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Außergewöhnlich denken

Was macht das menschliche Gehirn so besonders? Wie entsteht Bewusstsein? Was ist Intelligenz? Und inwiefern unterscheiden sich Gedächtniskünstler und so genannte Inselbegabte von Otto Normaldenker? Antworten auf diese Fragen gibt dieser kompakte Herausgeberband. Der Psychologe Martin Dresler vom Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie versammelt darin Beiträge namhafter Autoren, die auf ein interdisziplinäres Symposium des Hochbegabtenvereins Mensa zurückgehen. Unter dem Titel "Mind Science" widmete es sich im Jahr 2009 Fragen rund um unser Denkorgan, mit Schwerpunkt außergewöhnliche kognitive Leistungen.

So kommt etwa der Gedächtnissportler Gunther Karsten zu Wort. Er versucht seinen Lesern spezielle Tricks nahezubringen, mit denen Erinnerungsakrobaten ihren Lernstoff verdaulich zubereiten, um ihn sich leichter einzuprägen. Ein spannender Ausflug in eine fremde Welt – auch wenn sich nicht jede der beschriebenen Techniken auf Anhieb nachvollziehen lässt. Warum sollte man sich an die Zahl 44 leichter erinnern können, nur weil man sie "Rohr" nennt oder etwa "Scheck" an die Stelle der 67 setzt? Hier bleibt so manches im Unklaren.

Mit ungewöhnlichen Denkformen beschäftigt sich auch der Bremer Neuropsychologe Thorsten Fehr: Er widmet seine Betrachtungen den so genannten Savants – Menschen mit geistigen Behinderungen, die gleichzeitig über besondere Fähigkeiten verfügen. Tatsächlich scheinen diese "Inselbegabten" für ihr außergewöhnliches Denken dieselben Hirnregionen zu nutzen wie Spezialisten ohne geistige Minderleistungen oder Durchschnittsmenschen – nur eben effizienter. Wie es dazu kommt, ist noch nicht endgültig geklärt.

In ganz anderer Weise heben sich Synästhetiker vom kognitiven Durchschnitt ab: Bei ihnen koppeln sich verschiedene Sinnesmodalitäten miteinander, so dass beispielsweise Buchstaben und Zahlen farbig scheinen oder ein bestimmter Farbton Dufteindrücke vermittelt. Ist dieses Phänomen das Ergebnis einer besonders engen Verdrahtung zwischen verschiedenen Hirnarealen, oder ist es eher einer fehlerhaften Hemmung geschuldet? Noch streiten sich Wissenschaftler über die neurobiologischen Ursachen der Synästhesie. Die Hochbegabtenforscherin Tanja Gabriele Baudson von der Universität Trier stellt in ihrem Beitrag daher verschiedene Erklärungen für diese Sonderbegabung vor.

Die Vielzahl der Beiträge aus unterschiedlichen Federn bietet eine abwechslungsreiche Lektüre rund um die Themen Intelligenz und menschliches Gehirn. Von der Anatomie über ausgefallene kognitive Phänomene und philosophische Betrachtungen bis hin zur künstlichen Intelligenz und dem Neuro-Enhancement, der medikamentösen Optimierung geistiger Leistungen – in diesem Büchlein ist für jeden Geschmack etwas dabei. Allerdings nur für Fans harter wissenschaftlicher Kost, denn ein rechtes Lesevergnügen bleibt aus.
  • Quellen
Gehirn&Geist 9/2011

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