Springers Einwürfe: Drohnen überall

Es sind oft kleine technische Dinge, die den Alltag am gründlichsten verändern. So etwas kann ohne großes Aufsehen binnen weniger Jahre vor sich gehen. Beispielsweise hat sich, seit es Smartphones gibt, unser Verhalten in der Öffentlichkeit wie im Privaten radikal gewandelt. Mit den kleinen Zauberdingen kommunizieren wir nicht bloß; wir spielen, kaufen und bezahlen, finden unseren Weg in fremder Umgebung – und können unseren Blick kaum mehr von den handlichen Bildschirmen losreißen.
Wenn wir dann doch einmal hochschauen, erblicken wir zunehmend Botschafter einer weiteren Invasion kleiner Instrumente, diesmal über unseren Köpfen. Wenn derzeit eine Drohne in geringer Höhe dahinsurrt, fühlen wir uns vermutlich vom Fluglärm gestört oder gegen unseren Willen beobachtet. Doch vielleicht werden wir uns bald daran gewöhnen müssen, dass Drohnen öfter vorüberziehen als Vögel.
Schon heute kann man ferngesteuerte Quadrocopter ohne Weiteres im Elektronikfachhandel kaufen, je nach Qualität für 40 bis 1000 Euro. Sie dienen keineswegs nur als Spielzeug, sondern immer öfter zum professionellen Filmen und Datensammeln, zur Bekämpfung von Waldbränden – und nicht zuletzt zum militärischen Einsatz. Die erstaunliche Widerstandskraft der ukrainischen Armee gegen russische Panzer verdankt sich ganz wesentlich dem neuartigen Drohnenkrieg.
Aus berufenem Mund kam im Dezember 2024 der Hinweis auf ein ziviles Einsatzgebiet, welches das Transportwesen revolutionieren könnte: die individuelle Lieferung von Waren aus der Luft. Der Luftfahrtingenieur Xun Huang von den Universitäten Peking und Hongkong umreißt das Ausmaß, in dem allein China begonnen hat, in die Drohnenlogistik zu investieren – und er warnt vor den Risiken, die eine bis dato völlig unregulierte Flut tief fliegender Automaten mit sich zu bringen droht.
China treibt zweierlei Anwendungen voran. Zum einen gelangen Nahrungsmittel und Medikamente per Kleindrohne direkt zu den einzelnen Kunden, was oft schneller gelingt als auf verstopften innerstädtischen Straßen. Vermutlich hat der strenge Lockdown während der Covid-Pandemie in China diese Entwicklung forciert.
Zum anderen transportieren schwerere Lastendrohnen größere Warenmengen zu örtlichen Verteilerstationen, von wo aus dann Kleindrohnen ausschwärmen können. Auf diese Weise, betont Xun Huang, sinke die Umweltbelastung gegenüber dem CO2-Ausstoß beim sonst üblichen Warentransport mit Lkws.
Die Expansion dieses Marktsegments hat bereits begonnen: Weltweit ist die Warenlieferung per Drohnen von 2021 bis 2022 um 80 Prozent gewachsen. Und China allein stellt mehr als 70 Prozent aller kommerziellen Drohnen her.
Während Waren also schon jetzt millionenfach aus der Luft zugestellt werden, weist Xun Huang auf den bislang unbeachteten Sicherheitsaspekt global agierender Drohnenflotten hin. Je dichter sich der Luftraum mit Flugkörpern füllt, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit von Kollisionen, deren Trümmer Fußgänger gefährden. Auch können die Triebwerke großer Flugzeuge Drohnen einsaugen, wie das gelegentlich mit Vögeln passiert.
Überhaupt müssten Flughäfen vor dem Eindringen schwebender Automaten, je mehr deren Anzahl zunimmt, umso besser geschützt werden. Das erfordert neuartige »elektronische Zäune«, die Eindringlinge durch Störsignale ablenken.
Ein vorderhand ungelöstes Problem ist die Lärmbelästigung. Eine in sieben Meter Höhe vorbeifliegende Drohne macht so viel Krach wie ein Staubsauger im Zimmer. Die Belastung durch hunderte laut surrende Apparate, die Tag und Nacht vorbeiziehen, wäre schwer auszuhalten.
Dafür würden alle Dinge des täglichen Bedarfs, kaum bestellt, flugs zugestellt. Schöne neue Konsumwelt!
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