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Luftfahrt: Auf dem Weg zur Wasserstoffdrohne

Elektrisch angetriebene Drohnen gibt es schon lange. Nun dienen die kleinen Fluggeräte als Testplattform für Wasserstoffantriebe. Das langfristige Ziel: Flüssiger Wasserstoff soll Passagierflugzeuge antreiben.
Eine Drohne mit sechs Rotoren und einem Drucktank.
Das Fluggerät ZALbatros mit dem auffälligen Drucktank an der Oberseite dient als Versuchsplattform für Drohnenantriebe auf Basis von Wasserstoff und Brennstoffzellen.

Auf der ehemaligen Elbinsel Finkenwerder im Süden von Hamburg empfängt den Besucher ein bizarrer Kontrast zwischen Gestern und Morgen: Nicht weit von einer beschaulichen Backsteinsiedlung aus den 1950er Jahren liegt das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL), ein futuristischer Gebäudekomplex mit Hallen, Laboren und Büros. Rund 600 Menschen aus aller Welt arbeiten hier daran, die Zukunft der zivilen Luftfahrt umweltverträglicher und im besten Fall klimaneutral zu machen. Der silberfarbene »Turm« am Eingang verkündet das Forschungsziel bereits in der Aufschrift: »Hydrogen. Flying green tomorrow.« Dabei handelt es sich um einen 20 Meter hohen Tank, gefüllt mit gasförmigem Wasserstoff bei einem Druck von 45 Bar.

Vom Empfang aus geht es durch lange Flure in den zweiten Stock, von wo aus sich der Blick in die so genannte Akustikhalle öffnet. Im Prinzip ein Hangar, in dem es ein wenig nach Kunststoff riecht. An den Wänden verlaufen zahlreiche Rohre, zum Beispiel für Stickstoff, Wasserstoff oder Pressluft. Man hört das Summen und Surren von Aggregaten und Schaltanlagen sowie das Rauschen der Lüftung. Im Brennstoffzellenlabor des ZAL zeigt Sebastian Altman auf ein spinnenartiges Objekt aus schwarzer Kohlefaser: »Das ist unsere ›LiquiDrone‹, sozusagen der größere Bruder des ›ZALbatros‹.«

Beide Namen stehen für wasserstoffgetriebene Drohnen mit sechs Rotoren, entwickelt hier am ZAL. Unbemannte Fluggeräte eignen sich gut, um Lösungen für die komplexen Herausforderungen zu entwickeln, die Brennstoffzellen und Wasserstoff mit sich bringen. Sie sollen die nötigen Erkenntnisse liefern, um die Technik im größeren Maßstab einzusetzen und im besten Fall auf Passagiermaschinen zu übertragen. Im Vordergrund des »LiquiDrone«-Projektes stehe außer den genannten Fragestellungen zudem eine höhere Leistung, bei der zugleich die Wirtschaftlichkeit beachtet werden soll, erklärt Altmann, der das Brennstoffzellenlabor im ZAL leitet.

Erstes Ziel ist längere Flugzeit

Die »LiquiDrone« sieht aus, als hätte man ihr eine rote Taucherflasche auf den Rücken geschnallt. Es ist ein karbonfaserverstärkter Tank mit gasförmigem Wasserstoff, komprimiert auf einen Druck von 350 Bar, der für erste Flugversuche dient. Später wird er durch einen Flüssigwasserstofftank ersetzt. Unter dem Tank befinden sich zwei Kammern mit Brennstoffzellen, die das Gas zusammen mit Luft in Strom umwandeln, und der treibt die Elektromotoren an den Rotoren an.

