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Sciencefiction: Caronte - Magie und Weltraumkrieg

In dem sehenswerten Sciencefiction-Kurzfilm »Caronte« verbindet das spanische Studio Onirikal eine sehr irdische Geschichte auf magische Weise mit einer opulenten Weltraumschlacht.
http://vimeo.com/227053219
© Onirikal Studio
Kurzfilm »Caronte«

Ein Alarmsignal ertönt, Leutnant Arsys steigt in ihren Fighterjet und startet zu einer Weltraummission. Sie flucht, weicht Geschützfeuer aus, umkurvt Hindernisse, steckt Treffer ein. Ihr Flieger ähnelt einem X-Wing-Fighter des Star-Wars-Universums. Dann Schnitt – ein verletztes vielleicht 14-jähriges Mädchen im Krankenhaus. Sie stellt eine dringliche Frage, aber der Arzt antwortet unklar. Und wieder ein Schnitt: Dasselbe Mädchen begleitet ihren kleinen Bruder nach Hause, irgendwo in Europa, in der Gegenwart. Die beiden streiten, ohne sich eigentlich böse zu sein. Er tanzt traumverloren über einen Zebrastreifen. »Wenn ich nur auf den weißen Balken laufe, gibt es heute Abend Pommes!« – »Du bist so blöd«, antwortet sie ärgerlich, »Mama macht nie Pommes zum Abendessen!«

So seltsam beginnt der mehrfach ausgezeichnete Sciencefiction-Kurzfilm »Caronte« des spanischen Studios Onirikal. Das in Barcelona ansässige Studio hat sich auf digitale visuelle Effekte (VFX) spezialisiert und war unter anderem an der Produktion des aktuellen »Hellboy«-Films beteiligt. Luis Tinoco, der Autor und Regisseur des Kurzfilms, arbeitet nach Angaben des Studios bereits seit mehr als 20 Jahren als VFX-Spezialist. »Caronte« ist Onirikals erste Eigenproduktion. Der 2017 produzierte Kurzfilm lief mit großem Erfolg auf diversen, allerdings vorwiegend kleineren, internationalen Filmfestivals. Nach der Zählung des Portals Internet Movie Database (IMDb) war der Film für 43 Preise nominiert, von denen er elf abräumte.

Es geht darin nicht um eine Rebellion in einer fernen Galaxie vor langer Zeit, wie man nach der Eingangssequenz meinen könnte, oder etwa um das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Nein, sein eigentliches Thema ist sehr irdisch und zeitlos: die Macht des magischen Denkens. Anders als wir gerne glauben würden, denken Menschen keineswegs rein vernünftig. Im Gegenteil: Seit die Vorfahren der Menschen überhaupt zu abstrakten Gedanken fähig waren, haben sie sich gefragt, ob sie ihr Schicksal auf überiridische Weise voraussehen oder verändern können. Aus dem vorderen Orient sind bereits seit dem 2. Jahrtausend v.Chr. Keilschrifttafeln mit astrologischen Symbolen und ihrer Deutung überliefert. Im antiken Rom lasen die so genannten Haruspices die Zukunft aus der Leber von Opfertieren. Die Auguren, beamtete Wahrsager, deuteten den Flug von Vögeln, um daraus zu entnehmen, ob ein öffentliches oder privates Vorhaben den Göttern genehm sei.

Sobald ich aber ein künftiges Ereignis an ein Ritual binde, geht es nicht nur um Wahrsagung, es geht um eine Beschwörung. »Wenn ich nur auf die weißen Balken trete ...«, sagt der kleine Bruder im Film und will damit erreichen, dass er sein Wunschessen bekommt. Nicht nur Kinder versuchen so, ihr Schicksal zu beeinflussen. Es soll reiche Banker geben, die jeden Morgen einem Bettler eine eigens vorher herausgesuchte Münze geben, um damit Glück für den Tag zu beschwören. Das ist ein absolut archaisches Denkmuster, das bei allen menschlichen Gemeinschaften auftaucht. Schon die altsteinzeitlichen Höhlenmalereien sollten vermutlich auf magische Weise den Jagderfolg verbessern. Aber das ist nur ein Aspekt. Zu einer Beschwörung gehört auch die Sprache. Ich spreche etwas aus, damit es geschehen möge. In der Schöpfungsgeschichte der Bibel erschafft Gott die Welt, indem er ihre Eigenschaften befiehlt: »Es werde Licht!« – und es ward Licht. Der altägyptische Gott Ptah (»Der Bildner«) soll die Welt in seinem Herzen erdacht und dann durch Aussprechen erschaffen haben. In Rom benutzten die Menschen Fluchtäfelchen als Schadenszauber. Man schrieb einen bösen Wunsch und den zugehörigen Namen auf ein flaches Bleistückchen und vergrub es an einer geeigneten Stelle, damit die Götter der Unterwelt es lasen und den aufgeschriebenen Schaden verursachten. Heutzutage ist das eher unüblich, aber wir lesen gerne die freundlichen Prophezeiungen, die in Glückskeksen eingebacken sind.

Das menschliche Denken ist eben alles andere als rein vernünftig. Manche Psychologen unterscheiden zwischen dem entwicklungsgeschichtlich alten Erfahrungssystem und einem nur beim Menschen voll entwickelten rationalen System. Das eine arbeitet intuitiv, schnell sowie vorbewusst und gefühlsbetont, das andere vernunftgesteuert, analytisch und langsam. Während die Vernunft jede Magie für Unsinn hält, erscheinen uns formelhafte Beschwörungen intuitiv durchaus plausibel. Der Film spielt mit diesem uralten Zwiespalt. Aber was mit einem Kinderspiel beginnt, wird plötzlich verzweifelter Ernst, bei dem es buchstäblich um Leben und Tod geht. Der nur rund 14 Minuten lange Film führt die drei Handlungsebenen meisterhaft und logisch zusammen. Leider ist die Auflösung zum Schluss nur auf wenigen Frames zu sehen und wird den meisten Zuschauern wohl entgehen. Man sollte sich also die Szene bei 13 Minuten, 37 Sekunden eventuell mehrfach genau ansehen.

Kameraführung und Tricktechnik sind absolut professionell, und man darf annehmen, dass der Film auch als Werbung für die Leistungsfähigkeit des Studios gedacht ist. Onirikal hat ein Making-of veröffentlicht, das sehr gut zeigt, welchen Aufwand das Studio für die optischen Effekte getrieben hat.

Bleibt nur noch die Erklärung des seltsamen Titels. Caronte ist der Name eines Computerspiels, das im Film eine wichtige Rolle spielt. Im Deutschen bedeutet Caronte nichts, aber im Spanischen ist es der Name von Charon, dem Fährmann, der die Toten in die Unterwelt bringt.

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