Lexikon der Biologie: alternativer Landbau
alternativer Landbau, biologischer Landbau, ökologischer Landbau, eine Form des Anbaus, bei dem die bekannten Umweltbelastungen (wie Grundwassergefährdung, Gewässer-Eutrophierung, Rückstände in Nahrungsmitteln) des konventionellen Landbaus vermieden werden sollen. Ein landwirtschaftlicher Betrieb (Landwirtschaft) wird also als ein Ökosystem mit geschlossenem Stoffkreislauf angesehen. Der Nährstoffentzug (Nährstoffbilanz) durch die Ernte wird ersetzt durch Gründüngung, Gaben von Stallmist, Kompost und organischen Düngern natürlicher Herkunft (synthetische Mineraldünger, anorganische Dünger, werden nicht verwendet). Bei der Tierhaltung sind Masthilfsmittel (Anabolika, Antibiotika) und synthetische Futterzusatzstoffe (außer Vitaminen) nicht zugelassen. Im Gegensatz zum integrierten Pflanzenschutz werden keine synthetisch-chemischen Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide, Pflanzenschutzmittel) eingesetzt. Die Bekämpfung von Unkraut (Herbizide, Ackerunkräuter, Unkräuter) erfolgt mechanisch, durch Abflämmen und geeigneten Fruchtwechsel. Pilzkrankheiten und tierische Schadformen werden durch folgende Maßnahmen bekämpft. 1) geeignete Mischkulturen: bestimmte Pflanzen wirken abwehrend gegen Schädlinge anderer Pflanzen (z. B. Zwiebel/Möhre, Schutz gegen Möhrenfliege; Kohl/Schnittsalat, Schutz gegen Erdflöhe; Tomaten/Kohl, Schutz gegen Kohlfliege); 2) Verwendung von Pflanzenpflegemitteln zur Stärkung der Kulturpflanzen; 3) biotechnische Schädlingsbekämpfung oder biologische Schädlingsbekämpfung zur Unterstützung der biologischen Regulation; 4) Schädlingsbekämpfungsmittel pflanzlicher Herkunft, die schnell abgebaut werden, z. B. Rainfarn, Wermut, Pyrethrum; sie sind allerdings Kontaktgifte wie die synthetisch-chemischen Mittel und können auch die Nützlinge angreifen. Zentrales Thema des alternativen Landbaus ist die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit.
Alternative Landbaumethoden. 1) Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise: begründet von R. Steiner 1924 in dem von ihm abgehaltenen landwirtschaftlichen Kursus bei Breslau – in einer Zeit, in der der synthetisch erzeugte Stickstoffdünger den Markt zu beeinflussen begann. Die Methode nimmt eine Sonderstellung ein, da sie im anthroposophischen Gedankengut Steiners verankert ist. Der Einfluß des Kosmos auf die Lebensvorgänge (Mondphasen und -stellung, Sonnenbahn) nimmt einen breiten Raum ein. Beratungsinstitution ist der Forschungsring für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise in Darmstadt. 2) Organisch-biologischer Landbau von Müller und Rusch, eine in der Schweiz nach dem 2. Weltkrieg entwickelte Methode ohne anthroposophisches Gedankengut, deren wissenschaftliche Grundlagen über die Bodenfruchtbarkeit von Rusch erarbeitet wurden. Im Unterschied zur biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise wird keine Mistkompostierung durchgeführt, der Mist wird in frischem Zustand als Bodenbedeckung ausgestreut. Die Gründüngung spielt eine entscheidende Rolle, jede entbehrliche Bodenbearbeitung soll unterbleiben, insbesondere tiefes Pflügen. Beratungsinstitution ist die Fördergemeinschaft organisch biologischer Landbau in Heiningen. 3) Arbeitsgemeinschaft für naturnahen Qualitätsanbau von Obst und Gemüse und Feldfruchtanbau (ANOG) von L. Fürst. Sie wurde mit spezieller Ausrichtung auf den Obst- und Gemüseanbau gegründet, hat aber inzwischen überwiegend Landwirte mit ackerbaulicher Ausrichtung als Mitglieder. Für besonders anfällige Kulturen sind gewisse Pestizide (z. B. Netzschwefel) zugelassen. 4) In Frankreich: Methode von C. Aubert. Das anthroposophische Gedankengut spielt keine Rolle. Aubert legt besonderen Wert auf die Bedeutung der standortgerechten Bodenbearbeitung und eine ausgewogene Fruchtfolge mit vielfachem Fruchtwechsel. Wichtig ist die Zufuhr organischer Stoffe, natürlicher, mineralischer Dünger sowie einiger Schädlingsbekämpfungsmittel, die im Notfall erlaubt sind. 5) In Großbritannien und USA: Howard-Balfour-Landbau. Charakteristisch sind spezielle Kompostierungsverfahren und längere Grünlandphasen innerhalb der Fruchtfolge. 6) In der Schweiz fördert seit über 50 Jahren die schweizerische Gesellschaft für biologischen Landbau den schadstofffreien Anbau.
Es wurden inzwischen weitere Ökolandbau-Organisationen mit teilweise spezieller Ausrichtung (z. B. Weinbau) gegründet. Heute wird der Begriff alternativer Landbau zunehmend durch die Begriffe ökologischer Landbau oder biologischer Landbau ersetzt. Durch steigende Nachfrage nach Produkten des ökologischen Landbaus hat sich ihr Angebot in den 80er Jahren in Deutschland verzehnfacht. Daraufhin haben sich die Ökolandbau-Verbände zur Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL), Darmstadt, zusammengeschlossen. Um die Angebots- und Begriffsvielfalt überschaubarer zu machen, wurde 1991 eine Verordnung zum ökologischen Landbau (vorläufig nur für pflanzliche Erzeugnisse) erlassen. Seitdem konnte sich der Anteil der ökologischen Anbaufläche weiter steigern. Auch in Österreich und der Schweiz hat sich die Anzahl biologisch wirtschaftender Betriebe vervielfacht. 1998 wurden 2% der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland (ca. 351 000 ha) ökologisch bewirtschaftet, wobei der prozentuale Anteil in den neuen Bundesländern sehr viel höher als in den alten liegt.
S.M./K.D.
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