Der »kleinere Bruder« ZALbatros, der mit ausgeklappten Rotoren gut zwei Meter im Durchmesser misst, ist genau genommen eine Forschungsplattform, die als Basis für wissenschaftliche Projekte dient. Zwei Brennstoffzellen-Systeme mit einer Leistung von jeweils 800 Watt versorgen die Elektromotoren des Hexakopters mit Strom. »Das Startgewicht beträgt dank des Kohlefaser-Rumpfes nur etwas mehr als zwölf Kilogramm und ist dennoch stabil«, erläutert Altmann. »Beim Flugtest erreichte der ZALbatros trotz teilweise böigen Windes eine Flugdauer von zwei Stunden und zehn Minuten. Batteriebetriebene Drohnen müssen oft schon nach einer guten halben Stunde wieder landen, um die Akkus zu laden oder zu wechseln.«

Doch auch diese schon verlängerte Flugzeit ist nur der Anfang. Denn jetzt wird im aktuellen Forschungsprojekt »LiquiDrone« der gasförmige Wasserstoff durch seine flüssige Variante (LH2) ersetzt. »Auf Grund der höheren Energiedichte könnte so eine Drohne bis zu zwölf Stunden im Einsatz sein«, erklärt Ingenieur Altmann. Für die künftig längere Flugzeit muss der Zustand einer Drohne aus der Ferne komplett erfasst und überwacht werden. Dazu sind Sensoren notwendig, die verschiedenste Parameter messen: von der Leistungsaufnahme der Motoren über die Betriebstemperatur der Brennstoffzellen bis zur Signalstärke der Funkverbindung.

Herausforderung Flüssigwasserstoff

Den Antrieb auf flüssigen Wasserstoff umzustellen, ist jedoch alles andere als einfach. Die Speichertechnik für das verflüssigte Gas ist ebenso herausfordernd wie dessen Regasifizierung im Flugbetrieb, die Betankung mit flüssigem Wasserstoff und die Integration des Ganzen in ein Betriebssystem. Dafür Lösungen zu finden, geschieht im Rahmen des »Liqui-Drone«-Forschungsprojektes, das vom Bundesverkehrsministerium mit knapp 900 000 Euro gefördert wird. An dem Projekt beteiligen sich außer dem ZAL auch die Universität Rostock sowie die Unternehmen RST Rostock-Systemtechnik und BaltiCo.

Der Wasserstoffexperte Vijay Siva Prasad mit der LiquiDrone

Ein Tank für die Speicherung von flüssigem Wasserstoff wurde bereits konzipiert und gebaut. Ein Schwerpunkt im Projekt ist die schwierige Frage, wie sich bei möglichst leichtem und kompaktem Tankdesign Wärmebrücken minimieren lassen, die dazu führen würden, dass der flüssige Wasserstoff unkontrolliert verdampft und wieder gasförmig wird. Dieses Phänomen, auch »boil-off« genannt, ist seit Langem bekannt, nicht zuletzt aus der H2-Forschung der Automobilbranche.

Allerdings kann man den an sich unerwünschten Effekt einigermaßen konstruktiv umwandeln: Die Brennstoffzelle nutzt ohnehin gasförmigen Wasserstoff. Durch geschickte Wärmezufuhr soll die Verdampfungsrate im Tank an den Verbrauch angepasst werden. »Auf diese Weise lässt sich fast jedes Gramm Wasserstoff im Tank nutzen«, sagt Altman. »Das steigert die Effizienz und verlängert die Flugzeit.« Parallel haben Forscher der Universität Rostock ein Sensorsystem entwickelt, mit dessen Hilfe der Füllstand des Flüssigwasserstoffs überwacht werden kann. Momentan fliegt die LiquiDrone oft für Tests, die den ersten Flug mit flüssigem Wasserstoff vorbereiten sollen. Der soll im Frühjahr 2024 stattfinden.

Klimaschutz in der Luftfahrt

Die Luftfahrt weniger umwelt- und klimaschädlich zu machen, ist inzwischen nicht nur das Ziel der Forschung, sondern der Branche insgesamt. Rund 3,5 Prozent trägt der Flugverkehr nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) weltweit zur menschengemachten Klimaerwärmung bei. In dieser Bewertung sind alle Faktoren der Luftfahrt enthalten, das heißt, neben den CO2-Emissionen auch der Ausstoß von Stickoxiden »sowie die Wirkung von Kondensstreifen und Kondensstreifen-Zirren«. Klimaneutralität in der Luftfahrt zu erreichen, ist allein aus technischen Gründen noch schwieriger als in anderen Bereichen. Der Vorstoß in die dritte Dimension sowie die physikalischen Bedingungen in der bisher üblichen Reiseflughöhe erfordern entweder ganz eigene Lösungen oder zumindest Anpassungen der herkömmlichen Technik.

