Die fabelhafte Welt der Mathematik: Einparken leicht gemacht
Ich gestehe es nur ungern, doch auch ich hatte schon Probleme beim Einparken. Gerade wenn man in einer Stadt wohnt, kann die Suche nach einem Parkplatz eine Qual sein, die Lücken wirken oft viel zu klein für das eigene Auto. Aber stimmt das überhaupt? Wie groß muss eine Parklücke mindestens sein, damit man hineinpasst? Die Mathematik liefert eine Antwort auf diese Frage: Solange die Lücke nur ein klitzekleines bisschen länger ist als das eigene Fahrzeug, kann man sich durch geschicktes Vor- und Zurückfahren hineinmanövrieren. Das kann unter Umständen allerdings mit viel Mühe – und sehr viel Schweiß verbunden sein.
Häufig fehlt mir die Geduld, den Wagen in eine winzige Lücke hineinzuzwängen und dabei immer wieder vor- und zurückjuckeln zu müssen, bis ich gut genug stehe. Am liebsten würde ich elegant in einem Zug einparken: Rückwärtsgang rein, in einer schönen Kurve in die Lücke fahren und dann noch kurz ein Stück gerade nach vorne rücken, damit der Wagen mittig platziert ist. In diesem Fall muss die Parklücke natürlich ein ganzes Stück länger sein als das eigene Auto. Aber wie groß muss sie für ein solches Manöver mindestens sein? Erstaunlicherweise hängt die minimale Distanz nicht von der Breite des eigenen Fahrzeugs ab – auch wenn sicherlich jeder das Gefühl kennt, mit einem breiteren Auto weniger leicht einparken zu können.
Möglichst elegant einparken
Das Problem der kleinstmöglichen Parklücke für ein perfektes Manöver lässt sich mit ein wenig einfacher Geometrie lösen. Am besten ist es dafür, am Endpunkt zu starten und den Ablauf rückwärts zu betrachten: Angenommen, man hat bereits perfekt zwischen zwei Autos eingeparkt und möchte aus der Lücke herausfahren. Dafür setzt man zuerst den Rückwärtsgang und fährt in gerader Linie bis direkt an das hintere Fahrzeug heran. Dann schaltet man in den ersten Gang, schlägt das Lenkrad vollständig nach links ein und verlässt die Lücke. Im extremsten Fall würde man das vordere Fahrzeug dabei gerade so nicht streifen.
Damit ist man mit einem geometrischen Problem konfrontiert: Man möchte die pinke Strecke c aus der Abbildung berechnen. Dafür muss man zunächst den Spurkreis seines Fahrzeugs kennen (hier gestrichelt eingezeichnet). Dessen Radius r entspricht der Distanz zwischen dem Mittelpunkt M des Kreises und dem rechten Vorderreifen E. Auch der Radstand l (Abstand zwischen Vorder- und Hinterachse) unseres Fahrzeugs spielt dabei eine Rolle: Damit lässt sich der Satz des Pythagoras nutzen, um daraus die Distanz zwischen dem Mittelpunkt M des Spurkreises und dem rechten Hinterrad F zu berechnen: MF = √(r2−l2).
Damit kann man nun – ebenfalls mit dem Satz des Pythagoras – den Abstand (grüne Linie) zwischen dem Mittelpunkt M und dem rechten oberen Ende des Autos A berechnen. Dafür muss man den vorderen Überhang k (Abstand zwischen Vorderrad und vorderem Ende der Karosserie) des Fahrzeugs kennen. Dann ergibt sich: MA = √(MF2 + (k+l)2) = √(r2−l2 + (k+l)2). Diese Länge entspricht dem Radius des durchgezogenen Kreises und damit auch der Distanz von der äußersten hinteren Ecke G des vor uns befindlichen Autos zum Mittelpunkt M.
Nun sind wir nur noch zwei Schritte davon entfernt, die gesuchte Länge c zu bestimmen. Zuerst muss man von G aus eine parallel zum Bordstein verlaufende Linie bis MF ziehen. Den Schnittpunkt zwischen beiden Geraden nennen wir K.
