Direkt zum Inhalt

Gute Frage: Schaden Pornos?

Nacktszenen sind im Internet nur wenige Klicks entfernt und auch für Minderjährige leicht zugänglich. Welche Folgen dies auf die Psyche hat, wird noch erforscht.
Blick von oben auf einen Mann, der sich auf einem Tablet einen Film anschaut mit der Warnung: Nur für Erwachsene!
Das Angebot im Internet für Pornos ist riesig und (zu) leicht auch für Minderjährige zu erreichen. Ob ihnen das dauerhaft schadet, muss noch geklärt werden.

Pornografie hat bei vielen Menschen nicht das beste Image. Um die leicht zugänglichen Sexvideos ranken sich eine Menge Befürchtungen: Schüren sie unrealistische Erwartungen? Senken sie die sexuelle Zufriedenheit? Machen sie abhängig oder fördern sie negative Einstellungen und sogar sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen? Mittlerweile wurden solche Fragen in einigen Studien untersucht. Diese zeigen zunächst, dass Mainstream-Pornografie selten ein realistisches Abbild von Sexualität zeichnet, etwa was die Art und Weise betrifft, wie es zu sexuellen Kontakten kommt, wie sie ablaufen und wie nackte Körper aussehen können.

Oft stehen Figuren im Vordergrund, die einem bestimmten Schönheitsideal entsprechen. Manche Daten sprechen zudem für eine geringere Zufriedenheit mit den eigenen Sexualpartnern bei Menschen, die häufig Pornografie nutzen. Andere Untersuchungen fanden hingegen keinen negativen Zusammenhang zwischen Pornos und dem Spaß am privaten Sex – oder sogar einen positiven: So sprechen Pornokonsumenten häufig offener über Sex und ihre Wünsche.

Allerdings kann der Konsum überhandnehmen oder außer Kontrolle geraten. Die Betroffenen schauen dann sehr oft Pornos, obwohl es ihnen damit nicht gut geht und ihr Verhältnis zu anderen Menschen darunter leidet. Fachleute sprechen hierbei von problematischer Pornografie-Nutzung oder auch -Abhängigkeit. Dafür gibt es heute verschiedene Therapieangebote.

In Mainstream-Pornos finden sich zudem häufig stereotype Geschlechterrollen, und Frauen werden darin nicht selten als unterwürfige Objekte männlicher Lust dargestellt. Wer Frauen eher als Sexualobjekt ansieht, hat im Schnitt sexistischere Einstellungen und akzeptiert Gewalt gegenüber Frauen eher. Wer gewalthaltige Pornografie konsumiert, neigt auch im echten Leben eher zu sexuell aggressivem Verhalten. Ob gewaltlose Pornografie ein stereotypes Frauenbild fördert, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Laut manchen Befunden sind Menschen, die Pornos schauen, im Schnitt weniger konservativ – was eher mit einer liberaleren Sicht auf Geschlechterrollen einhergeht.

Viele dieser Ergebnisse sind allerdings rein korrelativ; sie beschreiben also statistische Zusammenhänge, die keine Aussage darüber erlauben, ob der Pornokonsum zum Beispiel die sexuelle Unzufriedenheit oder das aggressive Verhalten verursacht oder ob sich Personen mit entsprechenden Neigungen einfach eher Pornos zuwenden. Wer einen gewalthaltigen Porno sieht, wird deshalb nicht zwangsläufig sexuell aggressiv, gleichwohl steigt statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit.

Wie sich Pornografie beim Einzelnen auswirkt, hängt von vielen Faktoren ab: Wie oft und in welchen Situationen wird der Pornokonsum gepflegt? Welche Persönlichkeit, welche Einstellungen und moralischen Überzeugungen bringt die betreffende Person mit? Und was genau wird in den präferierten Filmen gezeigt? Abseits des Mainstreams hat sich aber auch ein Pornografie-Genre entwickelt, das gegen die potenziellen negativen Auswirkungen von Pornografie aufbegehrt.

Die (queer-)feministische Pornografie, »Femporn« genannt, bricht traditionelle Geschlechterstereotype auf und zeigt unterschiedliche Körperformen und sexuelle Spielarten. Die Darstellenden sprechen offener über ihre Wünsche und konkreter über gegenseitiges Einvernehmen. Zudem wird häufiger Safer Sex mit Präservativen gezeigt. Dies erscheint insofern wichtig, als junge wie ältere Menschen Pornos oft als Informationsquelle nutzen. Die Pornos können Inspiration, aber auch Bestätigung der sexuellen Identität und persönlicher Vorlieben bieten – positive Auswirkungen, die besonders bei Femporn entstehen könnten. Die Forschung dazu steckt jedoch noch in den Kinderschuhen.

Pornos können vermutlich sowohl Negatives wie Sexismus und sexuelle Unzufriedenheit fördern als auch zur Aufklärung und zu besserer Kommunikation beitragen. Dafür ist Pornokonsum sicher nicht allein verantwortlich, er kann aber gewisse Einstellungen verstärken. In jedem Fall sollte man die eigene Nutzung hinterfragen: Wie fühle ich mich damit? Wie beeinflusst er mein Sexualverhalten und meine Partnerschaft(en)?

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

  • Quellen

Dwulit, A. D., Rzymski, P.: The potential associations of pornography use with sexual dysfunctions: An integrative literature review of observational studies. Journal of Clinical Medicine 8, 2019

Ferguson, C. J., Hartley, R. D.: Pornography and sexual aggression: Can meta-analysis find a link? Trauma,Violence, and Abuse 23, 2022

Fritz, N., Paul, B.: From orgasms to spanking: A content analysis of the agentic and objectifying sexual scripts in feminist, for women, and mainstream pornography. Sex Roles 77, 2017

Grubbs, J. B., Kraus, S. W.: Pornography use and psychological science: A call for consideration. Current Directions in Psychological Science 30, 2021

Hald, G. M. et al.: Pornography and sexist attitudes among heterosexuals. Journal of Communication 63, 2013

Klaassen, M. J. E., Peter, J.: Gender (in)equality in internet pornography: A content analysis of popular pornographic internet videos. The Journal of Sex Research 52, 2015

Kohut, T. et al.: Is pornography really about »Making hate to women«? Pornography users hold more gender egalitarian attitudes than nonusers in a representative American sample. Journal of Sex Research 53, 2016

Kohut, T. et al.: Pornography's associations with open sexual communication and relationship closeness vary as a function of dyadic patterns of pornography use within heterosexual relationships. Journal of Social and Personal Relationships 35, 2018

Litsou, K. et al.: Learning from pornography: Results of a mixed methods systematic review. Sex Education 21, 2021

Peter, J., Valkenburg, P. M.: Does exposure to sexually explicit Internet material increase body dissatisfaction? A longitudinal study. Computers in Human Behavior, 36, 2014

Schwarzer, A.: Pornografie ist geil. Emma, 1. September 2007

Taormino, T. et al. (Hg.): The feminist porn book. The politics of producing pleasure. The Feminist Press at CUNY, 2013

Tokunaga, R. S. et al.: Is pornography consumption a risk factor for condomless sex?. Human Communication Research 46, 2020

Willis, M. et al.: Sexual consent communication in best-selling pornography films: A content analysis. The Journal of Sex Research 57, 2020

World Health Organization: Compulsive sexual behaviour disorder. In: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems. 11.

Auflage 2019

Wright, P. J. et al.: A meta-analysis of pornography consumption and actual acts of sexual aggression in general population studies. Journal of Communication 66, 2016

Wright, P. J. et al.: Pornography consumption and satisfaction: A meta-analysis. Human Communication Research 43, 2017

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.