Beagle 2: Meinung: Suche nach verschollenen Sonden bringt wenig
Colin Pillinger hätte den vergangenen Freitag sicher gerne erlebt. Schon seit Tagen orakelten die BBC und englische Zeitungen um die Wette. Die Universität im mittelenglischen Leicester habe eine Pressekonferenz angekündigt, die britischen Planetologen endlich Gewissheit bringen könnte. Gewissheit über Beagle 2. Denn scharfe Kameraaugen der NASA hätten die Überreste der britischen Marssonde gefunden.
Beagle 2 war im Jahr 2003 huckepack mit dem ESA-Flaggschiff Mars Express gestartet – und auf dem Weg zur Oberfläche des Roten Planeten ohne eine Nachricht verschollen. Über die Gründe des Absturzes gab es viele Mutmaßungen: Die Sonde sei schon vorher beschädigt gewesen, beim Atmosphäreneintritt verbrannt oder gar von der Lufthülle abgeprallt. Viele hatten sie schon zuvor mit gerade einmal 60 Millionen Euro als schlicht zu billig angesehen, um eine komplexe Planetenlandung heil überstehen zu können. Der Verlust von Beagle 2 hinterließ entsprechend einen Kratzer im Nationalstolz vieler Briten – und in der wissenschaftlichen Ehre von Colin Pillinger, der treibenden Kraft hinter der Mission. Der Planetologe verstarb im Mai 2014.
Das Interesse an solch verschollenem Gerät ist weit verbreitet: Vergangenes Jahr versuchten US-Enthusiasten das 35 Jahre alte Sondenfossil ISEE-3 zurück zur Erde zu bringen. Es gelang ihnen zwar, dafür 160 000 US-Dollar an Spenden zu sammeln – ihr Vorhaben scheiterte aber an den uralten Triebwerken. Die NASA-Sonde Lunar Reconnaissance Orbiter mit ihrer hochgenauen Kamera machte erst weltweit Schlagzeilen, als sie vier Jahrzehnte nach der ersten Mondlandung die Spuren von Neil Armstrong und Edwin Aldrin im Meer der Ruhe ablichtete. Und flog dem Kometenhüpfer Philae im vergangenen November nicht zuletzt dadurch globale Sympathie zu, dass er an einem bis heute unbekannten Ort liegen blieb und dort elendig erfror?
Keine langweiligen Blechkisten
Es scheint, als seien Raumsonden gar keine langweiligen Blechkisten. Es sind Botschafter von der Erde, die uns Nachrichten aus den kalten und unwirtlichen Regionen des Sonnensystems liefern. Was sehen wir auf dem rostroten Mars, dessen planetenweit verteilte Dünen den Blick verschwimmen lassen? Wird der Planet nicht erst dann lebendig, wenn sich Rover Spirit, wie 2009 passiert, in einer solchen Düne festfährt, während sich sein unermüdlicher Kompagnon "Oppy" Opportunity über zehn Jahre lang wacker durchschlägt? Natürlich sind Kometen Boten aus der Urzeit des Sonnensystems, die uns viel über den Ursprung der Erde aus der Urwolke verraten. Aber Komet Tschurjumow-Gerasimenko ist für unsere Augen doch fremd, weil wir seine Landschaften mit nichts Bekanntem vergleichen dürfen. Sie werden erst verständlich, wenn der gerade waschmaschinengroße Philae darüberschwebt – und wir uns seine unbeholfenen und ungewollten Sprünge vorstellen.
Philae wurde bis heute nicht gefunden. Vielleicht entdecken Forscher in Jahren einen winzigen Punkt auf alten Aufnahmen der Kamera – aber wofür? Der britische Marslander Beagle 2 ist jedenfalls seit einem Jahrzehnt eingefroren. Vielleicht 40 Pixel groß ist er auf den neuen Bildern der US-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter. Nur zwei der vier pizzagroßen Solarzellen haben sich geöffnet. Die britische Raumfahrtagentur kann daraus immerhin eines ableiten: Nun sei klar, dass die Landung zwar klappte, aber die unter den restlichen Zellen verborgene Antenne nie auf die Erde gerichtet wurde. Beagle 2 ist nicht zerschellt, sondern vereinsamt, weil er nie nach Hause telefonieren durfte.
Der wissenschaftliche Nutzen solcher posthum gesichteten Sondengräber ist dennoch gering. 40 Pixel auf ebenso verpixeltem Marsstaub verraten deshalb weit mehr über uns als über ein verunglücktes Raumfahrzeug. Es ist das Gefühl, dass der Mensch seine planetare Umgebung berührt hat. Es ist das Gefühl, die gewaltigen Räume durchschreiten zu können, um irgendwo auf einer fernen Welt etwas Menschengemachtes zu hinterlassen. Und sei es eine langweilige Blechkiste.
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