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Paläobotanik: Blumige Rückschau

Die mehr als 33 Millionen Jahre alte, in Bernstein konservierte Blüte ist für sich genommen schon beeindruckend anzusehen. Neue Analysen haben nun gezeigt: Sie gehört zu einer anderen Familie als bisher gedacht.
Ein Fossil: die größte in Bernstein eingeschlosene Blüte, die der Fachwelt bekannt ist.

Größte in Bernstein konservierte Blüte

Es war einmal eine Blüte. Die wuchs vor mehr als 33 Millionen Jahren irgendwo im heutigen Baltikum und bekam – tropf – eine ordentliche Menge Harz ab. Sie überdauerte die Zeit eingeschlossen in Bernstein und wurde im Jahr 1872 von einem Wissenschaftler namens Robert Caspary eingehend untersucht. Anhand ihres Aussehens und anderer Merkmale beschloss er, dass es sich um die Art Stuartia kowalewskii innerhalb der Familie der Teestrauchgewächse (Theacaea) handeln müsse. Diese über eine lange Zeit nicht angezweifelte Einordnung des Fossils hat die Paläobotanikerin Eva-Maria Sadowski vom Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung nun revidiert. Wie sie im Fachmagazin »Scientific Reports« umfassend erläutert, handelt es sich vielmehr um eine Blüte aus der Familie der Süßblattgewächse (Symplocaceae).

Aufmerksam wurde Sadowski auf das Fossil, weil es – so zumindest das Ergebnis ihrer Recherche – die größte in Bernstein eingeschlossene Blüte ist, die der Fachwelt bekannt ist. Die Bernsteinplatte misst im Durchmesser 28 Millimeter. Dabei seien Blüteneinschlüsse insgesamt äußerst selten und überschritten in der Regel nicht die Größe von zehn Millimetern. »Nur ein bis drei Prozent aller Einschlüsse aus dem baltischen Bernstein des späten Eozäns sind pflanzlichen Ursprungs und meist sehr klein«, sagt die Wissenschaftlerin. Und ihr fiel noch eine weitere Besonderheit auf: Die Blüte wurde just in dem Moment vom Harz überrascht, als sich ihre Staubbeutel mit reifem Pollen öffneten. »Die Mikromorphologie von Pollenkörnern ist sehr spezifisch«, sagt Sadowski. Daher lasse er sich hervorragend dazu nutzen, Pflanzen zu bestimmen. Aufbewahrt wird das Stück in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover.

Mit einem feinen Skalpell und viel Fingerspitzengefühl schabte sie ein wenig des reifen Pollens vom Bernstein ab und analysierte das Material unter dem Rasterelektronenmikroskop – eine Methode, die Robert Caspary im 19. Jahrhundert selbstredend noch nicht zur Verfügung stand. »Zusammen mit der Palynologin Christa-Carlotte Hofmann von der Universität Wien kam ich dann schnell darauf, dass die Ähnlichkeit mit rezenten asiatischen Symplocos-Arten enorm ist.« Das Fossil sei damit der erste Nachweis von Exemplaren der Symplocaceae in baltischem Bernstein und belege die Verwandtschaft der baltischen Flora mit immergrünen Laub- und mesophytischen Mischwäldern des heutigen Ost- und Südostasien.

Im Fachartikel beschreibt Sadowski die Blüte folgendermaßen: Die Blütenblätter seien an der Basis zu einer ringförmigen Struktur verschmolzen. Die Außenseite des Rings sei mit wenigen langen, einfachen Trichomen bedeckt. Die Blüte habe zahlreiche Staubblätter, fast so lang wie die Blütenblätter, die in drei aufeinander folgenden Reihen angeordnet sind. Der Pollen sei perforiert und schuppig, meist dreispaltig, gelegentlich vierspaltig, mit kurzen Öffnungen. Die enorme Größe der Blumenkrone und ihre basale Verschmelzung mit einem Staubblattkranz deute auf eine Insektenbestäubung hin, wie sie für einige asiatische Vertreter der Symplocaceae bekannt ist. »Es ist wirklich spannend und erstaunlich, wie viele zusätzliche Informationen sich aus der Analyse der Pollenkörner ergeben haben«, sagt Eva-Maria Sadowski. »Die Morphologie der Blüte allein hätte für die Neubestimmung nicht ausgereicht.« Der neue Name lautet nun: Symplocos kowalewskii comb. nov. et emend.

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