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Lexikon der Biochemie: Mutantentechnik

Mutantentechnik, eine der wichtigsten Methoden der Biochemie, die (bakterielle) Mutanten als analytisches Hilfsmittel verwendet. Vor allem auxotrophe Mutanten werden vielfältig bei Stoffwechseluntersuchungen eingesetzt. Solche Mutanten haben einen Stoffwechselblock an einer definierten Stelle des Biosynthesewegs eines essenziellen Produkts (z.B. einer Aminosäure oder eines Coenzyms). Ein solcher Block wird durch die Mutation eines Gens verursacht, das (über Transcription und Translation) für die Produktion eines Enzyms verantwortlich ist.

Durch Ausfall eines Enzyms in einer Synthesekette kann ein Zwischenprodukt A nicht in B überführt werden und die Synthese des lebenswichtigen Endprodukts wird blockiert. Das Zwischenprodukt A wird entweder a) akkumuliert, b) ausgeschieden oder c) in einer sonst nicht erfolgenden Nebenreaktion zu einer anderen Verbindung umgesetzt. Die betreffende auxotrophe Mutante kann nur wachsen, wenn Boder das nicht mehr gebildete Produkt bzw. eine zwischen Bund dem Produkt liegende Verbindung dem Nährmedium der Mutante zugesetzt wird. Somit können in einer Akkumulationsanalyse die Akkumulations-, Ausscheidungs- oder Nebenprodukte von A untersucht werden und/oder in einem Supplementierungstest, durch welchesIntermediärprodukt Wachstum ermöglicht bzw. ob durch Supplementierung des Endprodukts der betreffenden Biosynthese der genetische Block überwunden und die Mutante phänotypisch normalisiert wird.

Bei Akkumulationsanalysen kann man auch mit zwei unterschiedlichen Mutanten arbeiten, deren akkumulierende Zwischenprodukte zur gegenseitigen Supplementierung genutzt werden können. Lässt man beide Mutanten in unmittelbarer Nachbarschaft auf einem festen Wachstumsmedium heranwachsen, so können die Akkumulationsprodukte durch Diffusion gegeneinander ausgetauscht werden. An der Diffusionsgrenze ist dann vermehrtes Wachstum zu beobachten (Abb.).

Dieses Phänomen ist als cross-feeding oder Syntrophismus bekannt. Mit Hilfe dieser Technik ist es möglich, eine große Anzahl von Mutanten zu testen, die bezüglich desselben Endprodukts auxotroph sind, und sie in der Reihenfolge ihrer Stoffwechselblockaden anzuordnen. Wenn z.B. die Mutante 3 die Mutante 2 ergänzt, die ihrerseits Mutante 1 ergänzt (Mutante 3 kann ebenfalls Mutante 1 ergänzen), dann ist der betreffende Stoffwechselweg der Mutante 3 später blockiert als der von Mutante 2, die ihrerseits später blockiert ist als Mutante 1. Eine solche Analyse kann ohne Kenntnis der Natur der beteiligten Zwischenprodukte durchgeführt werden. In Wildtyporganismen sind die biosynthetischen Zwischenprodukte oft in so niedriger Konzentration vorhanden, dass ihre Analyse sehr schwierig ist. Durch auxotrophe Mutanten können diese Zwischenprodukte dagegen in außergewöhnlich großen Mengen gebildet werden. Dies ist vermutlich auf die Abwesenheit des Endprodukts (oder dessen sehr niedrige Konzentration) zurückzuführen, das im Wildtyporganismus für die Rückkopplungsregulierung des Biosynthesewegs verantwortlich ist. In Abwesenheit des Endprodukts gerät der Stoffwechselweg außer Kontrolle, zumindest bis zur Stelle der Stoffwechselblockade, und setzt eine ungewöhnlich große Menge an Material um.

Die Stoffwechselblockade, die durch Mutation bedingt ist, kann man auch an dem Messwert der betreffenden Enzymaktivität erkennen. Das Enzym fehlt oder ist in seiner Aktivität vermindert. Unter Umständen wird noch ein serologisch ähnliches, aber enzymatisch inaktives Protein gebildet, d.h. Transcription und Translation des Proteins wurden durch die Mutation nicht verhindert. Es sind jedoch kleine Veränderungen (manchmal Austausch einer einzigen Aminosäure) aufgetreten, die die katalytische Aktivität zerstören. Hierbei handelt es sich um so genannte CRiM-Proteine (engl. cross reacting material; das "i" wird zur leichteren Aussprache hinzugefügt).

Die Anwendung von Supplementierungstests wird bei auxotrophen Mutanten durch das Auftreten polyauxotropher Einfachmutanten erschwert, die von den echten polyauxotrophen Mutanten (polygenische Mutanten) zu unterscheiden sind.

Die M. wurde auch bei natürlich vorkommenden Mutationen von Tieren angewandt, z.B. zur Untersuchung des Abbaus von Phenylalanin und Tyrosin (L-Phenylalanin).



Mutantentechnik. Ein Beispiel für eine Akkumulationsanalyse.

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