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»Earth for All Deutschland«: Fünf Kehrtwenden für Deutschland

Es muss sich etwas ändern – nur wie? Die »Earth for All«-Initiative präsentiert mutige Wege für eine nachhaltige Zukunft in Deutschland.

»Dieses Buch handelt von radikaler Veränderung«, verspricht seine Einleitung. Dabei geht es nicht nur um den Klimawandel. Fünf große »Wenden« nimmt es sich vor, teilweise Kehrtwenden, in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Ihr Ziel ist eine nachhaltig gestaltete Zukunft – in Deutschland und weltweit.

Hinter dem Buch stehen der Club of Rome, einer der bekanntesten Thinktanks der Welt, und das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Fünfzig Jahre nach dem ersten Bericht an den Club of Rome (»Die Grenzen des Wachstums«) hat eine globale Initiative von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit »Earth for All« 2022 einen neuen Bericht veröffentlicht. »Earth for All Deutschland« ist ein Ableger dieses Berichts und fokussiert sich auf konkrete Lösungswege für Deutschland.

Das Buch stellt fünf Wenden vor, die als die wichtigsten Stellschrauben auf dem Weg zu einer nachhaltigen Zukunft identifiziert werden. Es geht um Gerechtigkeit, Wohlstand und Selbstwirksamkeit für alle; außerdem um eine Ernährungsweise und eine Energieversorgung, die dem Planeten und seinen Bewohnern zuträglich sind. Das sind keine gänzlich neuen Konzepte; interessant ist, dass hier die Wechselwirkungen zwischen den Bereichen im Vordergrund stehen. Grundlage für die Aussagen und Empfehlungen des Buchs bilden globale Berechnungen von Mitgliedern der »Earth for All«-Initiative. Wie man es von Klimamodellen kennt, werden hier zwei Szenarien einander gegenübergestellt: Entweder wir machen weiter wie bisher, oder wir wagen grundlegende Veränderungen – den »großen Sprung«, wie es im Buch heißt.

Veränderung integral gedacht

Die ersten beiden Kapitel erläutern, warum eine Transformation global und in Deutschland nötig und dass sie möglich sei. Die Autorinnen und Autoren möchten motivieren: »Man könnte in Weltuntergangsstimmung geraten und deprimiert aufgeben. Doch davon raten wir dringend ab.« Die klare Botschaft des Buchs lautet: Wir haben es in der Hand. Diese Wenden lohnten sich nicht nur für den Klimawandel, sondern für das gesamte »Bruttonationalglück«, argumentieren die Autoren. Insgesamt wirkt das erste Drittel des Buchs wie eine ausgedehnte Einleitung mit vielen Querverweisen auf spätere Stellen im Buch. Es ist Konzentration gefragt, um den Gedankengängen trotz langer und detailreicher Sätze zu folgen.

Aber es lohnt sich, diese Konzentration aufzubringen! Denn im Folgenden werden einige interessante Strategien dazu präsentiert, wie Veränderungen in den einzelnen Teilbereichen ineinandergreifen und sich gegenseitig verstärken könnten. So hänge beispielsweise eine klimafreundliche und sozial verträgliche Ernährung an der Bekämpfung von Armut und an der Energiewende. Nur indem wir beides gleichzeitig angingen, könne Nahrung erschwinglich sein und nachhaltig produziert werden. Zusätzlich könne die Doppelnutzung von Äckern mit Agri-Photovoltaik die Energiewende unterstützen.

Die Szenarien werden greifbarer durch kleine Zeitreisen ins Jahr 2045, die uns mit in den Alltag fiktiver Personen nehmen. Was bedeutet die Energiewende für eine kleine familiengeführte Werkzeugfabrik? Wie geht es einer alleinerziehenden, berufstätigen Mutter mit der Ernährungswende? Verbessern sich die Bedingungen für diese Menschen? Oder leiden sie unter den Einschränkungen und Sparmaßnahmen des Landes? Diese kleinen Geschichten sind willkommene Verschnaufpausen im Lesefluss – auch wenn sie stellenweise etwas zu schön wirken, um wahr zu sein.

»Earth for All Deutschland« präsentiert einen anregenden, integrativ gedachten Ansatz. Die Intention des ersten Berichts an den Club of Rome war es, Anstöße für eine radikale Kursänderung zu liefern. Dieselbe Intention spiegelt sich auch in diesem Buch wider. Die Euphorie und die Entschlossenheit der Autorinnen und Autoren, die vorgestellten Konzepte umzusetzen, wirken ansteckend. Das beschriebene Leben nach dem »großen Sprung« wird als verlockend geschildert. Und doch hängt weiterhin die große Frage in der Luft: Wo fangen wir denn nun an? Denn, diese Erkenntnis stellt sich ebenfalls ein: Die großen Weichenstellungen müssen in der Politik erfolgen. Dennoch: Viele Menschen tun kleine Schritte in der Hoffnung, gemeinsam etwas zu bewirken. Dazu motiviert dieses Buch und stärkt die Hoffnung, dass daraus echte Veränderungen entstehen. Die Lektüre lohnt sich für alle, die neue Perspektiven suchen und sich fragen, wie der Weg zu einer nachhaltigen Welt von morgen aussehen könnte.

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