Bakterien: Impfung aus dem Gangsta-Lab
Sie verursachen jedes Jahr Verluste in Millionenhöhe: Infektionen mit Mycoplasma-Bakterien bei Nutztieren wie Hühnern, Rindern und Schweinen. Klassische Impfungen mit abgetöteten Erregern wirken bei diesen Infektionen nur sehr eingeschränkt. Ein von der EU gefördertes Forschungskonsortium namens MycoSynVac mit Sitz in Spanien hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, einen neuartigen Impfstoff für Nutztiere zu entwickeln. Es greift dabei auf Methoden der synthetischen Biologie zurück, der es mittlerweile gelingt, Genome und ganze Organismen im Labor zu synthetisieren (siehe hierzu etwa diese Studie von 2016).
Wie die Forscher vorgehen, zeigt ein originelles Musikvideo, das die Wiener Agentur für Wissenschaftskommunikation, Biofaction, veröffentlicht hat. Ein animierter Vertreter des Bakteriums – die Spezies Mycoplasma bovis alias MC Grease – rappt darin über sein Leben und die Impfstoffe aus der Trickkiste der synthetischen Biologie. Und bei allem Spaß erklärt das Video recht anschaulich, wie ein solcher synthetischer Impfstoff funktionieren soll: Im Labor entnehmen Wissenschaftler einem eng verwandten Mycoplasma-Vertreter das Genom und ersetzen dieses durch ein synthetisch hergestelltes, das nicht krank macht, aber dennoch das Immunsystem mobilisiert und trainiert. Auf Nachfrage erklärt ein Wissenschaftler des Konsortiums, dass für die Herstellung des Impfstamms die Wahl auf Mycoplasma pneumoniae fiel, da geplant ist, dieses Bakterium zum Grundstein für Impfstoffe gegen verschiedene Mycoplasma-Infektionen zu machen.
Die Idee, Impfstoffe mit Hilfe der synthetischen Biologie herzustellen, ist nicht komplett neu. Bereits im Jahr 2013 haben sich der Pharmakonzern Novartis und Wissenschaftler des J. Craig-Venter Institute darangemacht, einen Grippeimpfstoff zu konstruieren, indem sie die Virus-DNA im Labor herstellten. Ausgangspunkt waren dabei Gensequenzen aktuell relevanter Erreger und typischer Gene von Grippeviren. Sie benötigten dafür nur eine Woche – statt wie beim herkömmlichen Verfahren fünf, was im Fall einer Epidemie von entscheidendem Vorteil sein könnte.
Ein Jahr zuvor gelang es Forschern von Novartis gar, einen synthetischen Impfstoff auf der Grundlage von RNA-Molekülen zu entwickeln. Diese enthielten den Bauplan für Virusproteine, die für die Immunisierung besonders wichtig sind. Und nicht zuletzt tüfteln US-Wissenschaftler an einer Impfung gegen die sexuell übertragbaren Clamydien, für die sie mit Hilfe der synthetischen Biologie bestimmte Eiweißbestandteile der Bakterienhülle herstellen. So wollen sie Antigene produzieren, gegen die sie das Immunsystem scharfmachen möchten, die sich mit herkömmlichem Labormethoden aber nur schwer gewinnen lassen. Von den systembiologischen Ansätzen versprechen sich Wissenschaftler effektivere Impfungen, die sich zudem schneller herstellen lassen.
Doch noch braucht es eine Menge Forschungsarbeit, bis diese Methoden auch in die Klinik Einzug halten. Das gilt auch für die Entwicklungen im MycoSynVac-Projekt, zumal solche synthetisch hergestellten Impfstämme nicht nur funktionieren, sondern auch sicher sein müssen. Denn insbesondere die potenziellen Gefahren durch Missbrauch und Bioterrorismus werden im Zusammenhang mit der synthetischen Biologie heftig diskutiert. Davon und wie die Forscher des MycoSynVac-Konsortiums diese Sicherheitsfrage beantworten wollen, erwähnt der Film leider nichts. Aber vielleicht kann man das von einem Bad Guy à la MC Grease auch nicht erwarten. Spaß macht das Video allemal.
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