»Feed the Planet«: Der Gigantismus moderner Landwirtschaft
Fotografen scheinen auch in der Luft gefährliche Menschen zu sein. Diesen Eindruck musste jedenfalls George Steinmetz gewinnen, der verhaftet wurde und im Gefängnis landete, weil er angeblich die Sicherheit von Farmern bedroht hatte. Und das ist ihm nicht in einem der Länder passiert, in denen die Rechte von Journalisten generell wenig gelten. Selbst in Libyen, im Iran oder in China war er höchstens einmal verwarnt worden. Aber hinter Gittern landete er im US-amerikanischen Kansas, obendrein wurde seine Fotoausrüstung beschlagnahmt. Der Grund: Er hatte aus einem Paraglider heraus Aufnahmen von einer riesigen Rinderfarm mit 100 000 Tieren gemacht. Er wollte dokumentieren, woher unsere Hamburger stammen.
Seine Fotos macht Steinmetz in den USA und in 36 weiteren Ländern wie dem Senegal, Indien oder Costa Rica. Seine Themen sind die Produktion von Grundnahrungsmitteln, Obst und Gemüse, die Fischerei und die Viehzucht. Seine Bilder geben auch einen Ausblick auf die Agrarindustrie der Zukunft, wenn er etwa dokumentiert, wie Sonnenblumenfelder bestrahlt werden, um im Klimawandel zu bestehen. Die Aufnahmen – meist aus der Luft – veranschaulichen die gigantischen Ausmaße der Produktionsstätten und machen sie für den Leser fast greifbar. Steinmetz fotografiert grüne Reisterrassen in China oder eine Bioapfelplantage in Herzform im Alten Land bei Hamburg. Er hält fest, wie Berge von Chilischoten zum Trocknen auf dem Boden ausgelegt werden oder wie Hirtenvölker im Südsudan ihre Rinder betreuen.
Eat the Planet
Für diesen Band hat Steinmetz seine Fotos aus den letzten 25 Jahren zum Thema Landwirtschaft zusammengestellt. Die erklärenden Texte und die Einleitung stammen vom Umweltjournalisten Joel K. Bourne, Jr.; er beschreibt die heutige Landwirtschaft als globalen Moloch, der über die Hälfte des bewohnten Terrains beherrscht, siebzig Prozent des auf der Erde verfügbaren Frischwassers aufsaugt und ein Drittel der weltweiten, zumeist aus fossilen Brennstoffen gewonnenen Energien verschlingt.
Aber es sind vor allem die Fotografien, die den Gigantismus vermitteln, mit dem der Mensch die Erde umgeformt hat. Sie zeigen Felder, die bis zum Horizont und noch weiter reichen, die industrielle Massenverarbeitung orangefarbiger Karotten, künstliche Aquakulturen, gewaltige Erntemaschinen oder die Gewinnung von Kalidünger in farbenprächtigen Salzseen, die ganze Landschaften prägen.
Oft drängt sich beim Betrachten der Fotos die Frage auf: Herrscht dort Krieg? Sie stellt sich, wenn Hubschrauber riesige Staubwolken aufwirbeln, um weibliche Jungrinder aus der Luft zusammenzutreiben; wenn Fischereischiffe vor der Küste im Ostchinesischen Meer dicht an dicht auf den Startschuss zur Fangsaison warten; oder wenn, wie auf dem Titelbild, etwa 20 Erntemaschinen in Formation fahren, um auf endlos scheinenden Feldern Soja zu ernten.
Steinmetz hat aber auch immer einen Sinn für Muster und Farben. Und so sind seine Fotografien voller Schönheit, wirken geradezu künstlerisch. Doch der im Buch versprochene ästhetische Genuss wird getrübt, sobald einem das Ausmaß der Eingriffe in die Natur bewusst wird, das der Band erfahrbar macht. Sehens- und lesenswert ist er ganz sicher.
Und zum Schluss findet sich im Buch auch ein ungewöhnliches Foto von Georg Steinmetz selbst. Es ist das Polizeifoto aus dem Finney County Sheriff’s Office, in dem er verhaftet wurde. Nach einigen Stunden wurde er wieder in die Freiheit entlassen. Fotografieren ist in den USA erlaubt, auch aus der Luft. Steinmetz vermutet, dass es in der Nahrungsproduktion Bereiche gibt, die der Öffentlichkeit verborgen bleiben sollen, und das Thema brisanter ist, als er zunächst angenommen hatte. Seine Bilder zeigen sehr deutlich, warum diese Vermutung plausibel ist.
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