Grams' Sprechstunde: Ist das etwa Werbung für Homöopathie?
Gefühlt in jedem Wochenblättchen, in jeder Programm-, leider auch in fast jeder Frauenzeitschrift prangt »gesundheitsbezogene« Werbung. So ganz genau wird da nicht immer unterschieden zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Co einerseits und Arzneimitteln andererseits. Und anstrengend kann das Marktschreierische werden, gern flankiert von prominenten Werbebotschaftern und »Experten«. Wenn es doch nur dabei bliebe!
Gerade die Homöopathie ist immer und immer wieder Anlass für einen »redaktionellen« Beitrag mancher Publikation, der dann das ewige Lied von der sanften, nebenwirkungsfreien Medizin säuselt und sich Mühe gibt, Scheinexpertise zu verbreiten. Appelliert wird dabei gerne an Frauen. Natürlich: Sie sind ja nach wie vor meist für »Family Care« zuständig und treffen somit viele Gesundheitsentscheidungen für ihre Nächsten. Vor einiger Zeit erschien so ein Beitrag in einem Eltern-und-Kind-Blättchen, das sogar in Apotheken auslag: Hier »widerlegten« »Experten« der Homöopathie angebliche »Vorurteile« gegen die Homöopathie, die vermeintlich die »falschen Argumente« der Kritiker repräsentieren sollten. Ein hübscher Trick, Fakten »Vorurteile« zu nennen und gleichzeitig wissenschaftlich nicht Haltbares als »Fakten« zu präsentieren!
Aktuell veröffentlichte das bekannte Magazin »Eltern« aus dem Hause Gruner+Jahr erneut eine Strecke zur Homöopathie mit allerlei Anwendungstipps. Ist Ihr Baby unruhig und zornig und beunruhigt sich beim Herumtragen? Chamomilla! Hat es plötzlich auftretendes heftiges Fieber? Belladonna! Klar.
Wie ist eigentlich der rechtliche Rahmen für solche »Empfehlungen« gesetzt? Geregelt wird Werbung für Arzneimittel im Heilmittelwerbegesetz. Dabei können wir die Werbung für verschreibungspflichtige Mittel erst mal ausklammern; diese ist gegenüber Nichtfachkreisen, sprich Patientinnen und Patienten, verboten und selbst gegenüber Fachkreisen sehr strikt geregelt. Der wesentliche Punkt bei der Werbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ist, dass hier keine Heilungsversprechen gemacht werden dürfen. Dabei gibt's schon öfter mal Gerangel vor Gericht, denn der Verbraucher- und Patientenschützer mag durchaus ein Heilungsversprechen erkennen, wo der Hersteller ganz anderer Ansicht ist.
Homöopathische Zubereitungen erlangen – leider – auf sehr, sehr fragwürdige Weise und ohne wissenschaftlichen Wirkungsnachweis die Einstufung als Arzneimittel. Für sie gelten allerdings weitere Einschränkungen: »Registrierte« Homöopathika (darunter fallen etwa zwei Drittel aller auf dem Markt befindlichen Mittel dieser Art) dürfen nicht mit Indikationsangaben beworben werden. Das bedeutet: Nicht erlaubt sind Produktanzeigen, die verlautbaren, dass »Nux vomica D12« erstklassig gegen Übelkeit oder »Pulsatilla D6« gegen Schwäche helfen würde. Wohlgemerkt: Das gilt im Rahmen von Werbung! Wenn sich eine Redaktion entschließt, einen Artikel – etwa in »Eltern« – über Homöopathie und ihre Mittelchen zu verfassen, und darin »traditionelle« Anwendungsbereiche nennt, dabei Produktnamen vermeidet und außerdem »passende« Anzeigen nicht nahe bei diesen Texten platziert (was schon gerügt wurde), dann mag dagegen juristisch vielleicht nicht viel einzuwenden sein.
Ich gestehe aber: Mich beschleicht bei solchen redaktionellen Beiträgen immer das Gefühl, dass hier Redaktionen tun, was den Herstellern verwehrt ist. Dienen sie nicht dem Verbraucher gängige (oder auch nicht so gängige) Homöopathika für die Selbstmedikation mit Anwendungsgebieten an? Wäre es so, dann dürfte es den Herstellern hochwillkommen sein.
Tatsächlich wurden in der Vergangenheit schon Fälle publik, wo redaktionelle Zutaten und »werbliche Infosurrogate« zu einer nicht mehr trennbaren Melange zusammenflossen. Natürlich rein zufällig. Reiner Zufall natürlich auch, dass Nachfragen von medienkritischen Portalen zu eventuell dahinterstehenden Kooperationen allenfalls ausweichend beantwortet wurden. Ich selbst habe auch schon erlebt, dass ein Interview mit mir zurückgezogen wurde, weil die Redaktion – ob meiner kritischen Haltung – Stress mit Herstellern bekam, die nicht genannt werden dürfen. So viel zur Trennung von redaktionellem Inhalt und Anzeigen.
Ich will keinesfalls jedem blümchengeschmückten Homöopathie-Artikel in irgendeinem Blättchen etwas unterstellen. Und klar ist: Direkte Werbung für Homöopathika außerhalb sachlich unhaltbarer, mit Testimonials geschmückter Artikel gefällt mir auch nicht so doll. Die eingangs erwähnten Wochenblättchen tun sich da mit immer neuen, meist gar nicht so neuen Wundermittelchen hervor, die gegen Diabetes, rheumatische Erkrankungen und noch viel mehr »hilfreich sein können«, wie man sich dort mit Rücksicht auf das Heilmittelwerbegesetz ausdrückt. Oft handelt es sich dabei sogar um zugelassene Homöopathika; solche, die aus mehreren einschlägigen Bestandteilen zusammengesetzt sind. Allerdings geschieht die »homöopathische Zulassung« ebenfalls nicht nach wissenschaftlichen Maßstäben, sondern im Einvernehmen mit Homöopathie-Denkmustern, toleriert und abgesegnet von der Kommission D des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.
Typische Merkmale solcher Werbungen sind meist irreführende Angaben über »wissenschaftliche Beweise und Studien«. Oft wird schlicht fast ganz unsichtbar gemacht, dass es sich um ein homöopathisches Produkt handelt. Die sehr empfehlenswerte Publikation »Gute Pillen – schlechte Pillen – Werbung aufgepasst!« greift immer wieder genau solche Letzte-Seite-Anzeigen aus Werbeblättchen auf.
Zusammengefasst: Der Gesetzgeber hat zumindest für nur registrierte Homöopathika Werbung mit Anwendungsgebieten untersagt. Nach einem einschlägigen Urteil gilt das ebenso innerhalb von Fachkreisen. Der Gesetzgeber will ein ungerechtfertigtes Vertrauen in einfache Homöopathika, die zur Selbstbehandlung eingesetzt werden, nicht aufkommen lassen. Mein Vorschlag: Denken Sie daran, beim nächsten »redaktionellen« Artikel, der Homöopathie lobpreist und gleich noch Anwendungstipps gibt, welchen Interessen die Bemühungen der Redaktion eigentlich dienen. Das wäre mir letztlich eigentlich auch gleichgültig. Mich ärgert jedoch, dass so gerade junge Eltern noch immer verunsichert werden. Schließlich steht doch »überall«, wie toll die Zuckerperlchen XY angeblich wirken, nicht? Wie soll man dann darauf kommen, dass sie es nicht über den Placeboeffekt hinaus tun?
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