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»The Future is …«: Hasenartige Wesen und eine desertierende KI: Visionen unserer Zukunft

14 Illustratorinnen erzählen auf unterschiedliche Weise in kurzen unterhaltsamen bis nachdenklichen Geschichten für Jugendliche, wie sie sich unsere Welt in 100 Jahren vorstellen.
Kristallkugel vor Landschaft

Klimakrise, Artensterben, künstliche Intelligenz, Kriege und gesellschaftliche Spaltung. Wer kann angesichts der vielen aktuellen, großen Themen noch mit Optimismus in die Zukunft blicken? Und wer weiß, wie dann wohl erst die Welt in 100 Jahren aussehen wird?

Umso spannender sind die Antworten, die 14 Zeichnerinnen aus der deutschen Comicszene darauf in ihren kurzen Geschichten für die Comic-Anthologie »The Future is …« gegeben haben. Wer nun denkt, das Buch handle vom weiblichen Blick auf die Zukunft oder betone die feministische Perspektive, liegt falsch. Vielmehr stellt die Comicsammlung die Vielfalt der Comiczeichnerinnen in den Vordergrund, die in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch weniger präsent sind als ihre männlichen Kollegen.

So offen, wie der Titel die Inhalte der Anthologie lässt, so frei waren die Zeichnerinnen in der Umsetzung für ein jugendliches Publikum. Herausgekommen sind 14 stilistisch sehr verschiedene Geschichten mit originellem Storytelling und unterschiedlichem zeichnerischem Können, welche die Literaturwissenschaftlerin und Herausgeberin Lilian Pithan zwischen zwei Buchdeckeln versammelt hat: vom klassischen Comic mit Sprechblasen und strenger Panel-Optik bis hin zu ganzseitigen, freien Illustrationen, in die der Text ganz organisch hineinfließt. Unterteilt in die vier Kapitel »Technorama«, »Schöne neue Welt?!«, »Leben lassen« sowie »Ich und Du« begegnen wir in den nur acht Seiten langen Erzählungen auf diese Weise ganz unterschiedlichen Versionen einer Welt von morgen.

Wer wird die Erde in Zukunft bewohnen?

Wir erleben, wie Mia Oberländers Heldin aus der Kaste der ausgebeuteten Kurierdienste und Assistenten per Teleportation um die Welt reist, um Fahrgästen der Deutschen Bahn (!) eine Schläfenmassage zu bieten und gleich danach in Paris einen Präsentkorb für ein Business Meeting auszuliefern. Oberländers grafisch-flächiger Zeichenstil macht besonders augenfällig, welche Spuren der Job bei den Lohnsklaven hinterlässt: Wir blicken in faltenzerfurchte Gesichter von noch jungen Menschen. Abstrakt bis skurril muten dagegen die bunten, amorph wabernden Gestalten in Maki Shimizus Geschichte »Mensch spielen« an. Sie bevölkern ein verlassenes Berlin von morgen und lernen in der Schule Fächer wie »Human Being« und »Genmodifikation«. »Der Mensch« ist hier längst Geschichte.

Es gibt aber nicht nur dystopische Zukunftsvisionen. So erzählt Bea Davies in ihrer bildgewaltigen Geschichte »Die beste aller Welten« mit opulenten, warmen Farben von einer ungewöhnlichen Protagonistin: Eine in Empathie geschulte KI erkundet mit einem Weltensimulationsprogramm das afrikanische Kinshasa. Doch statt in der nach einer Katastrophe wieder aufblühenden Natur nach Plätzen für eine menschliche Neubesiedlung zu suchen, bleibt die KI am Ende bei den letzten Überlebenden und klinkt sich einfach aus dem Trainingsprogramm aus. Sind KIs, Aliens oder besonders resiliente Tiere in Zukunft also die besseren Erdbewohner? Davon erzählt auch Whitney Burschs Story »Ich liebe uns«, in der hasenartige Wesen und Menschen nach einer Umweltkatastrophe gemeinsam »wie Familien« in Harmonie und Liebe unter einer riesigen Glaskuppel leben. Die seitenfüllenden, wie krakelige Kinderzeichnungen anmutenden Illustrationen sind mit grobem Pinselstrich großzügig übermalt. Das betont noch einmal zusätzlich den traumhaften, utopischen Charakter der Story.

14 verschiedene Stile, 14 unterschiedliche – nie ganz hoffnungslose – Ideen von der Zukunft. Mal utopisch, dystopisch, poetisch, philosophisch oder einfach nur humorvoll erzählt und gezeichnet: »The Future is …« ist eine anregende Comicsammlung mit Geschichten, die Raum zum Träumen und Nachdenken lassen. Wie so oft in Anthologien ist auch hier die Qualität der Erzählungen unterschiedlich. Einige der Geschichten wirken länger nach als andere. Wie »Melinda« von Aisha Franz. Ihre Vision der Jobs von Kreativarbeitern, denen in Zukunft die besten Ideen wortwörtlich von einer Maschine aus dem Hirn gesaugt werden, vermittelt sicher nicht nur kreativen Köpfen beim Lesen und Schauen ein mulmiges Gefühl. Eines haben aber alle Geschichten der Comic-Anthologie gemeinsam: Sie machen Lust darauf, schon heute über das Morgen miteinander ins Gespräch zu kommen.

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