Lexikon der Biologie: Flöhe
Flöhe, Siphonaptera, Aphaniptera, mit über 2000 Arten (davon etwa 70 in Mitteleuropa) weltweit verbreitete Ordnung der holometabolen Insekten (Holometabola), die wahrscheinlich mit den Zweiflüglern und/oder Schnabelfliegen näher verwandt sind. Die Flöhe leben ektoparasitisch (Ektoparasiten) als Blutsauger an Vögeln oder Säugetieren und werden je nach Art 2 bis 6 mm groß. Der ungeflügelte Körper der Imagines ist seitlich stark abgeflacht, gedrungen, die Körpersegmente überlappen sich gegenseitig. Die kurzen Fühler liegen in speziellen Gruben, auf jeder Kopfseite befindet sich an Stelle eines Komplexauges ein großes Linsenauge, oft fehlend. Am ganzen Körper sind artspezifisch ausgebildete, immer nach hinten gerichtete Borsten- und Stachelkämme verteilt, die zusammen mit den kräftigen, mit Klauen versehenen Beinen eine gute Haftung und schnelle Fortbewegung im Fell oder Federkleid des Wirtes ermöglichen. Verantwortlich für das gute Sprungvermögen der Flöhe ist die kräftig ausgebildete Muskulatur der Hüfte und Schenkel der Mittel- und besonders der Hinterbeine (Sprungbeine). Hier sind auch Reste der Flügelmuskulatur (Flugmuskeln) beteiligt. Durch einen besonderen Mechanismus – im Gelenkapparat des Metathorax als Reste des Flügelgelenkes befindet sich Resilin – sind Flöhe besonders effektive Springer. Das Sprungvermögen ist je nach Art und Wirtsfindung verschieden, einige Arten können bis 50 cm weit und 30 cm hoch springen. Zum Blutsaugen sind die Mundwerkzeuge ( ö vgl. Abb. 1 ) zu 3 Stechborsten umgebildet, die als (unpaarer) Hypopharynx und paarige Innenladen der Maxillen gedeutet werden. Die Haut wird mit dem Hypopharynx angebohrt und das Blut nach Injektion eines gerinnungshemmenden Stoffes in den Darm gesaugt. Bei der bis zu 3 Stunden dauernden Blutmahlzeit wird oft mehr Blut gesogen, als benötigt wird, so daß frisches Wirtsblut aus dem After ausgeschieden wird, das am Boden eintrocknet und dort den Larven als zusätzliche Nahrung dient. Bei Störung wird der Saugvorgang abgebrochen und meist unmittelbar daneben ein neuer Stich angebracht; daher liegen die juckenden, kleinen Flohstiche oft in Mehrzahl nebeneinander. Die ca. 0,5 mm großen Eier fallen auf den Boden, wo sich die gelblichen, ca. 5 mm langen, augen- und beinlosen Larven entwickeln. Die Entwicklungsdauer (über 3 Larvenstadien und eine Puppe; ö vgl. Abb. 2 ) ist je nach Art und Lebensbedingungen sehr unterschiedlich. Viele Arten können bis zu 12 Monaten hungern, besonders hungrige Flöhe sind bei der Wahl des Wirtes, der mit Geruchs-, Temperatur-, vor allem aber mit dem Tastsinn (Trichobothrien am Hinterleib) gefunden wird, nicht sehr wählerisch. Entscheidend für die Wirtsspezifität sind vielmehr die Lebensgewohnheiten des Wirtes, die die Voraussetzungen für die Larvalentwicklung schaffen. Die bedeutendste Familie der Flöhe sind die Pulicidae mit den Arten Menschenfloh (Pulex irritans; ö vgl. Abb. 2 ), Pestfloh(Xenopsylla cheopis), Hundefloh (Ctenocephalides canis; ö vgl. Abb. 2 ) undKatzenfloh (Ctenocephalides felis). Die beiden letzten Arten können auch auf Katze bzw. Hund vorkommen, beide belästigen zusammen mit dem Hühnerfloh (Ceratophyllus gallinae) auch für unterschiedliche Zeit den Menschen, speziell der Pestfloh hatte und hat beachtliche Bedeutung als Krankheitsüberträger beim Menschen; bedeutend sind sie auch als Zwischenwirt des Bandwurms Dipylidium caninum (Dipylidium), der im Hundedarm parasitiert. Der Fortpflanzungszyklus des Kaninchenflohs (Spilopsyllus cuniculi) ist eng an den Sexualzyklus des Wirtes gebunden, indem die Flöhe, bedingt durch die mit der Blutnahrung aufgenommenen Wirtshormone, nur auf trächtigen Kaninchen geschlechtsreif werden. Im Grad des Parasitismus weiter gegangen ist der ca. 1 mm große, erst im 19. Jahrhundert in tropischen Regionen weltweit verbreitete Sandfloh (Tunga penetrans; ö vgl. Abb. 1 ), der sich in dünne Hautstellen des Menschen und der Haustiere einbohrt, so daß nur noch der Hinterleib zu sehen ist, der im Laufe von Tagen zu erheblicher Größe heranwächst. Die Eier werden aus dem Hinterleib in Schüben herausgeschleudert. Fossil sind Flöhe der Gattung Palaeopsilla aus dem eozänen Bernstein (vor 50 Millionen Jahren) bekannt. Flügelreduktion, Fluginsekten, Hausfauna, Mundwerkzeuge (Abb.), Insekten II.
G.L./H.P.
Lit.:Peus, F.: Die Flöhe, Bau, Kennzeichen und Lebensweise. Leipzig 1938. Smit, F.G.A.M.: Siphonaptera. Handbooks for the identification of British insects. Vol.1, part 16. London 1957.
Flöhe
Abb. 1: 1a Kopf und b Mundwerkzeuge (Schnitt) des Hundeflohs (Ctenocephalides canis);2 Sandfloh (Tunga penetrans),a junges, b älteres vollgesogenes Weibchen (natürliche Größe etwa erbsengroß).
A Auge, E Epipharynx, K Kiefertaster, L Lippentaster, M Maxillarlobus, U Unterlippe
Flöhe
Abb. 2: 1 Menschenfloh (Pulex irritans),a Ei, b Larve, c Puppe, d Vollkerf; 2 Hundefloh (Ctenocephalides canis)
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.