: Das Klonen von Menschen
Seit der Geburt des Schafs Dolly im Jahr 1996 scheint das Klonen von Menschen für reproduktive Zwecke nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Manchen dubiosen Behauptungen zum Trotz wurden bislang allerdings noch keine menschlichen Klone hergestellt. Die einzigen "Klone", die existieren, sind auf natürlichem Weg entstandene eineiige Zwillinge. Zum Glück, denkt mancher, während andere enttäuscht auf das Ausbleiben der Fortschritte reagieren.
Das Erzeugen menschlicher Klone ist extrem schwierig. Dabei wird der Kern einer Eizelle durch den Zellkern eines anderen Individuums ersetzt. Die ersten geklonten menschlichen Embryos wuchsen allerdings nur bis zu kugeligen Zellhaufen, bis zum so genannten Morula-Stadium heran. Denn durch die Übertragung des Zellkerns wurde möglicherweise die Fähigkeit der Chromosomen beeinträchtigt, sich bei der Zellteilung korrekt anzuordnen. "Wenn man eine neue Art klont, gibt es immer erst einmal eine Lernkurve", sagt Robert Lanza von Advanced Cell Technology (Die neue Arche Noah von Robert Lanza und anderen, SdW 1/2001). Das Unternehmen in Worcester im US-Bundesstaat Massachusetts, hatte 2001 Schlagzeilen gemacht, als es erstmals menschliche Embryonen klonte. "Aber es ist sehr schwierig, genügend qualitativ gute menschliche Eizellen zu erhalten, an denen man das Verfahren studieren kann."
"Als würde man ein Baby mit einer Rakete ins All schießen"
Entscheidend ist, den richtigen Zeitpunkt und Chemikalienmix zu finden, um die Zelle passend umzuprogrammieren. Bei Tieren klappt das gelegentlich schon (Klonen für medizinische Zwecke, Artikel des Dolly-Forschers Ian Wilmut in SdW 4/1999). Doch trotz größten Bemühens kommt es bei 25 Prozent aller geklonten Tiere zu ganz offensichtlichen Problemen, sagt Lanza. Schon kleine Fehler bei der Umprogrammierung, Kultivierung und Handhabung des Embryos können bei diesem zu Fehlern in der Entwicklung führen. Der Versuch, einen Menschen zu klonen, wäre mit Lanzas Worten so gefährlich, "als würde man ein Baby mit einer Rakete ins All schießen, die mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit explodiert".
Die ethischen Probleme, die sich dabei stellen, würde aber auch eine narrensichere Technik nicht lösen. Dürften beispielsweise Menschen gegen ihren Willen geklont werden? Ein Klon könnte allerdings ein erfüllteres Leben als sein Original führen, sagt Molekularbiologe George M. Church von der Harvard Medical School in Boston, Massachusetts. Von dem könne er "einiges lernen. Wenn ich beispielsweise im Alter von 25 Jahren feststelle, dass ich ein extrem gutes musikalisches Gehör besitze, könnte ich meinem Doppelgänger sagen: Nimm möglichst früh Musikunterricht!"
"Reiche und Exzentriker" – werden sie die Pioniere sein?
Das Klonen von Menschen wäre nicht einmal auf Homo sapiens begrenzt. Selbst das Genom der Neandertaler haben Wissenschaftler am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie kürzlich sequenziert (Die Fahndung nach dem kleinen Unterschied, Porträt des MPI-Direktors Svante Pääbo in SdW 11/2008). Die DNA in fossilen Knochen ist zwar nicht mehr vollständig erhalten, in besonders gut konservierten Funden könnten sich unter Umständen jedoch genug Moleküle finden, um ein klonbares Genom zu erzeugen, meint Church.
Aber dann: Würde eine heutige Frau den Embryo austragen? Selbst wenn sich dazu jemand bereit erklärte, käme es zu Problemen, weil Uterus und Schwangerschaftsdauer womöglich nicht zu dem passen, was der Embryo eines Neandertalers benötigt. Bislang wurde nur ein einziges Mal ein ausgestorbenes Tier geklont: der Iberische Steinbock. Das letzte, verendete Exemplar war im Jahr 2000 in den Pyrenäen gefunden worden. Doch auch der Klon starb wenige Minuten nach der Geburt an einem Lungendefekt.
Ist das reproduktive Klonen von Menschen überhaupt erlaubt? In den USA ist es zumindest nicht in allen Bundesstaaten untersagt. Die Vereinten Nationen haben hingegen ein unverbindliches Verbot ausgesprochen, und in Deutschland ist es strafbar (Studie des Nationalen Ethikrats über das Klonen). Die ersten menschlichen Klone, so glaubt Lanza, werden – wenn es denn tatsächlich so weit kommt – "wohl in Ländern mit weniger restriktiven Gesetzen erzeugt". Vermutlich mit Unterstützung durch "einen reichen Exzentriker". Und was dann? Werden wir den Dammbruch als Katastrophe empfinden? Oder wird die Gesellschaft die neuen Möglichkeiten nach und nach akzeptieren, so wie sie heute auch die In-Vitro-Befruchtung akzeptiert? Wenn wir neue Wege entwickeln, Leben zu schaffen, zwingt uns dies sicherlich auch, über unsere Verantwortung neu nachzudenken.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben