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Freistetters Formelwelt: Vollkommen logisch

Das Internet ist voll mit Wissen. Und ebenso voll mit grandiosem Unsinn. Um das eine vom anderen zu trennen, braucht es gute Suchmaschinen. Und die richtige Mathematik.
Ein schwindelerregendes Treppenhaus

Für meine Arbeit als Wissenschaftsautor muss ich viel recherchieren; ganz klassisch in Büchern, aber noch viel öfter im gewaltigen Fundus des Internets. Manchmal aber wird es mir schwer gemacht. Suche ich zum Beispiel nach der Zahl Pi, dann hat die Mehrheit der Resultate, die mir die gängigen Suchmaschinen liefern, nichts mit Mathematik zu tun, sondern mit dem Minicomputer Raspberry Pi. Und wenn ich nach Galaxy suche, muss ich mich durch eine Menge Treffer zum gleichnamigen Smartphone wühlen.

Diese Probleme kann man durch den geschickten Einsatz logischer Verknüpfungen umgehen. Es geht dabei um Rechenregeln, die nicht mit den üblichen Symbolen für Addition, Multiplikation oder Division arbeiten, sondern mit Operatoren, die UND, ODER beziehungsweise NICHT heißen. Will ich also etwa aus der Menge aller Internetseiten, die das Wort Pi enthalten, nur die finden, in denen nicht auch das Wort Raspberry vorkommt, muss ich die beiden Suchbegriffe entsprechend durch passende Operatoren verknüpfen. Für diese Operatoren kann man nun ähnliche Gesetze aufstellen wie für das »normale« Rechnen. Es gibt ein Kommutativgesetz, ein Assoziativgesetz und so weiter. Zu den bekanntesten Regeln für logische Aussagen gehören die so genannten de-morganschen Gesetze:

Das Symbol, das wie ein Inbusschlüssel von Ikea aussieht, steht für den logischen Operator NICHT, der mit der Spitze nach oben zeigende Winkel bedeutet UND, und das Symbol, bei dem die Spitze nach unten gerichtet ist, steht für ODER. Die de-morganschen Gesetze bedeuten demnach in annähernd natürlicher Sprache, dass NICHT (a UND b) identisch mit der Aussage (NICHT a) ODER (NICHT b) ist beziehungsweise dass NICHT (a ODER b) das Gleiche bedeutet wie (NICHT a) UND (NICHT b).

Ein Beispiel: Ich will Texte nach dem Auftreten der Worte Galaxy und Smartphone untersuchen. Rein prinzipiell kann ich die Ausgangsmenge aller Texte in vier Gruppen einteilen, nämlich: alle Texte, die nur das Wort Smartphone enthalten; Texte, die nur das Wort Galaxy enthalten; Texte, in denen sowohl Galaxy als auch Smartphone vorkommen; und Texte, in denen keiner der beiden Begriffe auftaucht. Als Astronom bin ich natürlich am wenigsten an der letzten Gruppe interessiert, und die kann ich mit der Suche nach NICHT (Smartphone ODER Galaxy) identifizieren. De Morgans zweite Regel sagt mir nun, dass eine Suche nach (NICHT Smartphone) UND (NICHT Galaxy) genau das gleiche Ergebnis liefern muss. Was auch der Fall ist: Die Texte, in denen das Wort Smartphone nicht vorkommt, sind in den Gruppen 2 und 4 zu finden; die Texte ohne das Wort Galaxy tauchen in den Gruppen 1 und 4 auf. Die Verknüpfung UND sucht nach den Gruppen, auf die beide Suchanfragen zutreffen, und das ist nur Gruppe 4.

In der Praxis würde man in so einem Fall meistens einfachere logischere Verknüpfungen verwenden als die de-morganschen Regeln. Aber bei komplexeren Suchanfragen spielen sie durchaus eine Rolle, ebenso wie bei der Programmierung von Algorithmen oder überall in der Entwicklung digitaler elektronischer Elemente. Dort braucht man die diversen Regeln zur Verknüpfung logischer Operatoren, wenn man so genannte Logikgatter konstruieren will. Vereinfacht gesagt geht es dabei darum, zu entscheiden, welcher Output in Abhängigkeit von mehreren binären Input-Kanälen produziert werden soll. Eine UND-Schaltung liefert etwa nur dann den Wert 1, wenn auch an allen Eingängen eine 1 anliegt; ein ODER-Gatter liefert die 1, wenn an mindestens einem Eingang eine 1 anliegt. De Morgans Regeln sagen in diesem Zusammenhang zum Beispiel, dass ein UND-Gatter identisch ist mit einem ODER-Gatter, bei dem das Vorzeichen von Input und Output vertauscht werden.

Die de-morganschen Regeln sehen einfach aus; fast schon trivial. Aber Computer sind ja auf der untersten Ebene nicht sehr klug. Sie brauchen genau diese simplen Gesetze, um funktionieren zu können.

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