Allein die Brennstoffzellen-Technologie, im landgebundenen Verkehr auf der Straße und Schiene erfolgreich erprobt, ist im Luftverkehr nicht so einfach zu handhaben. »Anders als bei Anwendungen am Boden birgt der geringe Umgebungsdruck sowie die limitierte Wärmeabfuhr von luftfahrttechnischen Brennstoffzellen-Systemen besondere Herausforderungen«, erklärt Florian Becker. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des DLR und untersucht im Brennstoffzellen-Labor des ZAL, mit welchen Ansätzen und Betriebsstrategien man diese Herausforderungen bewältigen kann. Eine davon sei das in der Brennstoffzelle entstehende Wasser. »Das Wassermanagement ist relativ komplex, jedoch von zentraler Bedeutung, um einen effizienten und langlebigen Betrieb zu ermöglichen.«

Um die Erkenntnisse aus dem Labor in der Praxis zu testen, ist der Weg buchstäblich kurz: Nur drei Kilometer entfernt liegt das Werk des Flugzeugherstellers Airbus, der sich ebenfalls am ZAL beteiligt. Der Branchenriese hat bekanntlich das Ziel verkündet, im Jahr 2035 eine Passagiermaschine auf den Markt zu bringen, die mit Hilfe eines Wasserstoffantriebs erheblich emissionsärmer als heutige Flugzeuge sein soll. Als drittgrößter Standort für die zivile Luftfahrt weltweit verfügt Hamburg über ein dicht geknüpftes Netz aus Hochschulen, Instituten und branchenspezifischen Firmen, die Forschung und Entwicklung mit Fokus auf Nachhaltigkeit betreiben. Dazu tragen auch insbesondere klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) bei.

Auf dem Weg zur Serienreife

So hat beispielsweise der Ingenieursdienstleister Teccon, der allein im Wasserstoffbereich 35 Mitarbeiter beschäftigt, das öffentlich geförderte Forschungsprojekt »H2 Finity« initiiert und die Mittel dafür eingeworben. Dabei geht es um Entwicklung eines skalierbaren Wasserstoff-Antriebsstrangs für leichte und mittlere Fluggeräte, was in einem Verbund aus KMU und unter Mitwirkung des ZAL umgesetzt wird. »Anhand einer Drohne mit einer Spannweite von 3,5 Metern und 25 Kilogramm Startgewicht erproben wir den hybrid-elektrischen Antriebsstrang«, erklärt Jörg Manthey von Teccon, federführend für das Projekt zuständig.

Der H2-Antriebsstrang werde optimiert und für höhere Leistungen weiterentwickelt. »Unser Ziel ist ein modular skalierbares Konzept, das von Tragflügeldrohnen bis hin zu Kleinflugzeugen reicht, die dann einen umweltfreundlichen und leisen Antrieb besitzen sollen.« Skalierbar bedeutet in diesem Fall, dass der gesamte Betrieb der Drohne schließlich auch bei 500 Kilogramm Startgewicht funktionieren soll – dem 20-Fachen der aktuellen Masse.

Weil die Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren aus Sicherheitsgründen in der Luftfahrtbranche besonders aufwändig sind, denken die beteiligten Teams die notwendigen Verfahren gleich mit, betont Manthey, »damit die Technologie nach Projektende schnell eingesetzt werden kann.« Denn in der Praxis funktionieren muss nicht nur das Fluggerät, sondern auch die Infrastruktur am Boden.

Und während es für gasförmigen Wasserstoff bereits technische Infrastruktur gibt, ist flüssiger Wasserstoff wesentlich komplizierter zu handhaben. »Abgesehen davon, dass LH2 erst mal hergestellt werden muss, braucht man dafür ein geeignetes Transportgefäß und ein Betankungssystem, das sich sicher bedienen lässt«, erklärt Manthey. »Das alles muss serientauglich sein und schließlich zertifiziert werden.« Nur dann kann der Umgang mit dem klimaneutralen Treibstoff eines Tages so selbstverständlich werden wie heute mit Benzin oder Kerosin.

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