heute davon aus, ein Zusammenspiel von klimatischen, demografischen und politischen Veränderungen, innen- und außenpolitischen Krisen habe zur Katastrophe geführt. Zangger ist dieses Modell zu komplex. Spuren kriegerischer Einwirkung, die in den archäologischen Stätten Anatoliens und der Levanteküste entdeckt und ans Ende der Bronzezeit datiert werden, weist er pauschal den "Luwiern" zu. Zum Beweis, dass diese je als ethnolinguistische, politische oder sonst wie geartete Einheit existiert haben, liefert Zangger ein einziges in luwischer Sprache verfasstes Schriftdokument; der Schriftträger selbst ist verloren. Den Inhalt will Zangger aus dem Nachlass des britischen Archäologen James Mellaart erhalten haben, der in der Luwierfrage auf Zanggers Seite gewesen sei. Selbst wenn der Text authentisch ist: Es handelt sich um die Inschrift eines westanatolischen Königs, der angibt, über ein großes Reich zu herrschen. Das allerdings haben schon viele Könige von sich behauptet. Alles Weitere ist Interpretation.

Eine entscheidende Entwicklung in der Altertumswissenschaft hat Zangger wohl verpasst. Zu Schliemanns Zeiten reichte es vielleicht noch, eine Vision und genügend Geld zu haben, um als Forscher irgendwann Ruhm und Anerkennung zu ernten. Heute jedoch gilt: Wer außergewöhnliche Behauptungen aufstellt, braucht dafür außergewöhnlich starke Belege. Damit kann aber auch dieses Werk nicht dienen.

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