Koalitionsvertrag: "Verstetigung des Wettbewerbs"
Herr Professor Hippler, bereits im zweiten Unterpunkt im Koalitionsvertrag geht es um Bildung und Forschung. Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie dort lesen?
Der Koalitionsvertrag schlägt den richtigen Weg ein. Ich hätte mir dennoch mehr gewünscht. Was ich sehr gut finde, ist das Bekenntnis, dass der Bund zukünftig mehr zur Grundfinanzierung der Hochschulen beitragen muss. Denn die Konsequenz lautet, dass dafür auch das Grundgesetz geändert wird.
Es wird also zum Fall des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern kommen. Das Wort selbst taucht ja nicht im Vertragswerk auf. Warum haben sich CDU, CSU und SPD darum gedrückt?
Der Begriff wurde vermutlich im Wahlkampf zu sehr politisch aufgeladen.
Die Exzellenzinitiative soll weiterentwickelt und in neue Förderformate überführt werden. Heißt das, es gibt keine Bundesuniversitäten?
Das ist wohl richtig. Aber Großprojekte wie Exzellenzcluster und Graduiertenschulen wird es in weiterentwickelter Form geben. Ganz wichtig ist mir, dass es so eine Verstetigung des Wettbewerbs gibt.
Neben den Clustern und den Graduiertenschulen gab es bislang als dritte Förderlinie der Exzellenzinitiative die so genannten Elitehochschulen. Davon ist keine Rede mehr auf den 185 Seiten Vertragswerk.
Für die dritte Förderlinie gibt es auch keinen wirklichen Bedarf mehr. Die Spielregeln hierfür waren schon vorher ein wenig ungeschickt. Außerdem haben ja alle Hochschulen bereits ihre Hausaufgaben gemacht und ihre eigenen Zukunftsstrategien entwickelt. Wenn überhaupt, dann könnte man in vielleicht 15 Jahren seitens der Politik noch einmal Anreize schaffen, neue Strategien einzufordern.
Gute Lehre soll künftig stärker honoriert werden bei der Mittelvergabe durch den Bund. Wie könnte das geschehen?
Das ist ein frommer Wunsch. Die Definition von guter Lehre ist schlicht nicht bekannt. Bei guter Forschung weiß man relativ viel, bei guter Lehre weiß man sehr wenig. Man kann jedoch schauen, was die einzelne Hochschule unternimmt, um die Studienabbruchquoten zu reduzieren, was sie in der Eingangsphase für ihre Studierenden anbietet und wie diese betreut werden.
Kooperationen im deutschen Wissenschaftssystem sollen gestärkt werden – sind damit Verbünde von außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Universitäten oder Fachhochschulen gemeint, wie sie auch in der Vergangenheit schon hier und da entstanden sind?
Das wird der Hintergrund sein. Es geht hier vor allem um regionale Verbünde, die in Zukunft noch stärker gefördert werden sollen, also etwa Allianzen von Max-Planck-Instituten und Universitäten, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich halte das für sehr gut. Deutschland ist dezentraler als andere Länder. Daher ist es für uns wichtig, dass es in allen großen regionalen Zentren exzellente Forschung gibt, auch mit der dort jeweils ansässigen Wirtschaft.
Die Koalitionäre wollen auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz novellieren. Bekommen Nachwuchsforscher nun sicherere Zukunftsperspektiven?
Ich bin mir nicht sicher, was da im Hinterkopf ist. Aber die Idee dürfte darin bestehen, dass man von den kurzen Verträgen wegkommt, dass es etwa Verträge für junge Wissenschaftler gibt, die der Laufzeit eines Projekts entsprechen. Die Verstetigung von Stellen ist hier sicher nicht gemeint.
Relativ wichtig ist den künftigen Koalitionären offenbar der Punkt "neue Informationsstrukturen". Wird die Digitalisierung unsere Hochschulen komplett umkrempeln?
Ja und Nein. In der Forschung brennt die Frage, wie man mit großen Datenmengen umgeht, wie man sie langfristig speichert, wie man auf sie zugreift. In der Astronomie zum Beispiel werden alle Daten aus allen Projekten nach einem Jahr allen zugänglich gemacht, so dass jeder mit den Daten aus anderen Projekten arbeiten kann. Hier müssen ebenfalls für andere Disziplinen Standards entwickelt werden. Auch in der Lehre hält die Digitalisierung teils dramatisch Einzug. Die Zukunft heißt Blended Learning, also die Kombination von Präsenzveranstaltungen mit interaktiven virtuellen Lernphasen.
Was steht nicht im Koalitionsvertrag, was vermissen Sie?
Ein klareres Bekenntnis, dass Bund und Länder in Zukunft gemeinsam für die Bildung zu sorgen haben. Auf der anderen Seite: Ungefähr ein Drittel der geplanten Mehrausgaben von 23 Milliarden Euro geht in Bildung und Forschung. Das ist ein Betrag, um den uns jedes Land der Welt beneidet.
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