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Klimawandel: Retten Bäume das Weltklima?

Können neue Wälder den Klimawandel bremsen? Eine Studie weckt diese Hoffnung. Doch sie greift zu kurz. Bäume allein reichen nicht, kommentiert Klimaforscher Stefan Rahmstorf.
Urwald

Eine Studie von Forschern der ETH Zürich sorgt weltweit für Schlagzeilen. Es geht darin um Bäume. Die Forscher um Jean-Francois Bastin hatten sich die Frage gestellt, wie viel Kohlenstoff wir speichern könnten, wenn wir überall dort auf der Welt Bäume pflanzen, wo das Land nicht schon für Ackerbau oder Städte genutzt wird. Da die Blätter der Bäume diesen Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid aus der Luft ziehen und dann den Sauerstoff wieder frei geben, wäre das eine tolle Klimaschutzmaßnahme. Die Forscher kamen auf 200 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die wir dadurch der Atmosphäre entziehen könnten, vorausgesetzt wir pflanzten über 1000 Milliarden Bäume.

Der Knalleffekt der neuen Studie beruhte vor allem auf der Aussage der Pressemitteilung der ETH, Bäume könnten damit zwei Drittel der bisherigen menschengemachten CO2-Belastung ausgleichen. Die Folgen von über zwei Jahrhunderten industrieller Entwicklung mit einer derart simplen und wenig kontroversen Maßnahme zum größten Teil ausgleichen zu können – das klingt wie ein Wunschtraum! Und natürlich wurde sie umgehend begrüßt von jenen, die von Klimaschutz träumen, der niemandem weh tut.

Stefan Rahmstorf | Stefan Rahmstorf ist Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor an der Universität Potsdam. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Klimaänderungen in der Erdgeschichte und der Rolle der Ozeane im Klimawandel.

Leider ist sie auch zu schön, um wahr zu sein. Denn dabei werden Äpfel mit Birnen verglichen und wichtige Rückkopplungen im Erdsystem vergessen. Mit ein paar Grundfakten zum CO2-Anstieg in unserer Atmosphäre ist das leicht zu verstehen. Die Menschheit pustet derzeit jährlich 11 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (Gigatonnen C, abgekürzt GtC) in Form von CO2 in die Luft – Tendenz steigend. Diese 11 GtC entsprechen 40 Gigatonnen CO2, weil das CO2-Molekül 3,7-mal schwerer ist als nur das C-Atom. Seit dem Jahr 1850 waren es insgesamt 640 GtC – davon etwas weniger als ein Drittel durch Landnutzung (meist Abholzung), 67 Prozent durch fossile Energienutzung und zwei Prozent sonstige Quellen. All diese Zahlen stammen vom Global Carbon Project, einem internationalen Forscherkonsortium, das sich dem Monitoring von Treibhausgasen widmet.

Dadurch stieg der CO2-Gehalt seit Mitte des 19. Jahrhunderts in unserer Luft um die Hälfte an und liegt damit so hoch wie seit mindestens drei Millionen Jahren nicht mehr. Das ist der Hauptgrund der fortschreitenden Erderwärmung; der Treibhauseffekt von CO2 ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt, physikalisch verstanden und in der Wissenschaft völlig unumstritten.

Natürliche Senken

Dabei entspricht dieser Anstieg sogar nur einer Gesamtmenge von knapp 300 GtC, obwohl wir 640 GtC emittiert haben. Zum Glück ist also weniger als die Hälfte unserer Emissionen in der Luft geblieben, der Rest wurde von Ozeanen und Wäldern aufgenommen. Was nebenbei auch ein Beleg dafür ist, dass der CO2-Anstieg in der Atmosphäre komplett vom Menschen verursacht wurde. Das zusätzliche CO2 kommt nicht etwa aus dem Ozean oder aus anderen natürlichen Quellen wie Vulkanen. Das Gegenteil stimmt: Das natürliche Erdsystem zieht einen Teil unserer CO2-Belastung wieder aus der Atmosphäre heraus.

Umgekehrt bedeutet das aber auch: Wenn wir 200 GtC aus der Atmosphäre herausholen, dann nimmt die Menge in der Atmosphäre nicht um 200 GtC ab, sondern um deutlich weniger, weil Ozeane und Wälder das ebenfalls abpuffern. Auch dies wurde in der Fachliteratur schon genauer untersucht. Sinnvoller ist es daher, die CO2-Aufnahme von gepflanzten Bäumen als »negative Emission« zu betrachten und mit unseren sonstigen Emissionen zu vergleichen. Die 200 GtC wären weniger als ein Drittel der 640 GtC Gesamtemissionen, nicht zwei Drittel. Und die Autoren der neuen Studie sprechen davon, dass es 50 bis 100 Jahre dauern würde, bis die 1000 Milliarden Bäume 200 GtC gespeichert haben – im Schnitt wären das also 2 bis 4 GtC pro Jahr, um die unser derzeitiger Ausstoß von 11 GtC jährlich reduziert würde. Also um rund ein Fünftel bis ein Drittel – und dieser Anteil wird kleiner, wenn die Emissionen weiter wachsen. Das klingt schon ganz anders als die Aussicht, gleich zwei Drittel des Klimaproblems mit Bäumen zu lösen. Und gerade weil Aufforsten sehr lange dauert, sollte es tabu sein, heute noch alte ausgewachsene Wälder wie den Hambacher Wald oder Amazonien abzuholzen, die große Kohlenstoffspeicher und eine wertvolle Schatzkammer der biologischen Vielfalt sind.

