»Schleichender Blackout«: Digitalisierung ohne Sinn und Verstand?
Der vorliegende Text beschäftigt sich mit den in Deutschland herrschenden Problemen in Sachen Digitalisierung. Dass es hier – im Unterschied zu anderen Ländern der EU – viele Mängel gibt, ist ein offenes Geheimnis. Das Thema der digitalen Infrastruktur ist nicht nur für den Staat und die Wirtschaft wichtig, sondern betrifft uns alle, im Beruf und auch privat. Beispiele sind die elektronische Krankenakte, der digitale Unterricht an Schulen und Hochschulen oder die Kommunikation mit Behörden wie etwa dem Finanzamt. Manches funktioniert, aber bei manchen Vorgängen gewinnt man den Eindruck, die Digitalisierung in Deutschland bestünde nur aus einer »Elektrifizierung der Verwaltung«.
Nach Überzeugung der beiden Autoren stehen wir vor einem schleichenden digitalen Blackout, weil Anspruch und Realität bezüglich der digitalen Transformation weit auseinanderklaffen. Daher sind die zentralen Themen des Buchs die digitale Transformation von Behörden, Schulen oder Firmen und die Datensicherheit. Dabei geht es um eine generelle Digitalisierungsstrategie, die eine durchgängige digitale Verwaltung einschließt. Solche Strategien sind für eine zeitgemäße Verwaltung und Wirtschaft sowie die Gesellschaft im Ganzen von großer Bedeutung. Eng verknüpft damit ist die Frage der »Cybersicherheit«, denn je mehr Daten und Informationen online verfügbar sind, desto größer ist die Gefahr von Hackerangriffen auf die kritische Infrastruktur. All diese Themen sind erwartbar und den meisten bekannt, wenn auch nicht unbedingt in aller Ausführlichkeit.
Die beiden Autoren kommen aus der Politik und sind vom Fach: Valentina Kerst war Staatssekretärin in Thüringen und arbeitet derzeit als Beraterin für Digitales von Unternehmen und Organisationen; Fedor Ruhose ist Staatssekretär für Digitalisierungskonzepte in Rheinland-Pfalz. Leider wirkt sich der berufliche Hintergrund auch auf den Stil der Ausführungen aus. Der Text ist recht trocken und stellenweise mühsam zu lesen, so wie wir es oft von Politikern gewohnt sind. Modewörter und Wortungetüme wie »Verwaltungscloudsystem«, »Kund:innenbeziehungen«, »Chanceninfrastruktur« oder »Bürger:innendialoge« und andere hölzerne Formulierungen machen die sprachliche Darstellung nicht sonderlich ansprechend.
Viele der im Buch beschriebenen Mängel können nur durch staatliche Organe und gesetzliche Vorgaben behoben werden, obwohl jeder Einzelne zu einer positiven Entwicklung beitragen kann. Das bedeutet auch, dass sich das Buch offensichtlich in erster Linie an Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft richtet, denn viele der angesprochenen Probleme sind nicht nur komplex, sondern für den einzelnen Nutzer nicht lösbar. Auch wenn den meisten von uns während der Coronakrise die Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Arbeitens im Zusammenhang mit digitalen Konferenzen und digitalem Unterricht oder bei der Nutzung des Homeoffice aufgezeigt wurden.
Wie erwähnt, sind viele der dargestellten Probleme bekannt und fast nur durch den Gesetzgeber zu beheben: In vielen Gesetzen gibt es noch Regelungen, die ein digitales Verwalten und Arbeiten behindern. Deshalb sollten Gesetze künftig so formuliert werden, dass ihre digitale Umsetzung gleichzeitig möglich ist und Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern vermieden werden.
Zusammenfassend ist dies ein interessanter Text, der zu der besprochenen Problematik viele Details referiert und Fakten liefert. Man sollte jedoch im Hinterkopf behalten, dass es sich um eine Beschreibung des derzeitigen Zustands handelt. Die Anwendung der Digitalisierung in Politik, Verwaltung und Wirtschaft sowie die notwendigen Lösungsansätze dürften sich nämlich in den nächsten Jahren sehr rasch verändern.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben