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Wie könnten in unserem Gehirn vielleicht Gedanken entstehen...

Nicht nur unter Neurowissenschaftlern ist der Wunsch, die Funktionsweise des Gehirns zu verstehen, weit verbreitet. Es gibt daher einen großen Markt für populärwissenschaftliche Literatur zu diesem Thema und das Angebot der Verlage sowie die Konkurrenz ist entsprechend groß. Interessierte könnten vielleicht den Kauf von William Calvins „Die Sprache des Gehirns“ erwägen. Es gibt aber Gründe sowohl den finanziellen Aufwand wie auch die zu investierende Zeit zu scheuen: Calvin hat sich mit Büchern wie „Symphonie des Denkens“ oder „Der Strom, der bergauf fließt“ einen Namen als Wissenschaftsautor gemacht. Diese Werke zeichnen sich durch ihren sehr verständlichen Stil aus. Calvin lockert Erläuterungen wissenschaftlicher Sachverhalte durch vertraute Beispiele aus dem Alltag auf. Die sprichwörtliche Reise in faszinierende Forschungsgebiete wird auf unterhaltsamste Weise mit Reiseliteratur kombiniert. In „Die Sprache des Gehirns“ ist Calvin von diesem Verfahren abgewichen. Er verzichtet auf literarisches Beiwerk und konzentriert sich auf das Thema der Entstehung bewusster Gedanken aus Aktivitätsmustern der Großhirnrinde unseres Gehirns. Dabei ist es ihm diesmal nicht gelungen — wahrscheinlich war es auch nicht das Ziel, allgemeinverständlich zu schreiben, sodass der Laie ohne Vorbildung seinen Ausführungen folgen kann. Da das Buch auch keine Erläuterungen von Grundlagen und allgemein anerkannten Erkenntnissen der Neurowissenschaft beinhaltet, richtet es sich offensichtlich nicht an Leser außerhalb der Gemeinde der Neurowissenschaftler. Calvin will in seinem Buch erklären, wie in unserem Bewusstsein Gedanken entstehen. Dieser als Untertitel des Bandes gewählte Nebensatz ließe sich aber nur vertreten, würde er um ein „Vielleicht“ und ein „Könnte“ erweitert. Es handelt sich um Calvins ganz private Theorie, und bei aller Originalität sind seine Ideen in wesentlichen Punkten nicht durch experimentelle Indizien gestützt, geschweige denn durch Fakten belegt. Das Fehlen von Verweisen auf Fachliteratur ist ein indirektes Eingeständnis dieser Tatsache. Auch gut fünf Jahre nach Erscheinen der amerikanischen Originalausgabe hat sich an dieser Sachlage nichts geändert. Nun sollte man einem Wissenschaftler, der sich selbst als theoretisch arbeitend bezeichnet, nicht vorwerfen, dass er mit seinen Ideen der experimentellen Wissenschaft voraus ist. Ist es aber notwenig, auf über 200 Seiten eine langatmige Darstellung der Gehirntheorie zu skizzieren, die sich mit demselben Erfolg in einem drei- bis vierseitigen Fachartikel hätte erklären lassen? Einen Großteil der in „Die Sprache des Gehirns“ erneut vorgelegten Ideen hat Calvin selbst auf genau diesem Wege und bereits 1987 in einem zweiseitigen Kommentar in „Nature“ vorgelegt.

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