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Das Universum als Kinoerlebnis

Die BBC-Dokumentation "Der Weltraum" ist ein multimedialer Rundflug durch Astronomie, Astrophysik, Raumfahrt und niveauvoller Sciencefiction. Per Computeranimation reist der Zuschauer in die Tiefen des Alls, bekommt interessante Himmelskörper hautnah zu sehen, erlebt Asteroiden-Einschläge auf der Erde oder wird Zeuge, wie ein Schwarzes Loch einen Stern zerstört. Die 190-minütige Dokumentation hat drei Schwerpunkte, sie drehen sich um die Themen "Woher wir kommen", "Erde in Gefahr" und "Aufbruch zu den Sternen".

Wie von anderen BBC-Produktionen bereits gewohnt, ist auch "Der Weltraum" von hoher filmtechnischer Qualität. Die Computeranimationen sind hervorragend gemacht und sehenswert. Sie wechseln sich mit wunderschönen Landschaftsaufnahmen ab, die in Neuseeland gedreht wurden. Einmal mehr ist es dem verantwortlichen Team gelungen, weltberühmte Forscher-Koryphäen in die Filmhandlung einzubeziehen, etwa Robert Zubrin, Seth Shostak oder Brian Boyle. Der Schauspieler Sam Neill, bekannt aus dem Streifen "Jurassic Park", moderiert das gut dreistündige Programm – er macht das sehr überzeugend.

Als Unterhaltungswerk ist "Der Weltraum" sicher gelungen, aus wissenschaftlicher Sicht lässt sich einiges daran kritisieren. Es ist klar, dass man komplizierte Zusammenhänge in solchen Filmen vereinfacht wiedergeben muss. Aber das rechtfertigt nicht Sätze wie "während des Urknalls entstand eine riesige Wasserstoffwolke" oder "durch den Urknall entstanden Schockwellen", die nicht einfach nur falsch sind, sondern überdies grob irreführend. An anderer Stelle hört man erstaunt, dass die Erde einen Durchmesser von 16 000 Kilometern habe, dass die Internationale Raumstation in zweihundert Kilometer Höhe kreise oder dass ein Schwarzes Loch "eine Million mal kleiner als ein Stern" sei.

Es gibt in den 190 Filmminuten immer wieder solche Ausrutscher, von denen man nicht weiß, wie sie zustande gekommen sind: durch schlampige Übersetzung, durch allzu forsche Vereinfachung oder schlicht durch Gedankenlosigkeit. Zum Glück sind sie insgesamt nicht so häufig, dass der Film ernsthaft darunter leidet.

Befremden ruft außerdem hervor, wie der Streifen die Gefahren darstellt, die der Erde aus dem Kosmos drohen. Astronomisch wenig versierte Zuschauer müssen den Eindruck bekommen, dass uns eine Kollision mit einem Schwarzen Loch unmittelbar bevorsteht. Die Angst vor diesem Schreckensszenario wird über Computeranimationen und Suggestivfragen zusätzlich geschürt: "Und Sie fühlen sich sicher auf der Erde?"

Aus dem Film erfährt man auch, dass die Leuchtkraft der Sonne immer weiter zunimmt und die Erde deshalb schmelzen wird – was richtig ist. Es wird aber nirgendwo deutlich gemacht, in welchem Zeitraum sich das abspielt. Der Streifen zeigt brennende Landschaften, untermalt mit dramatischer Musik und dem Satz "Wenn wir Menschen eine Zukunft haben wollen, müssen wir unseren Planeten verlassen". Was, bezogen auf die Leuchtkraftzunahme der Sonne, drastisch überzogen ist. Denn die wird für die irdische Biosphäre erst in vielen hundert Millionen Jahren dramatisch. Und dann wird es so oder so keine Menschen mehr geben: Entweder weil sie ausgestorben sind, oder weil sie sich evolutionär so verändert haben, dass man sie nicht mehr als Menschen bezeichnen kann.

Die Dokumentation hat noch andere Schieflagen: Sie stellt zum Beispiel die Panspermie-These so dar, als wäre diese allgemein anerkannt, oder gibt Spinnereien wie die Idee vom kurzfristigen "Terraforming" des Mars völlig kritiklos wieder.

Trotz alledem – "Der Weltraum" ist in seiner Gesamtschau ein beeindruckendes, sehenswertes Filmwerk. Denn es gelingt ihm, die Faszination des Weltalls emotional und greifbar zu vermitteln. Die Computeranimationen und der geschickte eingesetzte Kontrast zwischen Erd- und Weltraumaufnahmen lassen den Zuschauer ahnen, wie kolossal die Dimensionen und Kräfte dort draußen sind und wie lächerlich winzig unser Planet dagegen erscheint.

Der Weltraum, das vermittelt die Dokumentation gekonnt, besteht nicht aus hübschen bunten Hubble-Bildern, sondern vor allem aus einer unendlichen, gähnenden, entsetzlichen Leere – und darin ein paar Inseln, in denen ein Inferno der Naturkräfte tobt. Angesichts dieses seelenlosen Molochs erscheinen die zwischengestreuten Bilder von Meeresbuchten, Bergen und Segelschiffen erstaunlich intensiv. Sie erinnern daran, dass unsere Erde doch eigentlich ein verdammt schönes Plätzchen ist.

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