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»Wie Gefühle entstehen«: Fühlen, wie das Gehirn es will

Lisa Feldman Barrett erläutert in ihrem Buch die Konzepte aktueller Emotionsforschung anschaulich und verständlich. Man erfährt dabei durchaus auch einiges über sich selbst.
Eine junge Frau hält eine braun-schwarze Schlange und berührt mit ihrer Nasenspitze den Kopf des Tiers

Der Mensch hält sich für ein rationales Wesen. Das, so glauben viele, unterscheide uns ganz besonders von der Tierwelt. Wir seien unseren Emotionen nicht ausgeliefert und könnten jederzeit rational entscheiden. Warum diese Einschätzung vielleicht doch nicht ganz den Tatsachen entspricht, erklärt Lisa Feldman Barrett in diesem populärwissenschaftlichen Buch.

Dabei nimmt die Autorin ihre Lesenden mit auf eine Reise durch die Emotionsforschung. Plakativ und leicht verständlich beschreibt sie, warum Emotionen nicht universell sind und das Gehirn Höchstleistungen vollbringt, wenn es Gefühle bei anderen Menschen zu erkennen und zu deuten versucht. Angst beispielsweise lässt sich nicht eindeutig einem bestimmten Gesichtsausdruck zuordnen. Vielmehr zeigt sich das Gefühl in vielfältigen Gesichtsbewegungen, die individuell an die jeweilige Situation angepasst sind. Deshalb ist das »Lesen« von Emotionen eine so hochkomplexe und schwierige Sache, die der Mensch Zeit seines Lebens immer weiter verfeinern muss.

Die Ökonomie unseres Gehirns

Oft missdeuten wir jedoch die Gefühle unseres Gegenübers. Schuld daran ist die Funktionsweise unseres Gehirns, wie Lisa Feldman Barrett in schlüssiger Argumentation verdeutlicht. Denn lange bevor wir etwas bewusst wahrnehmen oder fühlen, hat unser Gehirn bereits eine eigene Wahrheit »erdichtet«. Diese basiert auf Konzepten, die es im Laufe der Zeit erlernt hat. Schauen wir beispielsweise rasch von einer Stelle zur anderen, reicht die Zeit für das Gehirn kaum aus, um die dabei entstehenden Sinneseindrücke zu einem komplexen Bild zusammenzusetzen. Es nutzt vielmehr seine Erfahrung und vorhandene innere Konzepte und entwirft schnell ein erstes Bild, das es anschließend nach und nach verfeinert. Ähnlich verhält es sich im Umgang mit Emotionen. Wie wir einen Gefühlsausdruck wahrnehmen, hängt, stark vereinfacht ausgedrückt, davon ab, was sich unser Gehirn bereits vor dieser konkreten Wahrnehmung schon einmal zusammengereimt hatte. Generell werden unsere Wahrnehmungen und Gefühle durch unsere Interozeption, die Sensibilität für Vorgänge aus unserem Körperinnern, sowie durch unsere Affekte beeinflusst.

Ohne in schwer verdaulichen Fachjargon zu verfallen, erklärt und beschreibt die Autorin all dies in ihrem Buch und macht so Konzepte aktueller Emotionsforschung anschaulich und verständlich. Dieses Wissen eignet sich nicht nur hervorragend als Gesprächsstoff für die nächste Party, sondern bietet vor allem die Möglichkeit, Gefühle und ihre Wahrnehmung besser zu verstehen. So erläutert Lisa Feldman Barrett denn auch, warum der menschliche Geist eben nicht, wie oft behauptet, das »Schlachtfeld« ist, »auf dem Kognition und Emotion um die Kontrolle über unser Verhalten kämpfen«.

Schließlich kann, wer das Buch von Lisa Feldman Barrett liest, auch sehr viel über sich selbst erfahren. So ist es auch eine Reise zum Ursprung unserer Emotionen – und zu der Erkenntnis, dass wir ihnen keineswegs hilflos ausgeliefert sind.

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