Direkt zum Inhalt

Unterschätzter Taktstock

Des Menschen ärgster Feind ist sein Wecker. Er meldet sich immer dann mit einer beharrlicher Penetranz, wenn unser Schlafbedürfnis noch nicht gestillt ist. Doch manche brauchen ihn gar nicht – sie wachen morgens von alleine auf –, während sich andere mit einem ganzen Satz dieser Geräte ausrüsten, um bloß nicht zu verschlafen. Wie kommt es zu diesen Unterschieden?

Dieser Frage und vielen anderen geht der Chronobiologe Till Roenneberg in seinem Buch "Wie wir ticken" auf den Grund. In 24 Kapiteln (diese Zahl ist sicher kein Zufall) offenbart er, wo in unserem Leben die innere Uhr ihre Zeiger im Spiel hat. Das überraschende Fazit: nahezu überall!

Der Autor leitet jedes Kapitel mit charmanten Geschichten aus dem Alltag ein, die er anschließend analysiert. Dadurch gelingt ihm eine wunderbare Mischung aus Beispielen und wissenschaftlichen Erklärungen. So beschreibt er etwa ein Experiment, bei dem eine Versuchspersonen zwei Monate lang in einem von der Außenwelt abgeschlossenen Bunker verbringen musste – sie lebte ohne Uhren nach ihrem eigenen Rhythmus. Überraschenderweise verschob sich ihr Zeitgefühl um ganze zwei Wochen.

Roenneberg berichtet über nachtaktive Hamster, übermüdete Teenager und Eheprobleme. Wir erfahren, dass die meisten Spätaufsteher nicht faul, sondern späte Chronotypen sind, sie also einfach nur später und nicht länger schlafen. Nicht nur wegen ihres schlechten Images seien die so genannten "Eulen" gesellschaftlich benachteiligt: Durch den meist frühen Arbeitsbeginn litten sie regelmäßig unter einem sozialen Jetlag, so der Autor. Und der mache auf Dauer unzufrieden und krank.

Um sich im Fließtext nicht in wissenschaftlichen Details zu verlieren, hat Roenneberg biologische Mikrolektionen und Zusatzinfos in Fußnoten ausgelagert. Eigentlich eine feine Sache, doch macht es die Lektüre streckenweise etwas stockend. Einige Erklärungen hätte er schlicht in den Haupttext einbetten können.

Dennoch gelingt es dem Chronobiologen, seinen Lesern zahlreiche Fassetten der inneren Uhr nahe zu bringen, ohne sie auch nur ansatzweise zu langweilen. Vielleicht liegt es an dem dezent humorvollen Unterton oder der ungebrochenen Begeisterung des Forschers? Wie auch immer – der Funke springt über!

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.