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Unwahrscheinlich tödlich: Tod durch Wurm im Gehirn

Der US-amerikanische Politiker RFK Jr. litt nach eigener Aussage an einem Parasiten, der sich in seinem Gehirn festgesetzt hatte. Er überlebte – doch nicht alle Betroffenen haben so viel Glück.
Eine Aufnahme eines erwachsenen Schweinebandwurms. Die segmentierten Tiere setzen sich im menschlichen Darm fest und können mehrere Meter lang werden
Wenn die Larven dieses Wurms im Gehirn landen, können sie dort ordentlich Schaden anrichten.
Eines ist sicher: Irgendwann geben wir alle den Löffel ab. Weniger absehbar ist das Wie. Denn es gibt eine schier unendliche Zahl an Wegen, die einen Menschen ins Grab bringen können – manche von ihnen außergewöhnlicher, verblüffender und bizarrer als andere. In der Kolumne »Unwahrscheinlich tödlich« stellen wir regelmäßig solche Fälle vor, von bissigen Menschen über giftige Reisbällchen bis hin zu lebensgefährlichem Sex.

»Ein Wurm gelangte in mein Gehirn, aß einen Teil davon und starb dann.« Diese bemerkenswerte Aussage stammt von einem US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten. Nein, es geht nicht um Donald Trump. Und auch nicht um Joe Biden. Die Rede ist von Robert F. Kennedy Junior, prominenter Impfgegner und Neffe des vormaligen Präsidenten John F. Kennedy.

Welches Tier sich vermeintlich in Kennedys Kopf eingenistet hatte, hat dieser zwar nicht offengelegt. Es gibt gleich mehrere parasitäre Würmer, die in Frage kommen (obgleich keiner davon tatsächlich Hirngewebe frisst – es sind vielmehr flüssigkeitsgefüllte Zysten um den Parasiten herum, die das befallene Organ »löchrig« erscheinen lassen). Für Medienberichte befragte Expertinnen und Experten tippten anhand der Beschreibungen aber auf den Schweinebandwurm(Taenia solium). Offensichtlich hat der Politiker den Vorfall überlebt. Das lässt sich längst nicht von allen Menschen behaupten, die ähnliche Erfahrungen machen mussten.

Dass solche Infektionen mitunter tödlich enden, zeigt ein Fallbericht aus Malaysia. Eine damals 43-jährige Patientin suchte ärztlichen Rat, da sie unter Fieberschüben, Abgeschlagenheit und Verhaltensänderungen litt. In ihrem Blut fand das medizinische Team zwar keine Hinweise auf Krankheitserreger, doch ein Hirnscan offenbarte mehrere flüssigkeitsgefüllte Hohlräume. Die Diagnose: Neurozystizerkose, eine Ablagerung von Blasenwürmern (Cysticercus), insbesondere Larven von Schweinebandwürmern, im Hirngewebe. Die Frau verließ die Klinik mit einem Rezept für ein Entwurmungsmittel sowie für ein Kortisolpräparat.

Kurzfristig schien die Therapie zu wirken. Doch zwei Wochen später kam die Patientin mit Anzeichen einer Hirnhautentzündung erneut ins Krankenhaus. Ein weiterer Scan zeigte, dass sich Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit in ihrem Kopf angesammelt hatte und nicht abfließen konnte. Wegen des kritischen Zustands der Frau konnten die Ärztinnen und Ärzte keine Notoperation durchführen, um die Blockade in ihrem Gehirn zu lösen. Sie verstarb wenig später.

Larven im Hirnscan | Im Hirnscan einer 24-jährigen Patientin mit Neurozystizerkose erscheint das Gewebe »löchrig«. Bei den dunklen Bereichen handelt es sich aber nicht um fehlendes Hirngewebe. Es sind vielmehr flüssigkeitsgefüllte Zysten, in denen die Larven des Schweinebandwurms sich abkapseln und überdauern. Das kann schwere Symptome wie epileptische Anfälle verursachen. Bei dieser Patientin traten zum Beispiel Kopfschmerzen und Fieberschübe auf.

Hirninvasion ist die Ausnahme

Schätzungsweise 50 000 Menschen jährlich ereilt ein ähnliches Schicksal. Ein Großteil der Neurozystizerkose-Fälle wird in Lateinamerika, Südostasien und in Subsahara-Afrika registriert, wo Taenia solium stark verbreitet ist. Mehrere Millionen Personen in diesen Gebieten tragen Schweinebandwürmer in sich. Bei den allermeisten Infektionen wandern deren Larven jedoch nicht ins Gehirn. Denn damit das passieren kann, muss eine besondere Art der Übertragung stattfinden, die für den Parasiten eine Art Sackgasse darstellt.

