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Eulbergs tönende Tierwelt: Allen Unkenrufen zum Trotz

Abwehrende Hautsekrete machen sie ungenießbar, selbst Pfützen in vermeintlich zerstörter Natur dienen ihnen als Kinderstube – die Gelb- und die Rotbauchunken lassen sich so schnell nicht unterkriegen. Trotzdem sind sie vom Aussterben bedroht.
Zeichnung der Gelb- und der Rotbauchunke
Die Gelb- und die Rotbauchunke gehören zu den Pionierarten unserer heimischen Natur: Sie besiedeln neu entstehende und für sie günstige Lebensräume.
Wissen Sie, wie ein Siebenschläfer klingt? Oder ein Reh? Warum der Pirol auch Regenkatze genannt wird? Vermutlich nicht – obwohl all diese Lebewesen Teil unserer heimischen Fauna sind. In der Kolumne »Eulbergs tönende Tierwelt« stellt der Techno-Künstler, Ökologe und Naturschützer Dominik Eulberg faszinierende Exemplare aus der Tierwelt vor unserer Haustür vor.

Wie Krokodile im Wasser – so treiben die kleinen Gelbbauchunken (Bombina variegata) regungslos in den lehmigen Pfützen in einer Tongrube bei mir im Westerwald. Mit ausgestreckten Beinen lassen sie sich im Wasser »hängen« und dümpeln fast schon unverschämt lässig vor sich hin. Ich empfinde es als äußerst besinnlich, ihnen dabei kontemplativ zuzuschauen. Ihre herzförmigen Pupillen und ihre wohligen, im Chor vorgetragenen Lockrufe machen mich zutiefst glücklich. Sie sind einfach bezaubernd. Unken sind also ein wunderbares, kostenloses Therapeutikum!

Unken zählen zur »urtümlichen« Amphibienfamilie der Bombinatoridae und existieren bereits seit rund fünf Millionen Jahren. Die Art und Weise, mit der männliche Gelbbauchunken ihre harmonischen Paarungsrufe erzeugen, unterscheidet sich deutlich von der »moderner« Amphibien: Sie besitzen keine Schallblase; stattdessen dienen ihre Lungen als Schallinstrument. Zudem entsteht der Ruf beim Einatmen und nicht beim Ausatmen wie bei anderen Froschlurchen.

Die Rotbauchunke (Bombina bombina) hat einen lauteren und bassigeren Sound als die Gelbbauchunke, da sie ihren Körper vor dem Konzert regelrecht aufpumpt und durch zusätzliche innere Kehlblasen Luft in die Lungen presst. Menschen empfinden die Rufe beider Arten manchmal als melancholisch oder klagend. Im Sprachgebrauch wird daher eine pessimistische Äußerung als »Unkenruf« bezeichnet.

Da die Gelbbauchunke in Deutschland in Höhenlagen von bis zu 1000 Metern vorkommt, wird sie auch Bergunke genannt. Ihr Vorkommen beschränkt sich im Wesentlichen auf das Berg- und Hügelland Mittel- und Süddeutschlands. In Südosteuropa kann man sie sogar in über 2000 Metern antreffen. Die Rotbauchunke hingegen ist eine typische Flachlandbewohnerin. In Deutschland lebt sie nur im Nordostdeutschen Tiefland. Man nennt sie deshalb auch Tieflandunke. Unken können sehr alt werden, 15 Jahre, manche gar an die 30 Jahre.

Charakteristisch ist die namensstiftende gelb beziehungsweise rot gefärbte Unterseite der Unken. Sie ist bei jedem Tier anders, so dass – ähnlich wie beim menschlichen Fingerabdruck – die einzelnen Individuen gut unterschieden werden können. Die Färbung dient ihnen als Warntracht. Bei Bedrohung zeigen sie den »Unkenreflex«, auch »Kahnstellung« genannt: Sie drücken ihren Rücken zu einem extremen Hohlkreuz durch, verdrehen ihre Gliedmaßen und präsentieren dem Angreifer so ihre leuchtende Unterseite. Über Drüsen sondern sie zudem ein stark abwehrendes Hautsekret ab, das auch unsere Atemwege reizt und einen »Unkenschnupfen« hervorrufen kann. Auf Grund des Sekrets sind Unken daher äußerst unbekömmlich für Fressfeinde. Tiere, die einmal dieses unappetitliche Erlebnis am eigenen Leib verspürt haben, merken sich die Signalfarben und meiden sie zukünftig.

