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Lexikon der Astronomie: Magnetar

Damit bezeichnet man eine spezielle Form von Pulsaren (also Neutronensternen), die ein abnorm hohes Magnetfeld in der Größenordnung von 1015 bis 1016 Gauß und mehr besitzen! Ein typischer, normaler Neutronenstern hat hingegen 'nur' Feldstärken von 1012 bis 1013 Gauß. Das sind extreme Feldstärken: die stärksten Magnetfelder auf der Erde haben etwa eine Million Gauß (also 100 Tesla; 1 Tesla = 10000 Gauß).

Magnetare im Pulsar-HRD

In der Stellarastronomie bezeichnet das Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) der Sterne eine doppellogarithmische Auftragung der Leuchtkraft eines Sterns über seiner Effektivtemperatur oder Spektralklasse.
Etwas Ähnliches gibt es in der Pulsarastronomie: hier heißt es Pulsar-HRD und entspricht einer Auftragung von Periodenabnahme über Periodendauer der Pulse. Die Magnetare bevölkern in diesem Diagramm den Bereich langsam rotierender Neutronensterne. In einem Übergangsbereich zu den kürzeren Perioden befinden sich die so genannten AXPs, während sich dann das Gros der Pulsare anschließt mit den schnellsten Rotationen im Bereich von Millisekunden.

Ursprung der Magnetare starken Magnetfelder

Folgende Entstehungsszenarien wurden vorgeschlagen:

  • Dynamo-Prozess: Dieser Effekt ist schon länger bekannt. Hier werden die Magnetfelder, die den Magnetar in Form einer Magnetosphäre umhüllen, durch die schnelle Rotation mitgeschleppt und aufgewickelt. Im Feldlinienbild steht eine hohe Feldliniendichte für ein starkes Magnetfeld (Arbeiten von Duncan et al.).
  • Artefakt der MRI: Ein neuerer Zugang wurde in Anlehnung an die MHD-Akkretionsphysik gefunden. Die so genannte magnetische Rotationsinstabilität (MRI) (auch Balbus-Hawley-Instabilität genannt) soll die starken Felder bereits vor der eigentlichen Magnetarphase erzeugen. Bereits bei der Bildung des Neutronensterns aus einem massereichen Vorläuferstern (core-collapse pre-neutron star, CC PreNS), sollen sich über den Mechanismus dieser Instabilität schwache Saatmagnetfelder in den Schalen des CC PreNS bis zu einer Sättigungsgrenze von 1016 Gauß aufbauen!

Es liegt auf der Hand, dass bereits vorhandene Felder des Vorläufersterns im Gravitationskollaps mitgerissen und verstärkt werden. Über Synchrotronstrahlung sind diese Felder in Betrag und Richtung (Polarisation) der astronomischen Beobachtung zugänglich.

magnetische Rotationsbremse

Die gemessene langsame Rotation vieler Magnetare im Vergleich zu anderen Pulsaren ist kein Zufall: letztendlich sind die hohen Magnetfelder dafür verantwortlich, weil sie einen Anti-Frame-Dragging-Effekt hervorrufen, d.h. die Magnetosphäre bremst die Rotation der Raumzeit dieser kompakten Objekte. Dies konnte von Ioka & Sasaki (astro-ph/0305352, 2003) gezeigt werden. Diese Arbeit ist in der allgemein relativistischen Magnetohydrodynamik (GRMHD für General Relativistic Magnetohydrodynamics) bzw. einer Theorie magnetisierter, relativistischer Sterne anzusiedeln. Diese schöne Anwendung der ART sei im Folgenden kurz skizziert.