»Schweinebandwurm« ist eigentlich ein unfairer Name, denn die armen Schweine stecken sich erst bei uns Menschen mit dem Parasiten an. Wir sind nämlich der Hauptwirt für Taenia solium. Erwachsene Bandwürmer leben im menschlichen Darm und pflanzen sich hier fort. Sie sondern Kapseln mit befruchteten Eiern ab, die befallene Personen über den Stuhl ausscheiden. Pro Tag sind es bis zu fünf, die jeweils rund 40 000 Eier enthalten. Nimmt ein Schwein eine davon auf, entwickeln sich daraus bald Larven, die vom Darm des Tieres in seine Muskulatur wandern. Dort rollen sie sich zusammen und um sie herum bildet sich eine Gewebekapsel, in der sie überdauern. Mit der Zeit verkalkt die Kapsel und formt eine Zyste. Sobald ein Mensch das kontaminierte Tier verspeist, wird die Larve wieder aktiv – es sei denn, wir erhitzen das Fleisch ordentlich durch, denn dabei stirbt sie ab. Überlebende Larven siedeln sich in unserem Verdauungstrakt an und werden bis zu mehrere Meter lang. Wenn sie sich vermehren, beginnt der Prozess von vorne. Das ist der übliche Lebenszyklus von Taenia solium.

Da ist der Wurm drin

Manchmal passiert es jedoch, dass ausgeschiedene Eier in den falschen Zwischenwirt geraten. Problematisch wird es, wenn dieser ein zweiter Mensch ist. Die entsprechende Übertragungsart nennt man fäkal-oral, also vom hinteren Ende der einen Person in das vordere der anderen. Dafür reicht bereits ein indirekter Kontakt aus. Wäscht sich etwa eine verwurmte Person nach dem Toilettengang nicht ordentlich die Hände und greift danach beherzt in die Pralinenbox … den Rest können Sie sich sicher selbst ausmalen. So geraten mitunter Eier von Taenia solium statt in ein Schwein in unseren Darm. Die Larven schlüpfen und machen sich sofort daran, tiefer in den neuen Wirtsorganismus einzudringen. Leider wandern sie dabei gern ins menschliche Gehirn und richten sich dort wohnlich ein.

In den Zysten, die um Schweinebandwurmlarven herum entstehen, können die Tiere mehrere Jahre lang überleben. Heikel wird es für den Fehlwirt, wenn sie absterben, weil sein Immunsystem dabei mitunter stark aktiviert wird. Hirnschäden bis hin zum Tod sind dann keine Seltenheit. Ob Robert F. Kennedy Junior eine solche Infektion durchgemacht hat und glimpflich davonkam, ist derzeit pure Spekulation. Doch die Gefahr, die von »Hirnwürmern« ausgeht, ist für zahllose Menschen sehr real. Während man sich in Mitteleuropa kaum vor Taenia solium fürchten muss – der Parasit ist hier äußerst selten –, sieht das in Hochrisikogebieten anders aus. Die wenigen Betroffenen im deutschsprachigen Raum haben sich meistens in einer dieser Regionen aufgehalten. Im Ausland achtet man also besser besonders genau auf die Lebensmittelhygiene, denn ein Schweinebandwurm ist sicher ein Urlaubsmitbringsel, auf das wir alle gern verzichten.

  • Steckbrief: Der Schweinebandwurm (Taenia solium)
    Minimonster | Hier sieht man keinen Sandwurm von Dune, sondern eine mikroskopisch vergrößerte Aufnahme des Kopfteils eines erwachsenen Schweinebandwurms.

    Organismus: Tierischer Parasit (Bandwurm)

    Wirte: Der Mensch ist der Hauptwirt (Lebensraum der erwachsenen Tiere), Schweine sind Zwischenwirte (Lebensraum der Larven)

    Vorkommen: starke Infektionsgeschehen in Lateinamerika, Südostasien und in Subsahara-Afrika

    Krankheitspotenzial: Auslöser von parasitären Darminfekten; Menschen können zum Fehlzwischenwirt werden, wenn sie Eier des Wurms verschlucken – daraufhin entwickelt sich manchmal eine Hirninfektion namens Neurozystizerkose, bei der die Wurmlarven ins Gehirn von Betroffenen eindringen und dort Zysten bilden

    Häufigkeit: In Deutschland ist die Neurozystizerkose äußerst selten; sie tritt vor allem bei Menschen auf, die Zeit in Ländern mit stärkerer Verbreitung von Taenia solium verbracht haben; weltweit schätzt die WHO die Betroffenenzahlen auf etwa 2,5 bis 8,3 Millionen

    Besonderheiten: Neurozystizerkose löst nicht bei allen Betroffenen Symptome aus. Manche entwickeln jedoch epileptische Anfälle – etwa 30 Prozent der Epilepsien in Hochrisikogebieten gehen vermutlich auf die Infektion zurück. Weitere mögliche Beschwerden sind chronische Kopfschmerzen und neurologische Ausfälle sowie Anzeichen von Hirnhautentzündungen und erhöhtem Hirndruck. Die Larven können in Hirnzysten einige Jahre lang überleben und machen in dieser Zeit mitunter kaum Probleme für den Wirt. Während sie absterben, ist das Risiko für Symptome erhöht. Die Körperabwehr stößt dann nämlich entzündliche Prozesse an, die dem Gehirn schaden können.

    Behandlung: In der Regel mit Kortisolpräparaten, eventuell zusammen mit einem zehn- bis vierzehntägigen Kurs mit Entwurmungsmitteln

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