Freistetters Formelwelt: Die Mathematik der Magie
Viele Zaubertricks basieren auf den besonderen Eigenschaften bestimmter Zahlen und den Beziehungen zwischen ihnen. Mit ein bisschen Übung und ausreichend Bühnenzauber kann man damit erstaunliche Ergebnisse erreichen. Eine Formel, die man dafür kennen sollte, ist zum Beispiel diese hier:
Schauen wir uns aber zuerst den dazugehörigen Trick an: Sie bitten eine Person, im Geheimen eine Zahl zwischen 1 und 100 zu wählen. Danach präsentieren Sie eine Reihe von Bildern, auf denen scheinbar wahllos diverse Zahlen aufgeschrieben sind. Die Person muss bei jedem davon die Frage beantworten, ob sich die gewählte Zahl darunter befindet oder nicht. Sobald die letzte Antwort gegeben wurde, sind Sie in der Lage, die von der Person gewählte Zahl zu nennen.
Eine Welt voller Einsen und Nullen
Das funktioniert natürlich nicht mit Telepathie oder anderen magisch-mentalen Fähigkeiten, sondern indem man die obige Formel nutzt. Mit ein wenig Hintergrundwissen erkennt man darin die Darstellung einer Zahl im Binärsystem. So wie im gebräuchlichen Dezimalsystem alle Zahlen aus Zehnerpotenzen zusammengesetzt sind, verwendet man im Binären Potenzen von zwei. Der für unseren Trick wichtige Unterschied liegt in der Eindeutigkeit. Um eine Zahl zwischen 1 und 100 im Dezimalsystem darzustellen, braucht man Einer, Zehner und Hunderter – und je nach Zahl unterschiedlich viele davon. Für die 27 sind beispielsweise zwei Zehner und sieben Einer nötig; bei der 63 sind es sechs Zehner und drei Einer. Im Dualsystem ist das aber anders: Die Formel besagt, dass man die Zweierpotenzen, aus denen die Zahl Z zusammengesetzt ist, jeweils mit einer Ziffer zi multiplizieren muss. Im Binärsystem gibt es aber nur die Ziffern 0 und 1 (und nicht wie im Dezimalsystem 0 bis 9). Das heißt: Entweder man braucht eine bestimmte Zweierpotenz genau einmal, um eine Zahl darzustellen – oder man braucht sie nicht.
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Genau darauf beruht der Zaubertrick: Die Bilder mit den scheinbar willkürlich gewählten Zahlen sind natürlich nicht wahllos. Im ersten Bild findet man alle Zahlen zwischen 1 und 100, für deren Binärdarstellung die Zweierpotenz 20 benötigt wird. Im zweiten Bild sind alle, die die Potenz 21 brauchen. Dann kommen die, für die man 22 verwenden muss, und so weiter (für die Zahlen bis 100 braucht man insgesamt sechs solcher Bilder). Weiß man durch die Befragung, dass die gesuchte Zahl auf den Bildern für die Potenzen 25, 23, 21 und 20 auftaucht, dann muss die gewählte Zahl 43 sein, denn es gilt 25 + 23 + 21 + 20 = 32 + 8 + 2 + 1 = 43.
Die Aufgabe des Zauberers ist also nur noch, die entsprechenden Potenzen im Kopf zu addieren. Am Ende landet man so zwangsläufig beim richtigen Ergebnis. Dieser Trick und andere, die ähnlich ablaufen, funktionieren natürlich nur, weil viele Menschen wenig über Mathematik wissen. Das ist zwar schade, aber durch solche »Zaubereien«, die im Gegensatz zu anderer Bühnenmagie meist danach bereitwillig erklärt werden, bekommt vielleicht der eine oder die andere doch noch Lust, sich ein wenig mit Zahlen zu beschäftigen.
Abseits der Theaterbühnen haben solche Tricks eine durchaus relevante wissenschaftliche Bedeutung. Die Aufgabe bestand darin, unter 100 Auswahlmöglichkeiten eine bestimmte Zahl zu identifizieren. Vor dem gleichen Problem steht man auch, wenn man etwa 100 medizinische Proben hat, die man auf das Vorhandensein eines Virus prüfen will. Im schlimmsten Fall muss man 100 Tests durchführen. Kombiniert man die Proben aber auf geschickte Weise miteinander, reichen auch weniger – genau so wie beim Mathetrick die Sortierung der Möglichkeiten nach Zweierpotenzen das Ergebnis schon nach sechs Tests geliefert hat. Das ist die Strategie beim »Pooltesten«: nicht magisch, sondern mathematisch.
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