  • Die Gelb- und die Rotbauchunke

    Hier finden Sie alle wichtigen Eckdaten und Beobachtungstipps rund um die tönenden Amphibien.

  • Steckbrief

    Klasse: Amphibien

    Ordnung: Froschlurche

    Familie: Unken und Barbourfrösche

    Größe: 4 bis 6 Zentimeter beziehungsweise 4 bis 5,5

    Gewicht: 4 bis 12 Gramm

    Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 3

    Nachkommen pro Periode: durchschnittlich 40 beziehungsweise 120

    Höchstalter: 30 Jahre

    Bundesweiter Gefährdungsgrad (Rote Liste): stark gefährdet

    Volkstümlicher Name: Bergunke beziehungsweise Tieflandunke

  • Beobachtungstipps
    Die Gelb- und die Rotbauchunke kann man von April bis August an Klein- und Kleinstgewässern beobachten.
    Unkenreflex | Zu sehen ist eine Gelbbauchunke in Abwehrstellung. Sie zeigt ihre grellgelb gefärbte Unterseite und warnt Fressfeinde damit vor ihrem Hautsekret.

Gelbbauchunken benötigen für ihre Jungenaufzucht sonnenbeschienene Pioniergewässer wie Pfützen oder Tümpel – also Gewässer, die frei von Fressfeinden wie Libellenlarven oder Fischen sind. Jedes Jahr bedeutet diese Strategie einen Wettlauf gegen Austrocknung und somit das mögliche Sterben aller Kaulquappen. Dennoch scheint der fehlende Druck vor Fressfeinden überwiegend einen Vorteil für die Amphibien darzustellen.

Der Laich wird strategisch in verschiedenen Kleinstgewässern abgelegt, die bis zu einem Kilometer voneinander entfernt liegen können. Dadurch steigt die Chance, dass zumindest einige dieser Gewässer nicht vorzeitig austrocknen. Ausgiebige Regenfälle sind die Initialzündung für die Eiablage, damit die Jungen gute Startbedingungen haben. Um das Risiko zusätzlich zu verringern, erstreckt sich die Laichzeit von Ende April bis August. In drei Perioden legen die Gelbbauchunken jeweils durchschnittlich 40 Eier ab. So können Ausfälle durch temporäre Dürrephasen eventuell kompensiert werden.

Die Gelb- und die Rotbauchunke | Die Verbreitungsgrenze beider Arten ist in Norddeutschland die Elbe. Im Süden von Polen und in Österreich gibt es Mischpopulationen und stellenweise kleine Hybridzonen.

Solche Pioniergewässer fanden sie einst in Überschwemmungsräumen von Fließgewässern oder in Kuhlen, die durch hiesige Megaherbivoren verdichtet wurden. Doch wir zwängten die Flüsse in Betonkorsette, und unsere Vorfahren trugen maßgeblich zum Verschwinden der großen Pflanzenfresser wie Waldelefanten oder Auerochsen bei. Daher finden Unken in Deutschland meist nur noch Kinderstuben in Sekundärhabitaten. Also ironischerweise genau dort, wo der Mensch mit schweren Maschinen die »Natur« zerstört und den Boden stark verdichtet – etwa durch Panzer auf Truppenübungsplätzen, Holzerntemaschinen in Wäldern oder weitere massive Eingriffe in Tongruben oder Steinbrüchen.

Rotbauchunken besiedeln größere Gewässer, in denen auch Prädatoren leben können. Dafür legen sie jedoch dreimal so viele Eier. Außerdem sind ihre Kaulquappen dank größerem Flossensaum agiler und können Fressfeinden besser ausweichen. Dennoch: Wegen der Lebensraumverluste, Zerschneidung der Vorkommen und zunehmender Dürreperioden sind die Bestände beider Arten massiv geschrumpft und gelten nach der Roten Liste Deutschlands als stark gefährdet.

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