Da das obere Auto nicht unbedingt so breit ist wie unseres, muss K nicht notwendigerweise mit unserem linken Hinterrad zusammentreffen. Wenn man nun die Länge GK berechnet, dann lässt sich daraus mit allen Größen, die wir bereits kennen, die kleinstmögliche Distanz c berechnen. GK = √(MG2−MK2) = √(MA2−MK2). Nun ist MK gerade die Distanz MF abzüglich der Breite b des vor uns befindlichen Wagens: MK = MF−b. Setzt man nun alle bereits bekannten Größen ein, ergibt sich folgende Formel: GK = √(r2−l2 + (k+l)2−(√(r2−l2)−b)2). Wenn man von dieser nun noch l und k abzieht, erhält man die gesuchte Länge c:
\[ c = \sqrt{(r^2 – l^2) + (k+l)^2 – (\sqrt{r^2-l^2}-b)^2} – l -k \]
Jetzt haben wir eine griffige Formel, um die kleinstmögliche Parklücke aufzuspüren, in die man in einem Zug mit einem Auto einparken kann. Alles, was man dafür braucht, sind ein paar Kenngrößen des eigenen Fahrzeugs sowie die Breite des Autos, hinter dem man parken möchte. Wenn ich zum Beispiel mit meinem ersten eigenen Wagen, einem VW Golf II Baujahr 1990, hinter einem anderen 2er-Golf parken möchte, brauche ich folgende Angaben: Der Spurkreisdurchmesser beträgt etwa 10,5 Meter, damit ist r = 5,25 Meter. Der Radstand l beträgt etwa 2,5 Meter, der vordere Überhang k zirka 0,88 Meter, die Breite b ungefähr 1,68 Meter und die Gesamtlänge des Wagens rund 4 Meter. Setzt man diese Zahlen in die Formel ein, ergibt das c = 1,53 Meter – die Lücke muss also gut eineinhalb Meter größer sein als das eigene Fahrzeug. Damit muss der Abstand zwischen zwei Wagen mindestens 5,53 Meter betragen, damit ein 2er-Golf in einem Zug hineinpasst. Möchte man hingegen hinter einem Hummer H1 mit einer Breite von 2,2 Metern parken, braucht es schon eine zirka 30 Zentimeter größere Lücke.
Wie fährt man in eine winzige Lücke?
Nun haben einige Personen aber Spaß an der Herausforderung: Sie wollen nicht elegant in einem Zug einparken, sondern sich in eine möglichst kleine Parklücke zwängen. Auch dafür bietet die Mathematik eine Lösung. Es lässt sich sogar formal beweisen, dass man (zumindest rein theoretisch) in jede noch so kleine Lücke einparken kann, solange sie länger ist als das Fahrzeug – unabhängig davon, wie viel länger sie ist: Es können 30 Zentimeter sein oder bloß ein Nanometer. Grundvoraussetzung ist dabei nur, dass man das Auto beliebig genau steuern kann.
Wie schafft man es, mit möglichst wenigen Wendemanövern in eine Parklücke bestimmter Länge hereinzukommen? Um dieses Problem zu lösen, kann man zunächst das vorherige Ergebnis heranziehen. Denn im ersten Schritt kann man gleich vorgehen: möglichst an dem vorderen Fahrzeug vorbeiziehen, um so weit wie möglich in die Lücke vorzudringen. Dafür kann man die zuvor hergeleitete Formel nutzen – anstatt aber die Lückengröße c auszurechnen, kann man nun die Gleichung nach b auflösen. b entspricht in diesem Fall nicht mehr der Breite des vorderen Fahrzeugs, sondern der maximalen Distanz, mit der man sich durch ein Manöver nach rechts bewegen kann.
Wenn das geschafft ist, befindet man sich schon mal in der Lücke, wenn auch nicht optimal platziert: Man ist zwar parallel zu den anderen Wagen ausgerichtet, ragt aber links noch etwas heraus. Also heißt es: korrigieren. Dafür schlägt man das Lenkrad nach rechts ein, fährt in einem kreisförmigen Bogen bis zur Mitte der Lücke und schlägt dann nach links ein, um sich wieder gerade zu positionieren. Nun ist die Frage, welche Distanz w man durch diese Manöver nach rechts zurücklegt.
Dafür kann man den Mittelpunkt der hinteren Fahrzeugachse verfolgen: Deren Wendekreisradius r' lässt sich aus dem des Spurkreises berechnen: r' = √(r2−l2)−n/2, wobei n die hintere Spurweite ist, also der Abstand der beiden Hinterräder. Mit r' und der Distanz c kann man die Strecke w mit Hilfe des Satzes von Pythagoras berechnen w⁄2 = r' − √(r'2−c2/4).
Auch in diesem Fall können wir konkrete Zahlen einsetzen, um ein Gespür für die Größen von Parklücken zu erhalten. Wenn ich mit meinem VW Golf II (Spurweite n = 1,44 Meter, wodurch sich r' = 3,9 Meter ergibt) in eine Lücke einparken möchte, die lediglich 40 Zentimeter länger ist als mein Auto, kann das ganz schön aufwändig werden: Im ersten Manöver kann ich mich maximal 0,32 Meter nach rechts bewegen. Innerhalb der Lücke habe ich jedoch weniger Bewegungsfreiheit – gemäß der obigen Formel für w kann ich pro Manöver höchstens einen Zentimeter nach rechts gelangen. Wenn vor mir also ein anderer VW Golf mit einer Breite von zirka 1,7 Meter parkt, muss ich 138-mal vor- und zurückfahren!
Bei einer etwas größeren Parklücke, die meine Autolänge um 80 Zentimeter überragt, sieht das schon etwas besser aus: Im ersten Manöver mache ich maximal 71 Zentimeter gut. Jede weitere Korrektur bringt danach 4 Zentimeter – in diesem Fall sind also »nur« 25 Manöver nötig.
Ich glaube, ich halte dann doch lieber nach größeren Parklücken Ausschau, in die ich elegant mit einem Zug kommen könnte.
Was ist euer Lieblingsmathetheorem? Schreibt es gerne in die Kommentare – und vielleicht ist es schon bald das Thema dieser Kolumne!
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