Freistetters Formelwelt: Die Fibonacci-Folge und ihre Familie
Der französische Mathematiker François Édouard Anatole Lucas hat mit dem 23. November eigentlich nichts zu tun. Er wurde an einem 4. April geboren und starb an einem 3. Oktober (in den Jahren 1842 und 1891). Aber eines der vielen Themenfelder, mit denen er sich beschäftigt hat, war die Zahlentheorie und insbesondere die Zahlenfolgen. Von ihm stammen auch diese heute als »Lucas-Folgen« bezeichneten Formeln:
Es handelt sich um eine rekursive Formel, die deswegen natürlich Startwerte benötigt. Es gilt folglich zusätzlich U0=0, U1=1, V0=2 und V1=P. Die Parameter P und Q kann man frei aus den ganzen Zahlen wählen. Setzen wir also zum Beispiel P=1 und Q=–1, um zu sehen, wie diese Lucas-Folgen funktionieren. Im Fall der Folge Un ist das recht simpel. Sie vereinfacht sich zu Un=Un–1 + Un–2, was nichts anderes ist als die berühmte Fibonacci-Reihe.
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Ausgehend von den Zahlen 0 und 1 ergibt sich jede weitere Zahl der Folge als Summe der beiden vorangehenden Zahlen: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, … Damit ist klar, was der 23. November mit Fibonacci und was beides mit Édouard Lucas zu tun hat. Ignoriert man die 0 am Anfang der Reihe, bilden die ersten vier Zahlen ein Datum, zumindest nach der amerikanischen Schreibweise: 11/23, den 23. November.
Die Lucas-Folgen haben aber noch mehr zu bieten. Schauen wir uns an, was mit Vn passiert, wenn P=1 und Q=–1 gesetzt werden. Dann erhalten wir dieselbe Rekursionsvorschrift wie bei Un, die Startwerte sind nun allerdings V0=2 und V1=1 und es ergibt sich die Zahlenfolge: 2, 1, 3, 4, 7, 11, 18, … Sie wird als »spezielle Lucas-Folge« oder oft (verwirrenderweise) ebenfalls als »Lucas-Folge« bezeichnet. Die Zahlen in dieser Folge nennt man »Lucas-Zahlen«, und natürlich kann man dann ebenso die in der Folge auftauchenden Primzahlen als »Lucas-Primzahlen« definieren. Wir sehen sofort, dass 2, 3, 7 und 11 Lucas-Primzahlen sind und man die Reihe lange fortsetzen kann. Überraschenderweise ist aber noch unbekannt, ob es unendlich viele Lucas-Primzahlen gibt oder nicht.
Unendliche Weiten
Das Interessante an Lucas’ Idee ist jedoch der verallgemeinerte Ansatz. Man kann genauso gut andere Werte für P und Q wählen und bekommt entsprechend andere Zahlenfolgen als Ergebnis. Für P=2 und Q=–1 wird Un zur »Pell-Folge«, bei der jede Zahl aus der Verdoppelung des Vorgängers und der Addition des Vorvorgängers gebildet wird. So wie die Fibonacci-Folge verwendet werden kann, um den berühmten goldenen Schnitt zu definieren, kann man mit der Pell-Folge einen »silbernen Schnitt« beschreiben.
Mit anderen Parametern ist es möglich, Tschebyschow-Polynome, Quadrat-Dreieckszahlen, Fibonacci-Polynome und eine Vielzahl an weiteren Zahlenfolgen zu definieren. Es macht Spaß, damit herumzuspielen – und Spaß an Spielen hatte offensichtlich Lucas selbst. Er war nicht nur der Erfinder des Spiels »Die Türme von Hanoi«, sondern hat auch das Spiel »Käsekästchen« entwickelt, das auf Englisch als »Dots and Boxes« bekannt ist. Dafür braucht man nur kariertes Papier, einen Stift und zwei Personen, die spielen wollen.
Wer an der Reihe ist, zieht einen Strich entlang der Karolinien. Wer es dabei schafft, bei einem Zug den letzten Strich zu ziehen, der ein Kästchen komplett umschließt, hat dieses Kästchen gewonnen und muss noch einmal ziehen. Wenn alle Linien gezogen sind, gewinnt die Person mit den meisten gewonnenen Kästchen. Man kann die Regeln natürlich variieren, auf Spielfeldern unterschiedlicher Größe und Form spielen, die Länge der Linien pro Zug verändern und so weiter. Das Spiel erlaubt erstaunlich komplexe Strategien, und auch wenn es vielleicht nicht mit modernen Videospielen mithalten kann, sollte man es auf jeden Fall einmal ausprobieren. Am besten gleich am 23. November!
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