Blick ins Innere des Magnetars

Man setzt den Energie-Impuls-Tensor der idealen (d.h. perfekte Leitfähigkeit) Magnetohydrodynamik an und zerlegt die vierdimensionale Raumzeit (ganz ähnlich dem ADM-Formalismus) in einem (2+1)+1 Split gemäß der Arbeit von Gourgoulhon & Bonazzola (1993). Nun formuliert man die relativistische Grad-Shafranov-Gleichung des Problems, die die Information über den magnetischen Fluss enthält. Eine fast schon historische Methode erweist sich als nützlich: Regge & Wheeler betrachteten bereits 1965 in allgemeiner Form Störungen auf der Schwarzschild-Metrik. Genau dieser Formalismus wurde ausgenutzt, um die Metrik des Magnetars zu zerlegen. Die Störung ist dabei das Magnetfeld, weil die im Magnetfeld gespeicherte Energie natürlich eine Auswirkung auf die Krümmung der Raumzeit hat. Nun entwickelt man die skalare Flussfunktion in Multipolen (Legendre-Polynomen). So leitet man schließlich ein relativistisches Eigenwert-Problem ab und studiert unter verschiedenen Randbedingungen die so zerlegte Magnetosphäre des Magnetars. Ioka & Sasaki konnten erstmalsmeridionale Zirkulationen des polytropisch beschriebenen Plasmas innerhalb des Magnetars untersuchen. Sicherlich ist die Zustandsgleichung eines Polytropen nur eine 'nullte Näherung' für das exotische Innere des (Prä-)Neutronensterns und wird modifiziert werden müssen. Das Magnetfeld wurde so angelegt, dass es innerhalb des Magnetars eingeschlossen ist und an der Oberfläche verschwindet. Auch hier werden sicher andere Randbedingungen mit endlicher Feldstärke folgen. Interessanterweise ist durch die Ausbildung eines meridionalen Plasmaflusses entlang der Rotationsachse des Kompaktors die Reflektionssymmetrie zwischen Nord- und Südhalbkugel verletzt! Anders gesagt gibt es eine Vorzugsrichtung beim Magnetar, entlang derer einseitige Jets ausbrechen könnten, wie spekuliert wird.

Wie die schnelle Drehung zerfallen könnte

Es gibt in der Fülle der beobachteten und klassifizierten Neutronensterne ein hypothetisches Entwicklungsszenario: Nach einer Supernova Typ II, der klassischen core-collapse SN, entsteht ein schnell rotierender Magnetar, der die ersten etwa 10000 Jahre als so genannter Soft Gamma Ray Repeater (SGR) in Erscheinung tritt. Ein SGR ist ein Emitter weicher Gammastrahlung. Sie wurden 1979 entdeckt und senden wiederholte, hochenergetische Ausbrüche im Spektralbereich der Gammastrahlung aus, was durch Rekonnexionsprozesse starker, stellarer Magnetfelder erklärt wird (Thompson & Duncan, 1995). Dabei gibt es Frakturen in der Kruste des Neutronensterns, aus denen die Energie der Magnetfelder freigesetzt werden kann. Die sich wiederholenden Gamma-Bursts klingen mit der Zeit ab und in weiteren etwa 30000 Jahren offenbart sich der Magnetar als Anomalous X-ray pulsar (AXP), also als anomaler Röntgenpulsar. Die Rotationsperiode nimmt weiter zu, die Rotation wird immer langsamer, was durch bereits erwähnte Anti-Frame-Dragging-Prozesse geleistet wird und dadurch, dass Energie durch Sternenbeben in der Neutronensternkruste abgeführt wird. Weitere 30000 bis 100000 Jahre später ist der AXP nur noch ein dunkler, kaum beobachtbarer, langsam rotierender Neutronenstern: ein toter Magnetar.

Bekannte Vertreter

Beispiel für Magnetare, AXPs und SGRs sind 1E1841-045 (AXP), SGR 1806-20, SGR 1900+14 und SGR 0525-66. Auch der langsame (2.7 h Periode) Pulsar 2S 0114+650 wird als Magnetar interpretiert (Li et al., 1999, astro-ph/9901084).

  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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