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Kriegsherr wider Willen

Der römische Kaiser Marc Aurel war für seine Milde berühmt – und zugleich dazu gezwungen, kompromisslose Härte zu zeigen.

In der langen historischen Galerie der römischen Kaiser gilt Marc Aurel (Regierungszeit 161-180 n. Chr.) als derjenige Herrscher, bei dem »der Purpur niemals abfärbte« – der also trotz seiner vornehmen Herkunft auf dem Teppich blieb. Von ihm künden in Rom zwei Monumente: Ein ehernes Reiterstandbild auf dem Kapitol und ein Kriegerdenkmal, die »Marcussäule«, auf der Piazza Colonna. Doch es ist schwer, alle Aspekte dieses Kaisers abzubilden, der Staatsmann, Philosoph und Feldherr zugleich war.

Alexander Demandt, emeritierter Althistoriker an der Freien Universität Berlin, nähert sich dieser Figur und ihrer Zeit, die geprägt war von Barbareneinfällen, Seuchen und Unruhen. Der Autor schildert die Regierungszeit Marc Aurels als in vielerlei Hinsicht historische Wende in der Geschichte des Römischen Reichs. Einerseits endete mit dem Tod des Herrschers das Zeitalter der so genannten Adoptivkaiser (98-180 n. Chr.) – jene Epoche, in der die Nachfolge nicht dynastisch, sondern per Adoption des jeweils »Besten aus allen Guten« geregelt wurde. Andererseits geriet Rom unter Marc Aurel erstmals in die Defensive. Einfälle der Parther im Osten und der Germanen im Norden verstrickten das Imperium in langwierige und verlustreiche Abwehrkämpfe, die nach einem Wort Theodor Mommsens die »Wende zum Ende« des Imperium Romanum einläuteten.

Ramsch-Münzen für neue Legionen

Demandt zeigt, wie es dem stets kränkelnden Kaiser gelang, den »schwersten Krieg gegen einen äußeren Feind seit Hannibal« erfolgreich zu bestehen, und zu welchen außergewöhnlichen Maßnahmen er dabei griff. Um neue Legionen auszuheben, verringerte Marc Aurel den Gold- und Silbergehalt der Münzen, ließ zugunsten der Kriegskasse die Kronjuwelen versteigern und ordnete an, Sklaven und Gladiatoren zu bewaffnen und germanische Söldner anzuwerben.

Der Autor behandelt auch die vieldiskutierte Frage, ob Rom damals seinen Machtbereich durch Einrichtung zweier neuer Provinzen jenseits der Donau zu erweitern gedachte. Demandt hält dies für möglich, zumal neuere archäologische Untersuchungen dort neben zahlreichen römischen Bodenfunden auch Spuren römischer Kastellbauten gefunden haben, die auf eine dauerhafte Präsenz des Imperiums jenseits der Donau hindeuten. Angesichts der Überdehnung des Reichs bezeichnet der Althistoriker diesen Erweiterungsplan als töricht. Nur der Tod des Kaisers habe ihn diesbezüglich »vor einem schweren politischen Fehler bewahrt«.

Es ist nicht nur der Kaiser und Monarch, der uns in dem Buch anspricht, sondern auch der Mensch und sein Charakter. Wir sehen sein unablässiges Bemühen, der Stellung, die er nicht erstrebt hatte, gerecht zu werden. Wir sehen, wie er versuchte, die plötzliche Notlage des Reichs, die bei seinem Herrschaftsantritt nicht vorauszusehen gewesen war, mit eiserner Selbstdisziplin zu meistern. Demandt schildert den Herrscher als akademisch ausgebildeten Philosophen ohne jede militärische Erfahrung, der durch die Umstände dazu gezwungen wurde, Krieg zu führen und mehr Zeit als alle römischen Kaiser vor oder nach ihm in Feldlagern zu verbringen. Die Lektüre macht begreiflich, wie dieser Monarch den inneren Zwiespalt zwischen philosophischem Ideal und politischem Pragmatismus mit sich ausfechten musste. Auch wenn Marc Aurel sich gern gnädig und verzeihend gab und seine Milde geradezu sprichwörtlich war, bewältigte er die Herausforderungen des Amts mit kompromissloser Härte: Aufstände wurden brutal niedergeschlagen, Feinde rücksichtslos vernichtet und Andersdenkende wie die Christen, die den Eid auf den Kaiser verweigerten, gnadenlos verfolgt.

Trost und geistige Erbauung für sein Tun fand der Kaiser in den von der stoischen Philosophie geprägten »Selbstbetrachtungen«, jenem »antiken Self-Coaching-Buch«, das Marc Aurel für sich ganz persönlich auf Griechisch schrieb, und in dem er kritisch über das nachdachte, was er gezwungen war zu tun. Diese »Wege zu sich selbst« bilden in Demandts Studie einen wesentlichen Schlüssel dazu, die Persönlichkeit des Herrschers zu verstehen und seine Motive nachzuvollziehen.

Demandt versteht es meisterhaft, historisch interessierten Lesern den »Reiter auf dem Kapitol« in seiner vielgestaltigen Welt quasi lebendig zu machen und die Grundkonflikte seiner Zeit aufzuzeigen. Eine äußerst lesenswerte Darstellung.

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