Dazu kommt noch ein Problem, das die Autoren nicht erwähnen: Ein erheblicher Teil des für die Pflanzung in Frage kommenden Landes liegt im hohen Norden in Alaska, Kanada, Finnland und Sibirien. Dort kann man zwar auch mit Bäumen Kohlenstoff speichern, wenngleich sehr langsam – aber für das Klima wäre das sogar kontraproduktiv. Denn in schneereichen Gegenden sind Wälder viel dunkler als schneebedeckte unbewaldete Flächen. Während Letztere viel Sonnenstrahlung ins All zurückspiegeln, nehmen die Wälder sie auf und heizen damit netto die Erwärmung an, statt sie zu reduzieren. Eine verstärkte Erwärmung gerade der arktischen Permafrostgebiete wäre alles andere als ratsam, denn im gefrorenen Boden schlummert mehr Kohlenstoff als in allen Bäumen der Erde zusammen – rund 1400 GtC. Diesen schlafenden Riesen sollten wir keinesfalls wecken.

Welche freien Flächen?

Und es gibt noch weitere Fragezeichen. Die Forscher haben auf hoch aufgelösten Satellitenkarten mit Hilfe von Google Earth analysiert, wo es geeigneten Platz für Wald gibt, auf dem derzeit keiner wächst, und dabei Ackerland und Städte ausgespart. Mit Hilfe von Machine-Learning-Technologie wurden naturbelassene Flächen weltweit daraufhin ausgewertet, unter welchen Klima- und Bodenbedingungen Wald gedeihen kann. Die so gefundenen freien und geeigneten Landflächen belaufen sich auf 1,8 Milliarden Hektar – so viel wie die Fläche von China und den USA zusammen.

Bei vielen dieser Flächen dürfte es aber gute Gründe geben, warum dort kein Wald steht. Oft handelt es sich einfach um Weideflächen – dem entgegnen die Autoren, dass sie dort nur einen losen Baumbesatz angenommen haben, der für die Weidetiere sogar förderlich sein könnte. Das norddeutsche oder irische Weideland würde dann eher einer Savanne ähneln. Dennoch dürfte es auf vielen dieser Flächen erhebliche Hindernisse ganz unterschiedlicher Art geben, die aus der Vogelperspektive der Satelliten nicht ersichtlich sind. Auch die Autoren der Studie schreiben, dass es unklar ist, wie viel der gefundenen Flächen tatsächlich für Pflanzungen verfügbar wären.

Daher halte ich es noch für optimistisch, wenn auch nur die Hälfte des berechneten theoretischen Potenzials in der Praxis realisierbar ist. Dann sprechen wir von ein bis zwei GtC negativen Emissionen pro Jahr. Aber gerade die werden wir demnächst dringend brauchen. Denn die jetzigen globalen CO2-Emissionen können zwar durch Energie-, Wärme- und Mobilitätswende um 80 bis 90 Prozent verringert werden – doch es wird ein Rest bleiben, den wir nicht wegbekommen (etwa aus der Landwirtschaft, industriellen Prozessen und Fernflügen) und den wir ausgleichen müssen, um das Weltklima zu stabilisieren.

Und die Studie der ETH-Forscher hat noch ein weiteres wichtiges Ergebnis, über das kaum berichtet wurde. Ohne effektiven Klimaschutz wird die fortschreitende Erwärmung zu einem massiven Verlust von existierendem Waldbestand führen, vor allem in den Tropen. Dabei können die Modelle bisher keine belastbaren Aussagen dazu machen, wie Wälder in einem sich ändernden Klima mit neuen Extremen, Feuer, tauendem Permafrost, Insekten, Pilzen und Krankheiten zurechtkommen.

Das massive Pflanzen von Bäumen weltweit ist also ein Projekt, das wir rasch anpacken sollten – nicht mit Monokulturen, sondern sorgfältig, naturnah und nachhaltig. Nur darf man sich keinen Wunschträumen darüber hingeben, wie viele Milliarden Tonnen das bringen wird. Und schon gar nicht der Illusion, man könnte sich deshalb beim Ausstieg aus der fossilen Energienutzung mehr Zeit lassen. Im Gegenteil – wir brauchen das rasche Ende der fossilen Energienutzung gerade auch deshalb, um die vorhandenen Wälder der Erde zu bewahren.

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